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27.11.04 / Ein Schweizer ließ ihn Soldat werden / Vor 20 Jahren starb der Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. November 2004


Ein Schweizer ließ ihn Soldat werden
Vor 20 Jahren starb der Oberbefehlshaber der alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa von 1957 bis 1963, Hans Speidel

Als Sohn eines promovierten Oberforstrats und außerordentlichen Professors erblickte Hans Speidel am 28. Oktober 1897 im württembergischen Metzingen das Licht der Welt. Von seinem Onkel, dem schweizerische General Hans Herzog, hat er nicht nur den Vornamen, sondern dieser weckte auch in ihm den Wunsch, beim Militär Karriere zu machen.

Nachdem Speidel am 30. November 1914 Notabitur gemacht hatte, trat er als Fahnenjunker in das 5. württembergische Grenadierregiment "König Karl" ein, in dem bereits sein Bruder Wilhelm diente. Dieses Regiment wurde ausschließlich an der Westfront eingesetzt. Für seine Verdienste an der Front wurde Speidel mit beiden Eisernen Kreuzen und der württembergischen Militärmedaille ausgezeichnet.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Offizier in das 100.000-Mann-Heer der Weimarer Republik übernommen. Neben dem Dienst studierte er Volkswirtschaft und Geschichte an den Universitäten Berlin und Tübingen sowie an der TH Stuttgart. Diese akademische Ausbildung schloß er 1925 mit der Promotion zum Dr. phil. ab. Von 1930 bis 1933 durchlief er eine Generalstabsausbildung. Während dieser Zeit wurde er mit der Betreuung des sowjetischen Marschalls Michail Nikolajewitsch Tuchatschewski beim Reichswehrherbstmanöver des Jahres 1932 betraut.

Da Speidel fließend Französisch sprach, wurde er nach seiner Ausbildung an die deutsche Botschaft in Paris versetzt, wo er bis 1935 Dienst tat. Im Folgejahr erhielt er ein Truppenkommando als Bataillonskommandeur und wechselte Ende des Jahres als Leiter der Abteilung "Fremde Heere West" zum Generalstab des Heeres in Berlin. Im darauffolgenden Jahr kam er erstmalig mit dem damaligen Generalstabschef Ludwig Beck in Kontakt, als er diesen vom 16. bis 20. Juni bei dessen Parisbesuch begleitete. Am 10. Oktober 1937 wurde Speidel zum Chef des Generalstabes der 33. Infanteriedivision in Mannheim ernannt, die nach dem Kriegsausbruch am Westwall eingesetzt wurde. Am 6. Oktober 1939 wechselte er dann in den Generalstab des IX. Korps. Er nahm am Frankreichfeldzug von 1940 teil und wurde im Juni zum Chef des Stabes des Militärbefehlshabers in Paris und am 1. August zum Stabschef des Militärbefehlshabers in Frankreich ernannt. Am 1. Februar 1941 erfolgte die Beförderung zum Oberst. Im März 1942 vertraute man ihm die Generalstabsleitung des an der Ostfront aufmarschierenden V. Armeekorps an. Vor seine Abreise an die Ostfront traf er erneut mit Ludwig Beck zusammen. Mit Beginn der deutschen Sommeroffensive wurde Speidel zur Unterstützung der italienischen Verbündeten abgeordnet. Im Range eines Generalmajors fungierte er als Chef des Stabes der an der Ostfront eingesetzten 8. italienischen Armee. Anschließend fand er Verwendung bei der Armeeabteilung Kempf und der 8. deutschen Armee. Bei der Heeresgruppe Süd wurde er Stabschef.

Am 14. April 1944 wurde er von Generalfeldmarschall Erwin Rommel angefordert, um den Stab der im Westen neu formierten Heeresgruppe B zu führen. Speidel versuchte Rommel für die Attentatspläne auf Hitler zu gewinnen. Nach dessen schwerer Verwundung versuchte er vergeblich dessen Nachfolger Generalfeldmarschall Hans Günther v. Kluge während der kritischen Stunden des 20. Juli zum Anschluß an die Widerstandsgruppe zu bewegen.

Einen Tag nach dem erzwungenen Selbstmord Rommels wurde Speidel verhaftet, weil er einer seiner engsten Mitarbeiter war. Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes Ernst Kaltenbrunner und Gestapochef Heinrich Müller verhörten ihn in Berlin. Der Vorwurf lautete Mitwisserschaft. Speidel hatte aber Fürsprecher. So verwandte sich der General der Waffen-SS Sepp Dietrich für ihn. Generaloberst Heinz Guderian verhinderte beim sogenannten Ehrenhof der Wehrmacht seine Ausstoßung aus dieser. Damit kam sein Fall nicht vor den Volksgerichtshof, denn als Wehrmachtsangehöriger blieb die Militärjustiz für ihn zuständig. Das Kriegsende erlebte Speidel in der an den Bodensee verlagerten Wehrmachtshaftanstalt Küstrin, wo er von den Franzosen befreit wurde.

Nach seiner Entlassung aus alliiertem Gewahrsam gab es keine deutschen Streitkräfte mehr und er mußte sich zivilen Aufgaben zuwenden, wobei ihm sein Studium half. Er widmete sich wieder historischen und philosophischen Studien. Im Jahre der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde er als Lehrbeauftragter an die Universität Tübingen berufen. Er veröffentlichte die militärwissenschaftliche Studie "Invasion 1944. Ein Beitrag zu Rommels und des Reiches Schicksal", das lange das Bild des "Wüstenfuchses" in Wissenschaft und Öffentlichkeit geprägt hat.

Als die deutsche Remilitarisierung vorbereitet wurde, stellte sich Speidel 1950 dem Bundeskanzler Konrad Adenauer als militärischer Berater zur Verfügung. Im darauffolgenden Jahr wurde er mit Adolf Heusinger als Sachverständiger in das Amt Blank, den Vorläufer des Bundesverteidigungsministeriums, berufen. Im selben Jahr übernahm er die Leitung der bundesdeutschen Delegation bei der Konferenz zur Bildung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Nach deren Scheitern vertrat er seinen Staat bei den Nato-Beitrittsverhandlungen.

Wenige Monate nach dem westdeutschen Nato-Beitritt und der Gründung der Bundeswehr wurde Speidel reaktiviert. Am 12. November erhielt er zusammen mit Heusinger die Bestallungsurkunde als Generalleutnant. Zehn Tage später wurde er zum Chef der Abteilung Gesamtstreitkräfte im Bundesverteidigungsministerium ernannt. Neben dieser militärischen Tätigkeit fand er noch die Zeit, den kommentierten Nachlaß seines zwischenzeitlich zum engen Freund und Weggefährten gewordenen Widerständlers Ludwig Beck herauszugeben.

Ab 1957 übte Speidel als General in Fontainebleau die Funktion eines Oberbefehlshabers der alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa aus. Da sein Eintreten für die Vorwärtsstrategie der Nato auf den massiven Widerstand Charles de Gaulles traf, wurde er auf dessen Druck hin im September 1963 von seinen Nato-Aufgaben entbunden. Daraufhin zog er sich 1964 in das Privatleben zurück.

Dem Ruheständler wurden diverse Ehrungen zuteil. Er wurde noch im Jahr der Beendigung seiner militärischen Laufbahn zum Präsidenten der Stiftung Wissenschaft und Politik ernannt. 1971 wurde er Professor h.c., sprich ehrenhalber, im Jahr darauf Ehrenbürger seiner Geburts- und Heimatstadt Metzingen. 1977 veröffentlichte er seine Memoiren unter dem Titel "Aus unserer Zeit". Hans Speidel starb am 28. November 1984 in Bad Honnef. Seine letzte Ruhestätte hat er auf dem Stuttgarter Pragfriedhof gefunden.H. L. / E. B.

Hans Speidel: In der Generalsuniform der letzten deutschen Streitmacht der er diente, der Bundeswehr. Foto: Deutsches Historisches Museum


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