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27.11.04 / Kinderträume werden wahr / Spielzeugmuseen laden ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 27. November 2004


Kinderträume werden wahr
Spielzeugmuseen laden ein
von Silke Osman

Ach, ist denn schon wieder Weihnachten? Dieser Spruch aus der Werbung wird so manchem in den Sinn kommen, blickt er auf den Kalender. Tatsächlich: in vier Wochen ist es soweit. Die großen Kaufhäuser allerdings haben schon längst zum alljährlichen Ansturm gerüstet. Vor allem die Kinder sollen wieder - dem "Teuro" zum Trotz - reich beschenkt werden. Kein Wunder also, wenn Eltern und Großeltern, Onkel und Tanten sich daran machen, für Tom und Jannick, für Lisa Sophia und Leni ein passendes Geschenk zu finden. Manch einer wird allerdings nachgerade in Panik verfallen ob der Qual der Wahl. Allzu viele Schönheiten (und Scheußlichkeiten, die jedoch ein Kinderherz ganz besonders begeistern können) finden sich im Angebot - vom Computer in Taschenform über ein Handy bis hin zu Monstern aus irgendwelchen Comic-Serien.

Wenn auch Pädagogen herausgefunden haben, die Kreativität der Kinder lasse sich selbst durch das unsinnigste Spielzeug nicht kaputtmachen, sie würden sich ein solches danach auswählen, daß es in ihre Um- und Erlebniswelt hineinpasse, selbst dann mögen doch manche Erwachsene nachdenklich werden. Wie war's denn damals, als man selbst noch Kind war? Meint man nicht, anders - ja vielleicht auch besser - gespielt zu haben? Mit wieviel Phantasie war man einst ans Werk gegangen, hatte aus einfachen Klötzen Häuser gebaut, sie mit Leben, mit Phantasiegestalten erfüllt. Ein schlichtes Stückchen Holz ersetzte den Küchenherd, bei den Jungen war's ein Schiff oder ein Fuhrwerk, je nach Beschaffenheit der Umgebung. Eine Pfütze wurde dann schnell zu einem grenzenlosen Ozean. Spiele dachte man sich aus, man kaufte sie nicht im nächstbesten Spielwarenladen. Wissenschaftler haben herausgefunden, daß man um 1900 noch 100 Kinderspiele kannte - heute sind es nur noch fünf.

Ob nun Computer- oder Videospiele, Monster oder Kinderkitsch - die Puppe wird in jedem Fall noch gefragt sein, und das nicht nur bei Mädchen. Seien es Blondinen mit endlos langen Beinen, raffinierten Frisuren und immer neuen Kleidern, seien es kuschelig knautschige Riesenbabys, die nicht nur "Mama" plärren können, sondern sogar Tränen vergießen und trinken können - Puppen haben von jeher die Kinder- und auch Erwachsenenherzen höher schlagen lassen.

Erste Exemplare aus Holz fand man als Grabbeigaben im alten Ägypten. Im Lauf der Jahrtausende wechselte das Bild der Puppen ständig. Während sie heute mehr zum Liebhaben und Kuscheln gedacht sind, haben unsere Mütter und Großmütter noch mit nahezu unbeweglichen Exemplaren gespielt, um für das Leben zu lernen. Im 17. und 18. Jahrhundert gar dienten sie als Miniatur-Mannequins. Sie wurden aus Paris bis in die entferntesten Provinzen geschickt, angetan mit dem neuesten Pariser Schick. So wußte die modebewußte Dame auch in Hintertupfing, was man trug, und ließ nach den winzigen Modellen dann ihre neuen Roben schneidern.

Großer Beliebtheit erfreuten sich die Puppenhäuser. Auch heute gibt es noch junge Frauen, die für ihre Töchter ein Puppenhaus aufstellen, allerdings nur zur Weihnachtszeit, um das Besondere eines solchen Hauses hervorzuheben. Solche Häuser werden, wenn die Tochter aus dem Puppenalter herausgewachsen ist, in der Familie weitergegeben und später vererbt. Viele Häuser sind kleine Kunstwerke, enthalten sie doch alles, was eine ordentliche Hausfrau benötigt: eine Küche, selbstverständlich ausgestattet mit Geschirr und Besteck, mit Töpfen und Pfannen, einen Salon, in dem sogar Spiele en miniature zu finden sind, ein Bad, ein Bügelzimmer vielleicht und eine Waschküche. Kleine und kleinste Puppen bevölkern diese Häuser. Sie sind nicht unbedingt zum Liebhaben, dazu sind sie zu klein und unbeweglich.

Puppen zum Liebhaben gibt es erst, seitdem es einer Breslauerin zu bunt wurde und sie mit ihren Schöpfungen die Welt eroberte. Käthe Kruse, Mutter von sieben Kindern und verheiratet mit dem Bildhauer Max Kruse, fertigte zum Weihnachtsfest 1905 für ihre Sprößlinge eigene Puppen, nachdem der gestrenge Vater und Hausherr es abgelehnt hatte, Puppen zu kaufen: "Ich finde sie scheußlich. Wie kann man mit einem harten, kalten und steifen Ding mütterliche Gefühle wecken. Macht euch selber welche!" Aus den ersten Versuchen wurden schnell zauberhafte Puppen mit niedlichen Gesichtern, die ab 1911 massenweise hergestellt wurden und dennoch nicht ihren Reiz verloren.

Spielzeug ist mittlerweile auch zu einem begehrten Sammlerobjekt geworden. Und manche Sammlungen haben in den Jahren einen Umfang erreicht, daß sie ein eigenes Museum notwendig machten.

Vor 20 Jahren wurde im niedersächsischen Soltau das Norddeutsche Spielzeugmuseum gegründet. Umgeben vom lebhaften Verkehr, der um das 1830 errichtete Domizil der Sammlung braust, wirkt das unter Denkmalschutz stehende Wohn- und Geschäftshaus wie eine Oase der Ruhe im modernen Leben. Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt, begibt man sich in die zauberhafte Spielzeugwelt, die auf 600 Quadratmetern und drei Stockwerken präsentiert wird. 30.000 bis 40.000 Besucher finden jährlich den Weg nach Soltau, um direkt in der Stadtmitte das Norddeutsche Spielzeugmuseum aufzusuchen (Öffnungszeiten Anfang November bis zur Osterzeit täglich von 14 bis 17.30 Uhr, danach täglich von 10 bis 18 Uhr; zwischen dem 4. Advent und 6. Januar täglich von 10 bis 18 Uhr, am 25. und 26. Dezember Eintritt frei, sonst Erwachsene 3 Euro, Schüler und Studenten 1,50 Euro, Kinder unter sechs Jahren frei).

In mehr als 30 Jahren haben Hannelore, Antje und Mathias Ernst ihre umfangreiche Sammlung zusammengetragen. Den Schwerpunkt bilden Spielzeuge aus der Zeit von 1750 bis 1900. Das älteste Stück allerdings ist ein um 1647 gefertigtes Verwandlungsspiel mit Marienglasscheiben. Da die Sammlung ständig erweitert wird, kann der Besucher immer aufs neue auf Entdeckungsrundgang gehen. Interessant ist, wie im Norddeutschen Spielzeugmuseum die Spielwelten ganzer Familien dargestellt werden. So sind in einem Raum die Spielzeuge der Kinder einer oberpfälzischen Adelsfamilie aus der Zeit zwischen 1700 und 1840 zu sehen - von einem Bergwerk in einer Walnuß bis zu einem Puppenkleid aus prächtiger grüner Seide. Puppen von 130 Zentimetern bis zur kleinsten beweglichen Puppe der Welt mit 13 Millimetern und auch Puppenhäuser, Spielküchen, eine "Conditorei" und eine Markthalle lassen die Herzen höher schlagen. Für Freunde des erzgebirgischen Handwerks sind sogenannte "Bauereien" (Aufbauspiele) zu finden, die sich mit fast allen Themen des täglichen Lebens beschäftigen - vom Bauernhof über den Jahrmarkt bis zum Zoo. Eine Arche Noah begeistert jung und alt gleichermaßen.

Geradezu atemberaubend aber ist die Spezialsammlung mit Papierspielzeug. Neben Ankleidepuppen, Papiertheater, Modellbögen oder Würfelspielen ist eine österreichisch-ungarische Militärparade mit 1.200 Soldaten aus der Zeit um 1870 aufgebaut. Natürlich gibt es in Soltau auch die beliebten Steifftiere zu sehen, dazu gehören vier Schauszenen der Firma, die 1910 zu Werbezwecken eingesetzt wurden. Wer nun meint, die Jungen kommen zu kurz in diesem Museum, der sieht sich im Dachgeschoß angenehm enttäuscht. Dort nämlich finden sich Dampfmaschinen, Blechkutschen und Modellautos, Dampfer und Flugapparate. Sie runden das bunte Bild der Spielzeugwelt ab.

Kinderträume werden wahr, blättert man in einem Buch, das der Karikaturist, Filmdramaturg, Drehbuchautor und Regisseur Ivan Steiger gemeinsam mit seiner Frau Eva herausgebracht hat: Kinderträume - Spielzeug aus zwei Jahrhunderten (Prestel Verlag, München, 308 Seiten mit etwa 1.000 farbigen Abb., gebunden mit Schutzumschlag, 29,95 Euro). Die begeisterten Sammler, die bereits im Alten Rathausturm in München und im Burggrafenamt auf dem Prager Hradschin Spielzeugmuseen eingerichtet haben, erzählen in fachkundigen Texten von der Herkunft und Geschichte der Puppen, Bären, Eisenbahnen und Automaten, die sie in mehr als einem Vierteljahrhundert gesammelt haben. So ist nicht zuletzt auch ein bunter Abriß abendländischer Kulturgeschichte entstanden.

Apropos, Eisenbahnen - Blecheisenbahnen aus der Zeit von 1900 bis 1950 hat ein privater Sammler zusammengetragen. Jetzt sind sie vom 27. November bis 27. Februar 2005 im Ostpreußischen Landesmuseum zu sehen. Freitags und am Wochenende finden von 14.00 bis 16.30 Uhr auch Vorführungen statt. Außerdem wartet in Lüneburg ein umfangreiches Kinderprogramm auf die kleinen Besucher.

Blech oder Plüsch: Spielzeug verzaubert nicht nur Kinderherzen. Foto: Verlag


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