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Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Oktober 2004
Haben Sie ihn auch so genossen wie wir? Ja, schön war er, gell? Der Aufschwung!"
Aufschwung? Haben wir was verpaßt? Ja in der Tat, das war es schon, sagen die
"Wirtschaftsweisen". Von jetzt an geht's wieder abwärts. Indes: Die Lage in
diesem Sommer unterschied sich von dem, was wir in früheren Tagen als
"Aufschwung" erlebt haben, wie der Rand eines Priels vom rettenden Ufer. Gleich
kommt die Flut zurück und Wattführer Clement will uns weismachen, das der Kurs,
auf dem wir hierher gekommen sind, in die "Zukunft" führt. In welche?
Die Opel-Arbeiter stehen schon bis zum Hals im Wasser. Gleich sind die meisten
weg und schimpfen nun voller Wut auf ihre amerikanischen Manager, die sie in
diese Lache geschubst hätten. Das geht zuweit. Arbeiter verstehen eben nichts
von Wirtschaft. Redlich bemüht um ihren deutschen Ableger schickten die emsigen
Amis in nur 20 Jahren gleich 15 verschiedene Manager hintereinander über den
Teich, um Opel fit zu machen für den globalen Markt. Etliche jener Spezialisten
waren dermaßen global, daß sie nicht einmal deutsch sprachen. Deshalb haben die
ungebildeten Opelaner auch ihre kompetente Firmenstrategie nicht kapiert,
genauso wenig die provinziellen deutschen Kunden, von denen zuletzt nur noch
jeder Zehnte einen Opel haben wollte. Schade, doch jetzt wollen sich die
Beschäftigten wenigstens den letzten Akt vorbehalten und schließen ihren Betrieb
selber, bevor General Motors die Grablegung an sich reißt.
Selbstbeerdigung ist "en vogue", wie Modefuzzis oder Small-Talk-Gockel sagen
würden. Da will die CDU als "moderne Großstadtpartei", zu der sich die einstige
Bauern-, Handwerker- und Kirchgängertruppe veredelt hat, nicht abseits stehen.
Die Unionsspitzen haben die Zeit der hohen Umfragewerte dazu genutzt, ihre
Messer zu wetzen, die jetzt kreuz und quer durch die Führungsetage sausen. Wenn
mal das Licht angeht, beteuern alle, der Vorsitzenden Merkel doch nur "helfen"
zu wollen. Der Volksmund weiß allerdings, was "Dir werd' ich helfen!" in
Wahrheit nach sich zieht. Merkel ist ganz elend zumute. Doch hat sie nicht
selber Schuld? Die alten Römer wußten noch, daß man einen per kunstvoller
Intrige erst ausgenutzten und dann gestürzten Rivalen nicht einfach aufs Land
schickt und vergißt, ihm gar noch einen Abfindungsposten gibt. Nur der kurze
Prozeß sorgte dafür, daß man sicher vor ihm war, daß er nicht zu ungelegener
Zeit wieder auftauchte. Merkel hat sie alle irgendwo weiterleben lassen wie Merz
oder Schäuble, die jetzt ihre offenen Rechnungen mit der Chefin zum Knüppel
gerollt und entsprechend benutzt haben. Besonders gemein jedoch war der als
Entlastung getarnte Dolchstoß des thüringischen Ministerpräsidenten Althaus.
Eine "Intrige" sei da im Gange gegen Merkel. Ein Intrige! Gegen sie, die
Meisterin aller Klassen auf dem Gebiet der feinen Ranküne! Das ist, als warne
man einen stolzen Ritter, sein Schildknappe trachte ihm mit einem Zahnstocher
bewaffnet nach dem Leben. Ehrverletzend ist das.
Wie zu erwarten war, rotten sich zudem die feigen Trittbrettfahrer zusammen, um
der schwankenden CDU im Allgemeinen und der gezausten Parteichefin im Besonderen
noch einen mitzugeben. Vorneweg der traditionelle Todfeind aller
Christdemokraten, die bayerische CSU. Dahinter kläft ein noch kleiner Gegner,
den wir kaum auf der Rechnung hatten. Die Türken deutscher Staatszugehörigkeit
drohen der CDU mit Stimmenboykott. Gut, ist in etwa so bedrohlich für die Union
wie für das Fleischerhandwerk die Ankündigung der Vegetarierverbände, auch
morgen nicht zum Schlachter zu gehen. Der Unterschied zwischen SPD wählen und
"jetzt erst recht SPD wählen" ist auf dem Stimmzettel nicht erkennbar und spielt
auch bei den Hochrechnungen keine Rolle. Außerdem sollten sich die Türken nicht
so aufplustern, zumal es dafür die ganz falsche Zeit ist. Wenn sie erst einmal
in der EU sind, haben sie, verstärkt von ein paar Millionen Landsleuten, sowieso
das kommunale Wahlrecht und können - sei es als "Zünglein an der Waage" oder
gleich als Mehrheitsfraktion - in ganz anderem Ausmaß "aktiv am politischen und
gesellschaftlichen Leben teilnehmen". Muß man durch sinnlose Poltereien den
Deutschen denn jetzt schon Angst davor machen, wie diese "Teilnahme" konkret
aussehen mag? Manche Deutsche könnten sich in der fatalen Idee verrennen, die
Türken mit deutschem Paß verträten weniger die Interessen ihrer neuen deutschen
Umgebung als vielmehr die ihrer alten türkischen Heimat. Sowas kann zu
Mißverständnissen führen.
Zumal die Deutschen mit wachsender Aufdringlichkeit nach "Volksabstimmungen"
gieren, was die EU-Chancen der Türkei treffen könnte. Rot-Grün hat die
Bedrohnung allerdings erkannt und einen Ausweg gefunden: Volksabstimmungen ja,
aber das Volk kann sie nur erzwingen, wenn es um innenpolitische Fragen geht.
Bei der Außenpolitik müßte der Bundestag eine solche Abstimmung eigens zulassen,
bei ganz wichtigen Sachen sogar mit Zweidrittelmehrheit. Das Volk wird dennoch
sehr dankbar sein, das türkische auch. Denn EU-Erweiterungen sind ja
Außenpolitik, wie alles, was mit der EU zu tun hat. Da rund 80 Prozent unserer
Gesetze und Verordnungen auf EU-Beschlüsse zurückgehen, wird das gemeine Volk
auch mit der neuen Regelung kaum mehr zu sagen haben als bislang bei den
allfälligen kommunalen Befragungen. Doch worauf es ankommt: Es fühlt sich dann
halt viel "gefragter", fast wichtig!
Mit dem Gesetzesvorschlag wird Rot-Grün die Union noch tiefer in den Schlund
niederkrachender Umfragewerte treiben, denn den Schwarzen riecht derlei
Volkseinmischung per se allzu eklig nach Demokratur. Aber wie soll man das
publikumswirksam vertreten? Ist zwar recht dünn, was Rot-Grün den Deutschen an
Mitbestimmung einräumen will. Doch eine Gegenargumentation unter der Überschrift
"Wenig ist uns zuwenig! Wir fordern: Gar nichts!" wird wohl kaum verstanden
werden. Zudem ist ausgerechnet die ausgesparte Außenpolitik jenes Feld, in dem
die Union der Regierung gern mal ins Handwerk pfuschen würde. Die Koalition
macht Deutschland nämlich gerade zur Weltmacht. Die Union will das nicht. Sie
hat sich im Souterrain der USA immer pudelwohl gefühlt.
Schröder und Fischer aber wollen selber groß rauskommen, mit Sicherheitsratssitz
und allem Pipapo. Und natürlich "weltumspannender Verantwortung", wie Peter
Struck in Afghanistan jüngst noch einmal her-ausstrich. Leider ist das Material
für die Weltumspannung noch etwas dürftig. Struck mußte das Land in einem
Militärflugzeug unserer Nachbarweltmacht Niederlande verlassen, weil die
deutsche Transall es womöglich nicht über den Hindukusch geschafft hätte.
Irgendwie peinlich. Warum nahm er nicht - landestypisch - einen Esel? Die beiden
hätten sich gewiß viel zu erzählen gehabt.
" ... kühler weht der Wind ... " Zeichnung: Götz Wiedenroth |
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