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27.11.04 / Wider den Pessimismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. November 2004


Gedanken zur Zeit:
Wider den Pessimismus
von Gottfried Loeck

Seit Monaten vergeht kaum ein Tag, an dem Zeitungen oder das Fernsehen nicht darüber berichten, wie unbefriedigend die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land sei. Gebetsmühlenartig vorgetragene Beschönigungen und Beschwichtigungen der Berliner Laienspielschar, daß die Konjunktur jetzt spürbar anziehen werde, entspringen dem Wunschdenken von Menschen, die den Bezug zur Realität anscheinend verloren haben. An die noch vor der letzten Bundestagswahl vollmundig versprochene spürbare Reduzierung der Arbeitslosenzahlen erinnert man sich nur ungern. Düstere Kommentare und bedenkliche Zukunftsbetrachtungen sind in ernstzunehmenden Gazetten an der Tagesordnung. Pessimismus scheint sich hierzulande breitzumachen.

Zweifellos lassen Konjunkturverlauf, Arbeitslosenzahlen, Haushaltslöcher, Staatsverschuldung und vieles mehr viel zu wünschen übrig. Auch unter anderen Bundeskanzlern gab es Einbrüche und wirtschaftliche Schwierigkeiten. Doch rückblickend empfand man die Probleme als kleiner und eher lösbar. Es überwog das Vertrauen in den Lösungswillen der politisch Verantwortlichen und ihre Fähigkeiten. Allein mit schönen Worten, Dauerlächeln und weltweit gestreuten Geschenkmillionen sind die Probleme dieses Landes nun wirklich nicht zu bewältigen. Hohe Steuer-, Personal- und Soziallasten, Bürokratie vom Feinsten in Verbindung mit einem weitgehend gesättigten Bedarf bilden eine unheilige Allianz, die jeder Bundesregierung Angst machen muß. Bei real wenigstens fünf Millionen Arbeitslosen ein Einwanderungsgesetz durchzupauken, das weitgehend Ungelernten über Jahre eine bequeme soziale Hängematte beschert, spricht nicht gerade für den festen Willen, Arbeitslosigkeit merklich abzubauen.

Natürlich können Zweifel und Skepsis - ebenso wie Zuversicht - auch übertrieben werden. Daß Menschen immer wieder zu Übertreibungen, zu extremen Stimmungsausschlägen neigen, ist nichts Ungewöhnliches. Nicht nur der einzelne, auch große Gruppen können so gleichgerichtet reagieren. Durch eigene Hoffnungslosigkeit, überhöhte Forderungen, Realitätsferne, wiederkehrende politische Beschönigungen und nicht eingehaltene Zusagen beziehungsweise Vertröstungen kann es zu kumulativen Prozessen kommen, die sich zum Massenrausch steigern können. Solche massenpsychologischen Erscheinungen, die durch einseitige Beeinflussung noch gesteigert werden, sind gerade im Wirtschaftsleben immer wieder zu beobachten.

In der Tat, wenn die Schornsteine rauchen, die Wirtschaft erkennbar sich erholt, dürfte die Stimmung wieder optimistischer werden. Mutmachende Wirtschaftsdaten werden zuversichtlich interpretiert, ungünstige Prognosen überlesen oder bagatellisiert. Umgekehrt verläuft jedoch die psychologische Kurve in Zeiten, in denen, wie jetzt, die wirtschaftliche Entwicklung unbefriedigend erscheint. Die Stimmung ist allgemein gedrückt, der Erwartungshorizont durch Sorgen und Ängstlichkeit geprägt, möglichst wenig wird riskiert. Vorsichtige Ansätze einer Belebung werden klein geredet. In dieser Gefahr fehlerhafter Einflüsterungen und Beteuerungen befinden wir uns heute. Natürlich soll falscher Schönfärberei, großspurigen Versprechungen hier nicht das Wort geredet werden. Was mies ist, soll nicht verklärt werden. Ursachen der Misere und unerfreuliche Befunde müssen ungeschminkt dargelegt werden. Das radikale Aufbrechen eines Geschwürs verspricht bessere Heilungschancen als das Besprechen der Ränder. Ebenso offen sollte selbst bei kleinen Erfolgen zugegeben werden, wo und warum sich Besserungen ergeben haben. Wer meint, 2004 gehöre es sich, ebenfalls Trübsal zu blasen, widerspricht jedem Ansatz von Optimismus.

Die politisch Verantwortlichen sollten endlich aufhören, mit immer neuen wirtschafts- und sozialpolitischen Plänen, Forderungen und Änderungswünschen auf sich aufmerksam zu machen, von denen viele den Adressaten überfordern, nicht genügend durchdacht sind und sich rasch als Windei erweisen. So werden nur neue Unsicherheiten ins Wirtschaftsleben getragen, die allgemeine Stimmung verschlechtert und an sich vorsichtig entwickelnden Initiativen gesägt. Weniger Gerede und weniger Pessimismus, dafür mehr Ehrlichkeit, Verantwortungs- und Anstrengungsbereitschaft wären besser, um "die Kuh schrittweise vom Eis zu bekommen".


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