Er galt - und gilt nach wie vor - als der Fachmann schlechthin in allen gesundheitspolitischen Fragen, und zugleich als das "soziale Gewissen" der Union: Horst Seehofer. Wie eng beides zusammengehört, demonstrierte der 55jährige Ingolstädter jetzt auf seine Weise.

Der CSU-Vize, der immerhin sechs Jahre lang das Gesundheitsressort unter Kanzler Kohl fachmännisch geleitet hatte, war in den letzten Monaten zum erbitterten Gegner der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel geworden, die mit Brachialgewalt ihr Modell einer Gesundheitsreform durchziehen wollte. Seehofer lehnte die sogenannte Kopfpauschale von Anfang an strikt ab, aus gutem Grund. Schließlich kann er sich auf zahlreiche Beispiele berufen, die immer wieder belegten: Gleichmacherei bringt keine Vorteile, sondern nur Nachteile. Diese These gilt für alle Bereiche des öffentlichen (und auch des privaten) Lebens. Am Ende haben dann alle nicht mehr, sondern weniger oder gar nichts. Im konkreten Falle heißt das: nicht bessere, sondern immer schlechtere medizinische Versorgung. Diese bittere Erfahrung haben, neben Großbritannien, viele der glücklicherweise inzwischen untergegangenen sozialistisch-kommunistischen Staaten machen müssen; wir in Deutschland können gern darauf verzichten.

Statt - wie in Politikerkreisen heute üblich - über die Köpfe der Bürger hinwegzudozieren, hat Seehofer seine Kritik an Merkels Reformplänen klar und verständlich formuliert: "unsolidarisch, unterfinanziert und bürokratisch". Er hat bis zuletzt tapfer gegen diese falsche Weichenstellung gekämpft - und leider diese Schlacht verloren. Aber eine solche Niederlage ist nichts Unehrenhaftes.

Mit seinem Rückzug aus der Spitze der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Horst Seehofer gezeigt, daß er nicht zu jenen Politikern gehört, die Sachpositionen nur solange öffentlich vertreten, wie das nicht mit persönlichen Nachteilen verbunden ist. Er hätte, nachdem er sich in der Sache nicht hatte durchsetzen können, den bequemen Weg wählen können: Augen zu und durch; was schert mich mein Geschwätz von gestern. Er hätte aber auch den radikalen Weg gehen können: die Brocken hinschmeißen, sich aus Partei, Fraktion, ja der ganzen Politik zurückziehen - "macht doch euren Dreck alleine".

Es ehrt Horst Seehofer, daß er sich für den Weg der Vernunft und der Glaubwürdigkeit entschieden hat. In der Sache bleibt er sich selber treu, verzichtet auf einen Posten, um nicht in einen sonst unvermeidlichen Loyalitätskonflikt zu geraten. Aber er gibt den Kampf um eine bessere Gesundheitsreform nicht auf. Und weil er weiß, daß er dafür eine politische Plattform braucht, hat er sein Amt als Stellvertretender Vorsitzender der CSU - und natürlich auch seine Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion - nicht niedergelegt.