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Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004
Die Nachrufe auf Arafat waren zahlreich, ausführlich - und nicht annähernd so unausgewogen, wie man es erwarten mußte. Unterbelichtet blieb allerdings die Rolle zweier Männer, die wesentlichen Einfluß auf seine Lebensgeschichte hatten, nämlich Kurt Waldheim und Bruno Kreisky: Diese so unterschiedlichen Persönlichkeiten hatten durch mutige Schritte erste Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Palästinenser letztlich als Verhandlungspartner anerkannt wurden und daß realistische Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung der Palästina-Frage überhaupt erst entstehen konnten. Waldheim, Uno-Generalsekretär 1972 bis 1981, hatte gegen den Widerstand der USA und Israels 1974 erstmals eine Rede Arafats vor der Uno-Generalversammlung ermöglicht. Mit Spätfolgen, denn nach einer 1986 von der SPÖ angezettelten und vom Jüdischen Weltkongreß durchgezogenen Verleumdungskampagne wurde Waldheim auf die "Watch-list" des US-Justizministeriums gesetzt, auf der er bis heute steht - Rechtsmittel dagegen gibt es keine. Und in seiner Zeit als Bundespräsident (1986-1992) wurde er von den dienstbeflissenen westlichen Amtskollegen systematisch boykottiert. Kreisky wiederum, Außenminister 1959 bis 1966 und Bundeskanzler 1970 bis 1983, vollzog 1979 die Anerkennung der PLO durch Österreich. Diese erstmalige Anerkennung durch ein westliches Land war für Arafat deshalb so bedeutsam, weil er längst den geringen politischen Wert der Anerkennung durch den Ostblock und die "Blockfreien" erkannt hatte: Für die einen waren die Palästinenser nur Schachfiguren im Kalten Krieg, und die anderen hatten außer Rhetorik wenig zu bieten. Kreisky hatte sich allerdings schon vorher exponiert - durch Kritik an Israel, durch Aufnahme einstiger NSDAP-Mitglieder in die Regierung, durch ein Treffen mit Arafat 1975 in Kairo und vor allem mit der Schließung eines von Israel betriebenen Durchgangslagers für Juden aus der Sowjetunion. Über dieses Lager waren Auswanderer nach Israel kanalisiert worden - danach zogen viele die Weiterreise in die USA vor. Wenngleich Kreisky dank seiner Herkunft von direkten Racheakten verschont blieb, sein Land bekommt die Spätfolgen bei jeder Gelegenheit zu spüren, zuletzt mit den "Sanktionen". Den vor aller Welt sichtbaren Akten von 1974 und 1979 waren natürlich diplomatische Bemühungen vorangegangen, und diese wieder resultierten aus Umdenkprozessen der Akteure. In der österreichischen Öffentlichkeit hingegen sind solche Umdenkprozesse erst teilweise vollzogen - so nachhaltig wirken Umerziehung und ein Gummiparagraph bezüglich "Wiederbetätigung". Wie aber war die Ausgangslage 1945? Allgemein hatte man in Ost und West, sowohl bei Tätern als auch bei Zuschauern und Profiteuren des "Holocaust", in der Gründung Israels ein "billiges" Mittel gesehen, auf Kosten Dritter von eigenem Fehlverhalten abzulenken. Wohl der teuerste Irrtum aller Zeiten! Stalin hatte sogar gehofft, Israel als Instrument gegen die "Imperialisten" einsetzen zu können - ebenfalls eine krasse Fehlkalkulation. In Österreich war die SPÖ wie in der Vorkriegszeit prozionistisch. Die Kibbutz-Bewegung erschien als Verwirklichung sozialistischer Ideale, und es wurde ignoriert, daß die Gründung Israels mit der Vertreibung und Entrechtung eines ganzen Volkes verbunden war. Oder man sah dies gar - wie sämtliche Vertreibungen 1945/46 - als "gerechte Strafe": Hatten nicht die Araber, allen voran Amin Al-Husseini, Großmufti von Jerusalem, auf einen Sieg der Achsenmächte gehofft? (Arafat war übrigens ein Neffe Al-Husseinis.) Bei Christlichsozialen wandelte sich der traditionelle, doch gewaltlose Antijudaismus oft in einen widersprüchlichen Philosemitismus, der mittlerweile bis in die Kirche hinein reicht. Und wer aus der NS-Zeit "belastet" war, mußte ohnehin seine Zunge hüten. Insgesamt herrschte im bürgerlichen Lager, aber auch in Teilen der Arbeiterschaft eine proisraelische Stimmung mit den Untertönen: "Ja, dort unten sollen's nur arbeiten." Und nach dem Sechstagekrieg 1967 sogar: "Die haben's den Kameltreibern ordentlich gezeigt." Die Studentenunruhen von 1968 brachten Bewegung auch in der Nahost-Frage: Zur Freude Moskaus begannen alle "Fortschrittlichen", Israel als "Instrument des US-Imperialismus" zu sehen. Wieder daneben, denn keiner ahnte, daß da der Schwanz mit dem Hund wedelt. Und aus Ablehnung der 68er wurden Bürgerliche in ihrem verkrampften Philosemitismus sogar bestärkt. Wann bei Kreisky und Waldheim das Umdenken einsetzte, läßt sich schwer sagen, aber es gab mindestens zwei Punkte, die allen Verantwortungsbewußten aufstoßen mußten: Einmal, daß nach dem Zusammenbruch der Kolonialreiche alle Aufständischen legitimiert waren und einstige "Terroristen" mit rotem Teppich empfangen wurden. Zum anderen, daß der Widerstand gegen deutsche, italienische oder japanische Besatzungstruppen als legitim gilt - einschließlich aller Greueltaten an Nicht-Kombattanten und Zivilisten. Warum sollten dann just für den Kampf der Palästinenser andere Regeln gelten? Himmelschreiende Widersprüche, über die bis heute viel zu wenig nachgedacht wird! Die Zukunft nach Arafat bleibt Spekulation. Fest steht jedoch: Ohne palästinensischen Staat mit akzeptablen Lebensverhältnissen gibt es keine Dauerlösung. Von den Atommächten USA und Israel ausgesuchte Verhandlungspartner sind automatisch beim eigenen Volk diskreditiert. Und jede weitere Militäraktion in Nahost fördert die Fundamentalisten. Die Folgen aber werden primär, wenn nicht ausschließlich in Europa zu spüren sein. Begrüßung in Wien: Bundeskanzler Kreisky empfängt 1979 Arafat. Foto: pa |