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20.11.04 / Leserbriefe

© Preußische Allgemeine Zeitung / 20. November 2004


Leserbriefe

Die Rechtschreibreform ist eine Frage der Macht
Betr.: Neue Rechtschreibung

Die sogenannte "neue Rechtschreibung" ist eine ganz und gar linke Angelegenheit, bei der sich ideologiebesessene Systemveränderer ausgetobt haben.

Es ist geradezu charakteristisch, daß die meisten ihrer Befürworter selbst weder die alten noch die neuen Regeln der Rechtschreibung richtig beherrschen; aber darum geht es primär auch gar nicht. Vielmehr steht für sie die späte Abrechnung mit dem "Klassenfeind", einem ungeliebten Pauker aus der eigenen Schulzeit im Vordergrund, an dem nun insgeheim "Rache" für die vermeintlichen früheren Schmähungen und Demütigungen in Form jetzt bewußt und willkürlich geänderter Regeln geübt wird.

Damit geht es für die Befürworter gar nicht in erster Linie um Inhalte, und sie weichen daher - wie bei Ideologen üblich - Sachdiskussionen um diese Thematik konsequent aus. Hauptsache für sie ist, es wird "anders" geschrieben, erkennbar am Geßler-, Verzeihung: Gesslerhut ss statt ß, an dessen Nichtbeachtung man zugleich den "Abtrünnigen", den Konterrevolutionär, den Gestrigen, den Klassenfeind wiedererkennt. Genau dahinter steckt der Kern des ideologischen Machtanspruchs und damit das eigentliche Stückchen "Revolution".

Also nicht nur eine Schreibmode, zum Zweck der Erkennung Gleichgesinnter und zur Abgrenzung gegenüber "anderen"? Nein, ein geradezu totalitärer kultureller Machtanspruch mit dem Ziel der geistigen Versklavung Andersdenkender. Eingriffe in die Sprache waren bei Diktatoren schon immer beliebt!

Deshalb wird diese "Reform" auch so verbissen von ihren Befürwortern verteidigt, denn es geht für sie um ihren Machtanspruch, ihr Ego und ihre revolutionäre Identität, die das "Gestrige" ablehnt und auszugrenzen trachtet. Damit erübrigt sich zugleich jede Diskussion um Inhalte.

Angesichts solch zentralen Eingriffs in die allgegenwärtigen Schriftsprachregeln kann sich zugleich jeder Möchtegern-Revoluzzer eines gewaltigen Achtungserfolges sicher sein. Was will er mehr, um das System nach seinem Gusto zu verändern? Sokrates sagte: "Verändere nur einen Ton der Tonleiter, und dies ist bereits eine Revolution ..."!

Hans-Eckehard Bohl, Kempten

 

Nichtwähler sind Systemkritiker
Betr.: "Der Sieg der Verlierer" (Folge 39)

Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, daß die 45 Prozent der Nichtwähler völlig tabuisiert werden. Das ist von 100 Prozent die Mehrheit, wenn 55 Prozent reell unter den Parteien aufgeteilt werden. Ein Politikwissenschaftler hat deutlich zum Ausdruck gebracht, warum das so ist, hier sein Kommentar: "Die Nichtwähler fallen viel mehr ins Gewicht, sie sind weder Politik- noch Politikerverdrossene, sondern schlicht und einfach Systemkritiker." Dem stimme ich voll und ganz zu. Abgehoben, schon fast fanatisch, zählen nur noch Meinungen und Ziele der Etablierten, daher wird auch unter Ausschluß der Öffentlichkeit, über unsere Köpfe hinweg Politik gemacht. Keine öffentliche Debatten mehr über das eine oder andere Anstehende; es gibt sogar Ressorts, die ohne weiteres stillgelegt werden könnten, zum Beispiel Verbraucherschutz. Ich weiß gar nicht, wer oder was geschützt werden soll, zumal Brüssel bereits das Sagen hat.

Margot Mahner, Bremen

 

Kinder haben ein Recht auf Förderung
Betr.: "Sozialistische Mottenkiste" (Folge 39)

Wenn man nicht weiter weiß, hilft vielleicht ein Blick in die sozialistische Mottenkiste. Aber der hilft unseren Schülerinnen und Schülern nicht. Und das müßten eigentlich alle Lehrer wissen und erfahren haben.

Alle Begabungen und Persönlichkeiten in eine Klasse zu sperren ist in meinen Augen ein Verbrechen, schädlich den Schülern wie den Lehrern. Jedes Kind hat das Recht auf eine optimale Förderung seiner Möglichkeiten. Das ist in einer Einheitsschule völlig ausgeschlossen, kann man doch nicht jedem Schüler einen Privatlehrer zur Seite stellen.

Ganztagsschulen sind leider nötig, weil arbeitende Eltern ihre Kinder unterbringen müssen. Nur segensreich sind sie nicht. Aber sie sind natürlich besser als alleingelassene Kinder.

Wenn man endlich mehr Geld in unsere Schulen investieren will, dann sollte man dafür sorgen, daß die ausländischen Kinder, die man in unser Land aufgenommen hat, auch die notwendige Bildung erfahren, damit sie gleiche Chancen wie deutsche haben und nicht Teil einer kriminellen, arbeitsscheuen und perspektivlosen Unterschicht werden.

Valentin Steinberger, Magdeburg

 

So sieht also ein Spießer aus!
Betr.: "Ein Preis gegen Österreich" (Folge 42)

Mancher, der sich ein Buch von Frau Jelinek angeschafft hat, der hat es nur in den Bücherschrank gestellt, um seinen Besuchern zu beweisen, daß er zum Bildungsbürgertum und der Gemeinschaft der Gutmenschen gehört. Ich saß gerade im Auto und hörte Radio, als mich das große Ereignis erreichte, daß die immerhin deutschsprachige Autorin mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden ist. Dort wurde berichtet, sie habe sich politisch positioniert. Weiter war davon die Rede, daß sie (mutig, mutig) der Gesellschaft den Spiegel vorhalten würde. Am Widerstand gegen Hitler war sie durch die späte Geburt gehindert. Als Ersatz dafür diente ihr nun Jörg Haider.

Schließlich wurde darüber diskutiert, ob die von Frau Jelinek verfaßte Literatur vielleicht als pornographisch angesehen werden könne. Natürlich nicht, gab die Moderatorin zur Antwort, das sei nämlich Anti-Pornographie. Wem das nicht paßt, der sei ein Spießer. Angewidert drehte meine Hand das Radio aus. Ich sah in den Spiegel: So also sieht ein Spießer aus!

Klaus Gröbig, Berlin

 

Politisches Alltagsgeschäft aus den Augen verloren
Betr.: "Jämmerlich eingeknickt" (Folge 43)

Wer hätte das erwartet. Die CDU/CSU fühlten sich vor wenigen Wochen so sicher, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen und den Bundeskanzler oder die Kanzlerin zu stellen. Selbst eine vorgezogene Machtübernahme wurde nicht mehr ausgeschlossen. Das grandiose Wahl-ergebnis in Niedersachsen und das erfolgreiche Abschneiden in Hamburg ließen die Granden der Partei in Euphorie verfallen und das politische Alltagsgeschäft aus den Augen verlieren. Doch schon die Wahlen in Brandenburg und Sachsen waren Anzeichen dafür, daß die CDU/CSU ihren Kulminationspunkt überschritten haben und sich ein kaum zu verhehlender Vertrauensverlust abzeichnet. Die große Zahl der Nichtwähler spricht eine eindeutige Sprache.

Alles in allem kommt man zu dem Ergebnis, daß Frau Merkel an Vertrauen verloren hat. Darüber täuschen auch die auffallenden Treueschwüre ihrer einflußreichen Parteisoldaten nicht hinweg. Vor allem die große Gruppe der Nichtwähler fühlt sich allein gelassen. Frau Merkel wird sich schon gewaltig zusammenreißen müssen, um aus dem augenblicklichen Tief herauszukommen. Vielleicht wäre eine mehr patriotische Einstellung hilfreich, mit der sie sich von der derzeitigen Koalition unterscheiden würde. Doch das ist wohl wider den Zeitgeist.

Walter Grubert, Hannover

 

Nachts Brandwache gehalten
Betr.: "Als der rote Terror Deutschland erreichte" (Folge 42)

In diesem wohl informativen Artikel gibt Pater L. Groppe an, daß es im Gegensatz zu West- und Mitteldeutschland in Ostpreußen "... bis zu den verheerenden Terrorangriffen auf Königsberg im August (1944) keine Bombenangriffe" gab.

Russische Bombenangriffe setzten aber bald nach Beginn des Rußlandfeldzuges am 22. Juni 1941 in Königsberg ein. Nach diesen Angriffen in der Nacht brauchte die Schülerschaft erst zwei Unterrichtsstunden später in die Schule zu kommen. Bei dem ersten Bombenhagel kam eine Lehrerin der Königin-Luise-Schule ums Leben, und bei einem Luftangriff im Frühsommer 1944 brannte die Aula dieser Schule aus. Die Ausbreitung der Flammen hätte verhindert werden können, wenn Menschen sofort nachts das Feuer eingedämmt hätten. So bat der Schuldirektor, Dr. Roß, vor den Sommerferien die Schülerinnen, nachts in der Schule Brandwache zu halten. Auch ich habe mit Klassenkameradinnen nachts in der Schule Brandwache ausgeübt. Bei dem großen Terrorangriff vom 29./30. August 1944 wurde dann die gesamte Inneneinrichtung der Schule völlig vernichtet.

Brunhild Roschanski, Münster

 

Mein Freund aus Oberschlesien
Betr.: Ein Brief aus Oberschlesien

Mein Freund aus Oberschlesien und ich lernten uns vor gut drei Jahren dort kennen. Seit zwei Jahren erhält er von mir unsere Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt. Immer wieder lobt er die PAZ. Mit seinen Zloty's kann er sie sich nicht leisten. Einen solchen echten Preußen gibt es nur noch selten. Ich bin Heimatvertriebener; er durfte in seiner Heimat bleiben, aber ... 1945 hatte er Glück, noch nicht 16 zu sein. Alle 16- bis 60jährigen kamen nach Sibirien, nur jeder Fünfte kam lebend wieder nach Oberschlesien. Zirka 30 Jahre durfte er kein Deutsch sprechen. In seinen ersten Briefen entschuldigte er sich immer wegen seines schlechten Deutsch.

Siegfried Hesselbarth, Geestenseth-Schiffdorf


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