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Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004
Alexander von Humboldt nannte ihn seinen Lehrer und Freund; Bruder Wilhelm gar schrieb 1789 über Georg Forster: "Denn nur sehr wenige haben gesehen, was er gesehen hat, und diese wenigen, wie zum Beispiel sein Vater, haben nicht das glückliche Genie, den philosophischen Geist." Die Brüder Humboldt und Forster einte das gemeinsame Interesse - einmal an der Naturwissenschaft, zum anderen an der Geisteswissenschaft - mit dem Unterschied, daß Forster beides in einer Person vereinigte. Wer war dieser Mann, der heute in der breiten Öffentlichkeit meist vergessen ist, der die Gelehrten jedoch immer noch beschäftigt? So gibt es in Kassel eine Georg-Forster-Gesellschaft, und 1991 wurde an der Mainzer Universität eine "Georg-Forster-Forschungsstelle für Geschichte der Ethnologie und der Europäisch-Überseeischen-Beziehungen" ins Leben gerufen. Im Gotischen Haus des Wörlitzer Parks, Kreis Gräfenheinichen, findet sich eine Sammlung von Gegenständen, die Forster aus der Südsee mitgebracht hat, und eine Reihe seiner Werkausgaben. Johann Georg Forster wurde vor 250 Jahren am 27. November 1754 in Hochzeit bei Danzig geboren. Im Pfarrhaus Nassenhuben bei Danzig wuchs er auf, dort unterrichtete ihn sein Vater Reinhold, der vor 275 Jahren, am 22. Oktober 1729, in Dirschau das Licht der Welt erblickte. Die Kindheit Reinhold Forsters war geprägt von der Strenge des Vaters, der ausschließlich Latein mit dem Kind sprach und seine Frau anwies, mit dem Sohn nur polnisch zu reden. Erst mit sechs Jahren lernte der Sprachbegabte schließlich Deutsch. Reinhold besuchte die Schule in Marienwerder und das Joachimstalsche Gymnasium in Berlin. Anschließend studierte er auf Wunsch des Vaters in Halle Jura, wechselte dann aber an die theologische Fakultät. 1753 erhielt Forster die Pfarrstelle in Nassenhuben bei Danzig. Dort setzte er seine naturwissenschaftlichen Studien (am liebsten wäre er Arzt geworden) fort und unterrichtete auch eingehend seinen Sohn Georg in diesen Fächern. Gemeinsam durchstreiften sie die Umgebung der Weichselniederung, als seien sie auf einer wissenschaftlichen Expedition in fernsten Ländern. Dorthin aber sollte es sie erst einige Jahre später ziehen ... 1765 machten sich Reinhold und Georg Forster auf nach Rußland. Der Vater hatte das Angebot der Regierung angenommen, die Lage der deutschen Kolonisten an der unteren Wolga zu untersuchen. Das Gehalt eines Pfarrers war knapp bemessen damals, und die Familie wuchs. An der Wolga sprach Forster mit den Deutschen über ihre nicht gerade rosige Situation, aber auch die Wissenschaft kam nicht zu kurz: "Überall wurden der Boden, die Gewächse und Thiere der Gegenden, nebst dem Clima und dessen Einfluß auf Menschen, Thiere, Pflanzen und Producte untersucht." Seine Bemühungen wurden jedoch nicht ausreichend anerkannt, darüber hinaus verlor er seine Pfarrstelle in Nassenhuben, und so machte sich Forster auf nach England. Auch dort war der als starr- und eigensinnig beschriebene Mann wirtschaftlich nicht sehr erfolgreich, um so freudiger stimmte er dem Ansinnen zu, James Cook auf seiner zweiten Reise um die Welt als Naturwissenschaftler zu begleiten. Sohn Georg kam mit, als die "Resolution" am 13. Juli 1772 die Segel setzte und es in Richtung Südsee ging. Drei Jahre war man unterwegs, um unter heute kaum vorstellbaren Bedingungen, die weißen Flecke auf der Landkarte mit Farbe zu füllen, sprich, neue Länder und ihre Menschen zu erkunden. Resultat dieser Reise: 270 neu entdeckte Pflanzen und 241 Tiere: 13 Säuger, 139 Vögel, acht Amphibien, 72 Fische und neun Mollusken. Wieder aber machte der Starrsinn Forster einen Strich durch die Rechnung: Er überwarf sich mit der Admiralität; es wurde ihm verboten, seine Erkenntnisse zu veröffentlichen. 1777 holte dies Sohn Georg nach und legte in englischer Sprache seine Erfahrungen und Erlebnisse dieser Fahrt unter dem Titel "Reise um die Welt" vor; zwei Jahre später erschien die deutsche Übersetzung. Seitdem gilt Georg Forster als Begründer der wissenschaftlich-künstlerischen Reisebeschreibung. 1778 wurde Georg als Professor für Naturwissenschaften an das Carolineum in Kassel berufen, später folgte er einem Ruf nach Wilna, von wo er 1787 nach Deutschland zurückkehrte. Forster wirkte fortan als kurfürstlicher Bibliothekar in Mainz, bis er begann, sich politisch zu engagieren. Als begeisterter Anhänger der Französischen Revolution war Forster Vizepräsident im rheinisch-deutschen Nationalkonvent und ging als dessen Deputierter nach Paris, um die Vereinigung des Rheinlandes mit Frankreich anzubieten. Daraufhin wurde er in die Reichsacht erklärt. Georg Forster starb einsam und verlassen am 10. Januar 1794 an den Folgen eines Schlaganfalls in Paris. Vater Reinhold wurde schließlich als Professor für Naturgeschichte an die Universität von Halle berufen; dort starb er am 9. Dezember 1798. Mit seinen Publikationen hat Georg Forster einen großen Einfluß auf seine Zeitgenossen, aber auch auf nachfolgende Generationen ausgeübt. Goethe und Schiller schätzten ihn gleichermaßen, mit dem Mohrunger Johann Gottfried Herder führte er einen regen, wenn auch nicht immer übereinstimmenden Briefwechsel. Es kam auch 1785 zu einer ersten persönlichen Begegnung in Weimar. Seinem Königsberger Freund Hamann schrieb Herder: "Uebrigens ist er ein gutherziges, gelehrtes Männchen, der sich in den meisten Wißenschaften selbst zu etwas durchschlagen müßen, das ihm denn viel Mühe gemacht hat." Nach Forsters Tod war es Herder, der ihm zwei literarische Denkmäler gesetzt hat - ein mutiges Unternehmen, denn schließlich galt Forster als Vaterlandsverräter. In seinen "Briefen zur Beförderung der Humanität" würdigte Herder 1796 die wissenschaftliche Bedeutung Forsters für die Zukunft. Und kurz vor seinem Tod im Jahre 1803 schrieb er ein Vorwort zur zweiten Auflage von Forsters "Sakontala", der Übersetzung eines indischen Schauspiels aus dem Englischen und neben seinen "Ansichten vom Niederrhein" ein ebenfalls bedeutendes Werk des Gelehrten, dessen Wirken aufgrund seiner Vielseitigkeit nicht in eine Schublade gesteckt werden kann. Forster bezeichnete sich selbst einmal als "inkonsequent und inkalkulabel". Forscher sehen heute in ihm einen "modernen Menschen", der "höchst zeitgemäß" ist (Detlef Rasmussen). Er selbst formulierte einmal, was einen schöpferischen Menschen bewege: "Dem wahren, schöpferischen Geiste genügt es nicht, alles bilden zu können, was ihm einfällt; er will darstellen, was anderen zu denken gibt und womit sich ihre Phantasie vorzugsweise beschäftigt. Könnte man doch auch unseren Dichterlingen so etwas begreiflich machen!" Die Biographie Georg Forsters unter dem Titel Ein Leben in Scherben, die Ulrich Enzensberger 1996 für Eichborn herausgab, ist jetzt bei dtv als Taschenbuch erschienen (352 Seiten, 12,50 Euro). Der Autor zitiert aus Tagebüchern und Briefen, so daß ein lebendiges Bild vom konfliktreichen Leben Forsters entsteht. Im Foyer des Botanischen Museums Berlin-Dahlem ist noch bis Ende September 2005 das berühmte Gemälde zu sehen, das John Francis Rigaud von Vater und Sohn Forster schuf. Es zeigt die beiden Forscher in Neuseeland. Das Doppelporträt wurde 1780 in London gefertigt und zunächst mit Tahiti in Verbindung gebracht. Neuere Forschungen haben jedoch ergeben, daß die dargestellten Vögel und Pflanzen aus Neuseeland stammen. Im Berliner Museum sind neben dem Gemälde, das eine Leihgabe aus Privatbesitz ist, auch Teile des gesammelten Pflanzenmaterials zu sehen. Zwei Forscher in Neuseeland: Johann Reinhold und Georg Forster nach einem Gemälde von John Francis Rigaud |