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13.11.04 / Bewegendes Frauenbild / Uneheliche Tochter erkämpft sich in den 30er Jahren ihr Recht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. November 2004


Bewegendes Frauenbild
Uneheliche Tochter erkämpft sich in den 30er Jahren ihr Recht

So unscheinbar "Das Bücherzimmer" der österreichischen Autorin Rosemarie Marschner von außen auch wirken mag, der Roman ist von ganz besonderer Güte.

Gerade 14 Jahre alt wird das Dorfkind Marie Zweisam von ihrer alleinerziehenden Mutter nach Linz in Dienst geschickt. Da die Kleine unehelich ist, stehen ihre Chancen auf eine angesehne Ehe schlecht, beruflich sind die Möglichkeiten für eine Frau Anfang der 30er Jahre sehr begrenzt. In Linz fügt sich das junge Mädchen schnell in die Arbeit eines Dienstmädchens, doch die einzigen Stunden am Tag, an dem sie glück-lich ist, sind jene Stunden, an dem sie dem greisen Vater ihrer Chefin aus den Tageszeitungen vorliest. Der alte Notar weist Marie schon früh auf die bürgerkriegsartigen Zustände in Österreich und die sich vrstärkende Einflußnahme seitens des Deutschen Reiches hin. Als Maries Mutter an Krebs erkrankt, muß sie jedoch die inzwischen liebgewonnene Stadt verlassen und wieder zurück auf das Dorf, wo sie ihre junge Mutter bis zu deren frühem Tod pflegt. Völlig vereinsamt und isoliert lebt Marie in dem kleinen geerbten Haus ihrer Mutter, bis eines Tages Franz Janus, ein guter Bekannter aus Linz, vor der Tür steht und sie anfleht, seine Frau zu werden. Da Marie ihn mag und keinen anderen Ausweg weiß, willigt sie ein, obwohl ihr Herz einem anderen gehört. Schon früh macht ihr ihre Schwiegermutter Emmi Janus klar, was sie von einem Bastard als Schwiegertochter hält. Die Ehe steht so unter keinem guten Stern, und Marie vergräbt sich in die Arbeit in der Großbäckerei der angesehenen Linzer Familie Janus. Doch ihre dortigen Aufgaben füllen die Bildungshungrige nicht aus. Als dann auch Österreich Bestandteil des Dritten Reiches wird, klagt Emmi Janus die ihr längst überdrüssige Schwiegertochter auch noch wegen hitlerfeindlicher Äußerungen an.

Auch wenn die Geschichte, die Rosemarie Marschner in ihrem neuesten Roman erzählt, an sich nicht besonders spektakulär ist, so ist ihr doch die Verknüpfung von Fiktion und Realität besonders gelungen. Auch die Charaktere sind einfühlsam und nachvollziehbar gezeichnet, ihre Gefühle und Empfindungen sind frei von Klischees. Vor allem jedoch besticht die melodisch bewegende Sprache der Autorin. Ein bewegendes Frauenbild vor dem Hintergrund einer widrigen Zeit! R. Bellano

Rosemarie Marschner: "Das Bücherzimmer", dtv premium, München 2004, Hardcover, 414 Seiten, 14 Euro


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