25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.11.04 / Taschen voller Gold

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. November 2004


Taschen voller Gold
von E.T.A. Hoffmann

Ihr wißt", begann Theodor, "daß ich mich, um meine Studien zu vollenden, eine Zeitlang in G. bei einem alten Onkel aufhielt. Ein Freund dieses Onkels fand, der Ungleichheit unserer Jahre ungeachtet, großes Wohlgefallen an mir und zwar wohl vorzüglich deshalb, weil mich damals eine stets frohe, oft bis zum Mutwillen steigende Laune beseelte. Der Mann war in der Tat eine der sonderbarsten Personen, die mir jemals aufgestoßen sind. Kleinlich in allen Angelegenheiten des Lebens, mürrisch, verdrießlich, mit großem Hange zum Geiz, war er doch im höchsten Grade empfänglich für jeden Scherz, für jede Ironie. Um mich eines französischen Ausdrucks zu bedienen - der Mann war durchaus amusable, ohne im mindesten amüsant zu sein. Dabei trieb er hoch an Jahren eine Eitelkeit, die sich vorzüglich in seiner nach den Bedingnissen der letzten Mode sorglich gewählten Kleidung aussprach, beinahe bis zum Lächerlichen, und eben diese Lächerlichkeit traf ihn, wenn man sah, wie er im Schweiß seines Angesichts jedem Genuß nachjagte und mit komischer Gier soviel davon auf einmal einzuschnappen strebte, als nur möglich ...

Der Mann, den ich euch geschildert, forderte mich auf, ihn auf einer Reise nach einem Badeort zu begleiten, und unerachtet ich wohl einsah, daß ich seinen Besänftiger, Aufheiterer, Maitre de plaisir spielen sollte, war es mir doch gelegen, die anziehende Reise durch das Gebirge zu machen ohne allen Aufwand an Kosten. - In dem Badeort fand damals ein sehr bedeutendes Spiel statt, da die Bank mehrere tausend Friedrichs d'or betrug. Mein Mann betrachtete mit gierigem Schmunzeln das aufgehäufte Gold, ging auf und ab im Saal, umkreiste dann wieder näher und näher den Spieltisch, griff in die Tasche, hielt einen Friedrichs d'or zwischen den Fingern, steckte ihn wieder ein - genug, ihn gelüstete nach dem Golde. Gar zu gern hätte er sich ein Sümmchen expontiert von dem aufgeschütteten Reichtum, und doch mißtraute er seinem Glücksstern.

Endlich machte er dem drolligen Kampf zwischen Wollen und Fürchten, der ihm Schweißtropfen auspreßte, dadurch ein Ende, daß er mich aufforderte, für ihn zu pontieren, und mir zu dem Behuf fünf - sechs Stück Friedrichs d'or in die Hand steckte. Erst dann, als er mir versicherte, daß er meinem Glück durchaus nicht vertrauen, sondern das Geld, das er mir gegeben, für verloren achten wolle, verstand ich mich zum Pontieren. Was ich gar nicht gedacht, das geschah. Mir, dem ungeübten, unerfahrenen Spieler, war das Glück günstig, ich gewann in kurzer Zeit für meinen Freund etwa 30 Stück Friedrichs d'or, die er sehr vergnügt einsteckte.

Am andern Abend bat er mich wiederum, für ihn zu pontieren. Bis zur heutigen Stunde weiß ich aber nicht, wie es mir herausfuhr, daß ich nun mein Glück für mich selbst versuchen wollte. Nicht in den Sinn war es mir gekommen, zu spielen, vielmehr stand ich eben im Begriff, aus dem Saal ins Freie zu laufen, als mein Freund mich anging mit seiner Bitte. Erst, als ich erklärte, heute für mich selbst zu pontieren, trat ich auch entschlossen an die Bank und holte aus der engen Tasche meines Gilets die beiden einzigen Friedrichs d'or hervor, die ich besaß. War mir das Glück gestern günstig, so schien es heute, als sei ein mächtiger Geist mit mir im Bunde, der dem Zufall gebiete. Ich mochte Karten nehmen, pontieren, biegen, wie ich wollte, kein Blatt schlug mir um, kurz - mir geschah dasselbe, was ich von dem Baron Siegfried gleich im Anfang meines Spielerglücks erzählt.

Mir taumelten die Sinne; oft, wenn mir neues Geld zuströmte, war es mir, als läg ich im Traum und würde nun gleich, indem ich das Geld einzustecken gewähnt, erwachen. - Mit dem Schlage zwei Uhr wurde wie gewöhnlich das Spiel geendet. - In dem Augenblick, in dem ich den Saal verlassen wollte, faßte mich ein alter Offizier bei der Schulter und sprach, mich mit ernstem strengen Blick durchbohrend: ,Junger Mann! Verstanden Sie es, so hätten Sie die Bank gesprengt. Aber wenn Sie das verstehen werden, wird Sie auch wohl der Teufel holen wie alle übrigen.' Damit verließ er mich, ohne abzuwarten, was ich wohl darauf erwidern werde.

Der Morgen war schon heraufgedämmert, als ich auf mein Zimmer kam und aus allen Taschen das Gold ausschüttete auf den Tisch. - Denkt euch die Empfindung eines Jüng-lings, der in voller Abhängigkeit auf ein klägliches Taschengeld beschränkt ist, das er zu seinem Vergnügen verwenden darf, und der plötzlich wie durch einen Zauberschlag sich in dem Besitz einer Summe befindet, die bedeutend genug ist, um wenigstens von ihm in dem Augenblick für einen großen Reichtum gehalten zu werden! - Indem ich aber nun den Goldhaufen anschaute, wurde plötzlich mein ganzes Gemüt von einer Bangigkeit, von einer seltsamen Angst erfaßt, die mir kalten Todesschweiß auspreßte.

Die Worte des alten Offiziers gingen mir nun erst auf in der entsetzlichsten Bedeutung. Mir war es, als sei das Gold, das auf dem Tische blinkte, das Handgeld, womit die finstere Macht meine Seele erkauft, die nun nicht mehr dem Verderben entrinnen könne. Meines Lebens Blüte schien mir angenagt von einem giftigen Wurm, und ich geriet in vernichtende Trostlosigkeit. - Da flammte das Morgenrot höher auf hinter den Bergen, ich legte mich ins Fenster, ich schaute mit inbrünstiger Sehnsucht der Sonne entgegen, vor der die finstern Geister der Nacht fliehen mußten. So wie nun Flur und Wald aufleuchteten, in den goldenen Strahlen, wurd es auch wieder Tag in meiner Seele. Mir kam das beseligende Gefühl der Kraft, jeder Verlockung zu widerstehen und mein Leben zu bewahren vor jenem dämonischen Treiben, in dem es, sei es wie und wenn es wolle, rettungslos untergeht! - Ich gelobte mir selbst auf das Heiligste, nie mehr eine Karte zu berühren, und habe dies Gelübde streng gehalten.

Der erste Gebrauch, den ich übrigens von meinem reichen Gewinst machte, bestand darin, daß ich mich von meinem Freunde zu seinem nicht geringen Erstaunen trennte und jene Reise nach Dresden, Prag und Wien unternahm, von der ich euch schon so oft erzählt."

Aus "Die Serapionsbrüder"

 Im Spielkasino: Am Roulettetisch hat schon so mancher sein Glück herausgefordert. Foto: Casino Baden-Baden


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren