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30.10.04 / Dienst am Kunden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Oktober 2004


Dienst am Kunden
von Werner Hassler

Wir sind zwar sozusagen das führende Haus am Platze", sprach Geschäftsführer Friedmann mit erhobenem Zeigefinger, "jedoch auch in der Modebranche wird der Konkurrenzkampf zusehends mit immer härteren Bandagen geführt. Deshalb legen wir großen Wert darauf, daß unser ausgewähltes und besonders geschultes Personal sowohl den Ansprüchen unserer Kundschaft als auch denen der Geschäftsleitung voll und ganz entspricht. Der Kunde ist König! Dieser wenn auch noch so abgedroschene Satz hat selbst in der heutigen modernen Zeit noch seine Gültigkeit. Merken Sie sich deshalb, Fräulein Romstedt, sicheres Auftreten mit größtmöglicher Zuvorkommenheit gegenüber den Kunden ist in unserem Geschäft und in unserer Branche allererstes Gebot!"

Susanne Romstedt nickte. Ihre leicht geröteten Wangen spiegelten ihre große Freude wider. Endlich hatte sie wieder Arbeit gefunden, und das ausgerechnet in diesem Top-Modehaus. Nun saß sie dem Geschäftsführer gegenüber, der ihr heute an ihrem ersten Arbeitstag noch einige Anweisungen mit auf den Weg geben wollte. Und so war es auch keineswegs verwunderlich, daß Herr Friedmann in den nächsten Tagen mit besonders kritischen Blicken das Tun und Handeln seiner neuen Mitarbeiterin beobachtete. Aber er konnte mit Susanne sehr zufrieden sein. Ihr liebenswürdiges Auftreten den Kunden gegenüber und ihre sorgfältige fachkundige Beratung beeindruckten ihn.

Doch eines Tages hörte Herr Friedmann im Vorbeigehen, wie Susanne zu einer Kundin sagte: "Nein, so etwas haben wir hier nicht!" Herr Friedmann eilte hinzu, und während sich die Kundin in ihrem neuen Kleid im großen Spiegel betrachtete, zog er Susanne beiseite. "Hören Sie, Fräulein Romstedt, niemals dürfen Sie einer Kundin sagen: So etwas haben wir hier nicht. Denken Sie daran, wir müssen unsere Kunden stets zufriedenstellen. Auch wenn es uns unmöglich erscheint und wir uns dabei nur so zum Schein mühen, soll der Kunde stets das Gefühl haben, daß wir alles für ihn und seine Wünsche zu tun bereit sind!"

"Aber Herr Friedmann, die Kundin wollte doch nur ..."

"Seien Sie still!" Dann wandte er sich der Kundin zu: "Gnädige Frau, ganz zu Ihren Diensten! Kann ich Ihnen behilflich sein?"

"Danke, nein, ich werde bestens bedient!" Herr Friedmann räusperte sich gekünstelt. "Aber ich hörte doch selber eben meine Mitarbeiterin zu Ihnen sagen: Nein, so etwas haben wir hier nicht. Gnädige Frau, Sie können versichert sein, daß ich alles nur Mögliche versuchen werde, Ihre Wünsche zu berücksichtigen und das Fehlende notfalls sofort zu besorgen!"

Die Kundin brach in ein schallendes Gelächter aus. "Ich bin sicher, da werden Sie mit Ihren Mitarbeitern aber großen Ärger bekommen!" stellte sie schließlich fest. "Wie meinen Sie das, gnädige Frau?"

"Ich hatte Ihrer Mitarbeiterin gegenüber nur erwähnt, daß bei uns im Betrieb in der heute so hektischen Zeit wegen Personalmangels und darum manchmal unzufriedener Kundschaft die Geschäftsführung übelster Laune sei und dadurch ein ganz miserables Betriebsklima herrsche. Ob das heute wohl überall in den Betrieben so sei? Darauf antwortete Ihre Verkäuferin - na, Sie wissen ja selber, was sie gesagt hat!"


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