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11.12.04 / Dem Vaterland treu gedient

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Dezember 2004


Gedanken zur Zeit:
Dem Vaterland treu gedient
von Wilfried Böhm

Vor 90 Jahren, am 14. Dezember 1914, wurde Karl Carstens in Bremen geboren. Er starb am 30. Mai 1992 in Meckenheim. In vielen Ämtern und Funktionen hat er Deutschland, seinem Vaterland, gedient und sich dabei große Verdienste erworben. Seine Gesinnung, seine Haltung und sein Pflichtbewußtsein haben ihn zu einem Vorbild gemacht, wie es unser Land heute dringend braucht.

Sein Vater fiel im Ersten Weltkrieg 1914, noch vor der Geburt des Sohnes. Vor dem Zweiten Weltkrieg schloß Karl Carstens sein Studium der Rechtswissenschaften und der Politik ab. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er bei der Flakartillerie. 1944 heiratete er seine Frau Veronica, die als Rotkreuzschwester Lazarettdienst leistete, später Medizin studierte und als hoch geschätzte Ärztin arbeitete.

Carstens war zunächst als Rechtsanwalt in Bremen tätig, dann von 1949 bis 1954 Bevollmächtigter des Landes Bremen beim Bund. Er lehrte an der Universität Köln und vertrat die Bundesrepublik Deutschland beim Europarat in Straßburg. 1955 trat er der CDU bei und war von 1960 bis 1969 nacheinander Staatssekretär im Auswärtigen Amt, beim Bundesverteidigungsminister und als Chef des Kanzleramts bei Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Seit 1972 Mitglied des Bundestages erregte er mit seiner ersten Rede in der Debatte um den Grundlagenvertrag Aufsehen und wurde nach dem Rücktritt von Rainer Barzel 1973 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. "Spaß hat es mir nicht gerade bedeutet, aber ich mußte diesen Kampf aufnehmen", sagte er später zu Sabine Christiansen, die ihn nach seinem "rhetorischen Ringkampf" mit Herbert Wehner fragte. So antwortete er dem kämpferischen Sozialdemokraten einmal: "Herr Kollege Wehner, in Ihren Zwischenrufen beschäftigen Sie sich vorwiegend mit Vorgängen aus dem menschlichen Unterleib. Schlagen Sie sich doch einmal an die Brust, vielleicht kommen dann bessere Töne." Zugleich lobte er Wehner als den "pflichtbewußtesten von allen Abgeordneten". Sich selbst sah Carstens "von Haus aus als Liberalen, was manche verwundern wird, denn viele sehen in mir die Inkarnation des Konservativen. Im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu schützen ist die Pflicht jeder staatlichen Gewalt. Dies entspricht meiner tiefsten persönlichen Überzeugung." In einer Demokratie seien aber nicht nur Rechte vorhanden, sondern auch Pflichten.

"Die oberste und wichtigste Pflicht des Staatsbürgers besteht darin, daß er die verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetze befolgt. Es gibt keine größere Sünde gegen die freiheitliche Demokratie als die Lehre vom zivilen Ungehorsam."

1976 erfolgte die Wahl von Carstens zum Bundestagspräsidenten. 1979 dann, als CDU und CSU die absolute Mehrheit in der Bundesversammlung hatten, schlugen sie Carstens für das höchste Staatsamt vor - gegen den heftigen Widerstand aus den Reihen der SPD. Ihm wurde eine "Nazi-Vergangenheit" vorgeworfen. Willy Brandt nannte ihn einen "Rechten, unfähig zur Integration" und SPD-Kanzler Helmut Schmidt fabuliert vom "rechten Flügelmann des demokratischen Spektrums", ganz im Stil der altbekannten und immer wieder neu aufgelegten Masche der sozialistisch-kommunistischen Agitationsmaschinerie. Die Frankfurter Allgemeine stellte damals eine "in ihrer Schäbigkeit auf Illustriertenniveau" abgleitende Kampagne fest: "Suchtrupps, so heißt es, seien auf seine (Carstens) Vergangenheit angesetzt. Die Hatz auf einen Mann, der sich um diesen Staat verdient gemacht hat, ist widerlich." Obwohl sein gegemeinsam von SPD und FDP gewählter Amtsvorgänger Walter Scheel Mitglied der NSDAP gewesen war, wurde der Umstand, daß dem von Carstens gestellten Aufnahmeantrag in diese Partei 1940 stattgegeben worden war, gegen ihn ins Feld geführt. Carstens konnte darauf verweisen, daß er sich nach Streichung seines Stipendiums und auf Veranlassung des Landgerichtspräsidenten sowie dessen Androhung beruflicher Nachteile zu dieser Mitgliedschaft veranlaßt gesehen hatte, der er dann wegen seiner Einberufung zur Wehrmacht ohnehin nicht aktiv nachgehen konnte.

Als die Amtszeit Carstens als Bundespräsident vorüber war, klang es "von links" anders. Der Sozialdemokrat Johannes Rau sagte in einem Interview: "Ich habe ihn nicht mitgewählt. Aber mir liegt daran zu sagen, daß ich von seiner Amtsführung beeindruckt war, von seiner Fairneß. Ich denke, daß es gut ist, wenn auch einmal ein Sozialdemokrat ausspricht, daß Karl Carstens sein Amt auf eine Weise wahrgenommen hat, die mich hätte wünschen lassen, er hätte sich ein zweites Mal zur Verfügung gestellt."

In seiner Amtszeit gewann Carstens rasch Popularität.

"Graue Hose, grauer Parka, graue Haare. Um ihn herum eine ganze Schar wanderlustige Gefolgsleute. So haben viele Deutsche den fünften Präsidenten der Bundesrepublik in Erinnerung", schrieb ein Journalist. 2.000 Menschen begleiteten Carstens auf seiner Wanderung in einem Waldgebiet zwischen Hattingen und Essen. Seit Beginn seiner Amtszeit durchquerte er die Bundesrepublik von den Alpen bis zur Ostsee. Engagiert suchte Carstens den Kontakt zur Jugend und lud zu großen Treffen in der Villa Hammerschmidt in Bonn ein. Dabei überzeugte er kritische Jugendliche, daß das Deutschlandlied "kein Nazilied sei", sondern Hoffmann von Fallersleben, der es gedichtet hat, "als freiheitlich gesonnener Deutscher ins Gefängnis geworfen wurde".

Nationalbewußtsein war für Carstens nötig. Er sagte, der Deutsche solle sich ebenso wie der Franzose, der Italiener oder der Däne mit seinem Land und seinem Volk identifizieren und mit ihnen gemeinsam ein freiheitliches Europa aufbauen.

So war denn auch der 9. November 1989 für ihn "eines der bewegendsten Ereignisse der deutschen Geschichte und vielleicht der Weltgeschichte überhaupt", da es hier Menschen gelungen ist, in einer friedlichen Revolution eine Diktatur, die sie jahrelang unterdrückt hat, abzuschütteln. Die großartigen Feiern der Wiedervereinigung vom 2. bis zum 4. Oktober 1990 waren für Carstens "unvergeßliche Erlebnisse". Er selbst war zu diesem Zeitpunkt schon seit sechs Jahren nicht mehr Bundespräsident. Als großer deutscher Staatsmann sollte er uns unvergeßlich bleiben.

Staatsbesuch: Bundespräsident Karl Carstens Foto: Nato


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