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20.11.04 / Wissen macht Spaß / Gute Idee: Kinder-Unis beantworten Schülern Fragen zu allen Lebensbereichen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004


Wissen macht Spaß
Gute Idee: Kinder-Unis beantworten Schülern Fragen zu allen Lebensbereichen

Die Pisa-Studie hat allseits die Gemüter erregt. Die Ergebnisse dieser von der OECD ins Leben gerufenen Untersuchung zur Frage, wie 15jährige Schüler auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren, waren für Deutschland erschreckend. So dumm kann der Nachwuchs doch nicht sein. Eltern und Lehrer machten sich gegenseitig Vorwürfe, viele Schüler taten es mit einem Achselzucken ab. Um so erfreulicher ist ein vor zwei Jahren ins Leben gerufenes Projekt der Universität Tübingen. Gemeinsam mit dem Schwäbischen Tageblatt trommelte man Kinder zwischen acht und zwölf Jahren zusammen, um ihnen ein ganz besonderes Bildungsangebot vorzustellen: die Kinder-Uni. "Wie die Großen" sollten die Kinder in der Universität Professoren und Dozenten zuhören, die ihnen kindgerecht schwierige Fragen beantworten sollten.

Die erste Vorlesung war ein voller Erfolg: Etwa 400 Mädchen und Jungen waren - freiwillig - gekommen, um zu erfahren, wie Vulkane funktionieren. Aufmerksam lauschten sie den Ausführungen des Professors, der offensichtlich auch den richtigen Ton fand, die Kinder zu fesseln.

Erwachsene waren (und sind) nicht erwünscht bei diesen Vorlesungen. Alle Plätze sollen für die Kinder reserviert sein. Die Teilnahme ist kostenlos, und wie bei der "großen" Uni gibt es auch Studentenausweise und zum Abschluß auch Scheine, die allerdings nicht benotet werden.

Dozenten und Professoren arbeiten unentgeltlich und haben großen Spaß dabei. Eberhard Schaich, Rektor der Universität Tübingen, sieht den Sinn solcher Veranstaltungen auch darin, zu "erkunden, was die jungen Menschen wirklich interessiert". Schaich: "Uns an der Universität können dabei durchaus die Augen geöffnet werden, wenn wir dieses Interesse mit unseren eigenen Erwartungen an die Kinder vergleichen. Ich halte es für sehr wichtig, daß auch die Schulkinder die Universität als offene Institution erleben können, mit der man reden kann." Auch hoffe er, bei Kindern den Eindruck zu festigen, "daß die Leute an der Universität durchaus vernünftige Menschen sind".

Das Tübinger Modell machte schnell Schule. Die erste Kinder-Uni nach diesem Vorbild wurde auf der Insel Fehmarn (!) eröffnet, wenige Wochen später folgte eine "Außenstelle" in Rom. Zwei Tübinger Wissenschaftler hielten vor rund 150 Kindern der 8. Klassenstufe an der Scuola Media Statale Luigi Settembrini Vorlesungen in italienischer Sprache. Gebannt verfolgten die Schüler die Ausführungen über Mathematik und Informatik. "Man hätte keinen Flügelschlag ei-ner Mücke hören können", schrieb der Corriere begeistert.

Im Sommer 2003 schließlich folgte die Gründung der Kinder-Uni in Wien, weitere in Österreich, der Schweiz und in Deutschland folgten. Mittlerweile sind es in Deutschland mehr als 50 Universitäten, die sich dem Tübinger Modell angeschlossen haben. - Mit unterschiedlichen Erfahrungen allerdings. Waren die Kinder oder besser die Massen anfangs noch überschaubar und somit auch dirigierbar, gibt es heute auch Veranstaltungen, die bis zum Bersten gefüllt sind. So gab es in Frankfurt am Main einen Vortrag, zu dem 3.500 Kinder kamen - unmöglich, auf diese Weise Wissen zu vermitteln. Auch an der Berliner Humboldt-Universität hatte der Professor Mühe, rund 1.000 temperamentvolle Schüler zu informieren. Dabei war die Fragestellung durchaus interessant: "Warum wollen wir eigentlich etwas wissen?" hieß es. Und diese Frage nahmen sich besonders Wißbegierige zu Herzen, umringten den Professor noch nach der Vorlesung, um ihn mit Fragen zu löchern. Ein weiser Knirps war so sehr gefangen von der Problematik, daß er meinte: "Weiß der Mensch überhaupt etwas?"

Wissen macht Spaß, das ist die Devise der Kinder-Unis. Für die Veranstalter gibt es zwar keine gültigen Richtlinien, doch haben sich bundesweit Erfahrungen gefestigt. Eine ansprechende Fragestellung soll die Zuhörer einstimmen auf das Folgende. Und das scheint den Universitäten landauf, landab zu gelingen. Da fragt man zum Beispiel an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn "Warum haben nicht alle die gleiche Religion?"

(31. Januar 2005) oder "Warum klingt eine Blockflöte anders als eine Geige?" (21. Februar), in Wismar erfährt man etwas über das Trinkwasser und von der langen Reise eines Wassertropfens (26. November), an der Eberhard-Karls-Universität in Hannover fragt man "Was ist Elektrizität?" (14. Dezember), in München an der Ludwig-Maximilians-Universität "Warum werden wir krank? Warum müssen wir sterben?" (27. November) oder "Blödmann! Dumme Ziege! - Warum streiten wir?" (15. Januar) und "Warum uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt?" (29. Januar). Kinder erwarten Antworten auf diese Fragen, Antworten, die sie zufriedenstellen, denn kaum ein Auditorium ist so kritisch wie Heranwachsende. Sie sollen nicht enttäuscht werden. S. Osman

Aufmerksames Auditorium: Der Nachwuchs macht begeistert mit bei den Vorlesungen der Kinder-Uni Foto: David Haas / Universität Tübingen


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