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20.11.04 / Vergessener Kämpfer für die Einheit / Vor 20 Jahren verstarb der Journalist Matthias Walden an Krebs

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004


Vergessener Kämpfer für die Einheit
Vor 20 Jahren verstarb der Journalist Matthias Walden an Krebs
von Ansgar Lange

Am 17. November 1984 ist der Journalist Matthias Walden dem Krebs erlegen. Die Tragik dieses relativ frühen Todes - Walden ist nur 57 Jahre alt geworden - liegt darin, daß er die Verwirklichung seines Lebensthemas nicht mehr erleben durfte: Fünf Jahre später, am 9. November 1989, sollte die von ihm gehaßte Schandmauer fallen. Walden hat die Einheit des Vaterlandes immer herbeigewünscht und gleichsam "herbeigeschrieben", auch als er dafür nur noch die Verachtung derjenigen erntete, die den "Wandel durch Anbiederung" predigten und sich den Regimen im Osten auf dem Bauch kriechend näherten.

Walden wurde am 16. Mai 1927 in Dresden als Otto Baron von Saß geboren. Er wuchs in einem streng antinationalsozialistischen Elternhaus auf. Kein Wunder, daß er als junger Journalist die neue Unfreiheit in der Ostzone nicht ertrug und 1950 in den Westen floh. Zum Schutz der zurückgebliebenen Eltern nahm er das Pseudonym Matthias Walden an; so hatte einst der Protagonist eines Kriminalromans geheißen, den er als Kind geschrieben hatte. Diejenigen, die sich heute noch an den Publizisten Walden erinnern, werden ihn mit dem Springer-Verlag in Verbindung bringen. Und in der Tat, bis zu seinem Tod schrieb er für fast alle wichtigen Erzeugnisse des Verlags und war von Axel Springer zum Nachfolger ausersehen worden. Der Bauchspeicheldrüsenkrebs machte diese Nachfolgeregelung zunichte.

Springer hätte Walden schon in den 60er Jahren gern als festen Mitarbeiter gehabt. Dieser dachte aber vor allem an seine treuen Zuhörer in Mitteldeutschland, die seinen Radiokommentaren lauschten, um etwas vom Wert der Freiheit und der Einheit zu hören. Wenn Walden sprach, waren die Straßen buchstäblich leergefegt. In West-Berlin war Walden nämlich nach seiner Flucht aus der Ostzone zunächst sechs Jahre lang Redakteur und Kommentator beim Rias gewesen. 1956 ging er dann zum SFB, wo er als stellvertretender Chefredakteur und dann als Chefkommentator wirkte. Der zunehmende Linkstrend des SFB, der ihm die Tätigkeit Ende der 70er Jahre unmöglich machte, führte ihn dann endgültig zum Springer-Verlag. Er wurde Mitherausgeber der Welt und schließlich alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Springers Stellvertreter als Vorsitzender der Geschäftsführerkonferenz.

In den 50er Jahren handelte man Walden als "Linken" ab, weil er gegen einige braune Umtriebe in der Bundesrepublik mit der Schreibmaschine ankämpfte. Für ihn war stets klar: Zwischen dem roten und dem braunen Totalitarismus gibt es höchstens einen akademischen Unterschied. Für die Opfer dieser Ideologien war es nebensächlich, ob sie wegen Hitlers Rassenlehre oder der kommunistischen Heilslehre ermordet wurden. Seine frühe Kritik an der Bundesrepublik lautet: "Es gibt zu wenige Anti-Nazis". Die Vorwürfe des vergeblich antifaschistischen Arbeiter- und Bauern-Staates, wonach die Bundesrepublik von Nationalsozialisten bevölkert sei, hielt er hingegen für böswillige Propaganda.

In den 60er, 70er und 80er Jahren sahen viele Linke in Walden einen "Rechten". Dies lag aber vor allem darin begründet, daß sich das politische Koordinatensystem im westlichen Deutschland stark nach links verschoben hatte. Walden ließ sich aber auch nicht den Mund verbieten, als sein Antikommunismus auf einmal nicht mehr schick war. Er bekämpfte die östlichen Tyranneien weiterhin mit der Kraft des Wortes. Daß ihm der heutige EU-Obermoralist "Dany" Cohn-Bendit nach einer Fernsehdiskussion den Handschlag verweigerte, geschenkt. Daß die Familie über eine Geheimnummer verfügte und es eine Art Geheimausgang vom Waldenschen Reihenhaus ins Nachbarhaus gab und Springer-Redakteure bedroht wurden, sagt viel über die Diskussionskultur der angeblich so antiautoritären und anti-repressiven Linken in unserem Lande aus.

Anders als seine linken Kritiker kann Matthias Walden als Moralist bezeichnet werden. Er war kein zynischer Macht- oder Realpolitiker. Ihm ging es zuallererst immer um die Menschenrechte. Die Freiheit Berlins, die Einheit Deutschlands, die transatlantische Partnerschaft, ein enges Vertrauensverhältnis zu Israel, ein wehrhafter Antitotalitarismus, der Wert von Arbeit und Leistung, der Glaube an Gott, der einem innere Sicherheit verleiht: Das waren Waldens Hauptthemen, die er immer wieder variierte. Er war eher ein Generalist, den das tägliche Klein-Klein des politischen Treibens nicht sonderlich interessierte. Dabei war Walden ein Stilist von hohen Graden und immer um Klarheit und Verständlichkeit bemüht. Seine bilderreiche Sprache traf den richtigen Ton, ganz gleich, ob er nun Kommentare für den Rundfunk sprach oder für die Bild, die Welt, Welt am Sonntag oder Quick schrieb und für Hörzu Prominente wie Hans Rosenthal oder Peter Frankenfeld porträtierte.

Wahrscheinlich kann man Matthias Walden heute besser verstehen als zur Zeit seines Todes. Nicht die ostpolitischen Leisetreter, die spätestens in den 70er Jahren den festen Glauben an die Wiedervereinigung als Lebenslüge oder nationalistische Verirrung denunzieren wollten, sind von der Geschichte bestätigt worden, sondern tapfere und unbeugsame Menschen wie Matthias Walden, der über die geteilte Nation sagte: "Die Teilung Deutschlands ist ein Unrecht. Deshalb bleibt die deutsche Frage offen, deren Antwort nicht die Zweistaatlichkeit, sondern nur die Einheit in Freiheit sein kann. Wer die deutsche Frage für nicht mehr offen erklärt, gibt eine verräterische, eine kleinmütige Antwort, die sich vor dem Unrecht beugt." Matthias Walden hätte das erbärmliche Geschachere um den deutschen Nationalfeiertag sicherlich unwürdig gefunden. Aber in puncto Noblesse und Stil konnten es seine Gegner, ob sie nun Böll, Grass, Gaus, Cohn-Bendit oder sonstwie hießen, noch nie mit ihm aufnehmen.

1980 im Journalistenclub des Axel-Springer-Verlages: Matthias Walden Foto: Ullstein


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