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11.12.04 / Der letzte Versuch einer Kriegswende / Vor 60 Jahren begannen die Deutschen das Unternehmen "Wacht am Rhein", die Ardennenoffensive

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Dezember 2004


Der letzte Versuch einer Kriegswende
Vor 60 Jahren begannen die Deutschen das Unternehmen "Wacht am Rhein", die Ardennenoffensive
von Heinz Magenheimer

In einer verzweifelten Lage kann nur ein verzweifelter Entschluß vielleicht noch helfen." Mit diesen Worten charakterisierte Generaloberst Jodl, der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, im nachhinein die am 16. Dezember 1944 vom deutschen Westheer begonnene große Ardennenoffensive, Deckname "Wacht am Rhein", und damit hatte er im wesentlichen Recht. Die Wehrmacht war überall auf dem Rückzug. Infolge der Forderung nach "bedingungsloser Kapitulation" klammerten sich Hitler und einige seiner Mitarbeiter an die Hoffnung einer wuchtigen Gegenoffensive im Westen, die den Briten und US-Amerikanern schwerste Verluste zufügen und zu einer drastischen Frontbegradigung führen sollte. Bestünde nicht die Chance, auf diese Weise die feindliche Koalition zu sprengen, da vor allem England kriegsmüde schien? Lag nicht London seit Mitte Juni unter dem Beschuß der V-1-Waffen und seit September unter dem der V-2-Raketen? Die Westalliierten hatten die Widerstandskraft der Deutschen bei Arnheim, Aachen und im Hürtgenwald massiv zu spüren bekommen. Würde Stalin nach einer verheerenden Niederlage seiner Verbündeten den Krieg fortsetzen und so die Kastanien aus dem Feuer holen?

Es bestand also eine wenn auch geringe Chance. So wurde strategisch alles auf eine Karte gesetzt und die letzten operativen Reserven wurden gegen den Ardennen-Abschnitt gerichtet, gerade dort, wo die Front der 1. US-Armee nur schwach besetzt war und wo der Gegner einen Angriff, noch dazu bei schwierigen Verhältnissen, kaum erwartete. Der Angriff sollte in einer Schlechtwetterperiode stattfinden, um die gegnerischen Luftstreitkräfte möglichst auszuschalten. Die Vorbereitungen begannen schon Anfang September, und am 16. September gab Hitler im Rahmen einer Sonderbesprechung seinen Entschluß bekannt, durch die Ardennen über die Maas in Richtung Antwerpen anzugreifen. Obwohl Generaloberst Guderian, der die Operationen an der Ostfront leitete, heftig gegen diesen Entschluß protestierte, bestand Hitler auf seinem Plan und forderte die Bereitstellung von 30 Divisionen und von 1.500 Jagdflugzeugen. Bereits in der Konfrontation mit Guderian kam die schwerwiegende Wechselwirkung zwischen der Ostfront und dem Kräftebedarf im Westen zum Ausdruck, was Anfang 1945 dramatische Folgen haben sollte. In der Folge wurden die 5. und 6. (SS-)Panzerarmee gebildet und gemeinsam mit der 7. Armee auf den Angriff vorbereitet. Es gelang nur mit Mühe, die benötigten Großverbände bereitzustellen. Kräfteabgaben an andere Abschnitte und akuter Treibstoffmangel verzögerten den Aufmarsch, der schließlich auf den 16. Dezember angesetzt wurde.

Namhafte Befehlshaber, wie die Generalfeldmarschälle Model und Rundstedt, anerkannten zwar den Zweck der Offensive, erhoben aber Einwände gegen das Ausmaß der Operation. Auf Grund der beträchtlichen Verluste des Westheeres, das vom 6. Juni bis Ende September 363.000 Mann eingebüßt hatte, sollte nur ein Angriff gegen ein nahe gelegenes Ziel geführt werden. Es bot sich eine doppelseitige Umfassung der US-amerikanischen Kräfte im Großraum Aachen an, der viel eher Erfolg versprach als der tiefe Durchbruch aus der Eifel auf Antwerpen und auch in der Versorgung weniger Sorgen bereitete. Model, der die Heeresgruppe B im Angriffsraum führte, legte am 29. Oktober einen entsprechenden Entwurf, die sogenannte "kleine Lösung", vor. Doch Hitler und Jodl verwarfen diesen Plan mit dem Argument, daß man damit die gegnerische Front nicht zum Einsturz bringe und keine Entscheidung herbeiführe.

Es blieb also bei der "großen Lösung". Die drei Angriffsarmeen umfaßten 20 Großverbände, darunter sieben kampfkräftige Panzerdivisionen, während zehn Divisionen und zwei motorisierte Brigaden die Reserve bildeten. Allein rund 1.350 Kampfpanzer und Sturmgeschütze wurden eingesetzt, während die Luftwaffe an die 1.800 Frontflugzeuge und starke Flak-Verbände bereitstellte. Es handelte sich um eine ansehnliche Streitmacht, die unter anderen Verhältnissen, bei ausgeglichener Luftlage und intakter Versorgung große Erfolgschancen gehabt hätte. Im Endeffekt wären bei einer schnellen Gewinnung von Antwerpen vier Armeen vernichtet worden.

Die gesamte Operation stand unter enormem Zeitdruck: Die mehrmalige Verschiebung des Termins setzte einen raschen, durchschlagenden Erfolg voraus. Es war nämlich beabsichtigt, die frei werdenden Verbände an die Ostfront zu verlegen, um die kommende sowjetische Winteroffensive abzuwehren. Es durften keine Verzögerungen auftreten. Was nützte schon ein schwer erkämpfter Sieg im Westen, wenn inzwischen die Ostfront zusammenbrach? Eine Bindung starker deutscher Reserven im Westen würde gerade dem entgegenwirken, was die Propaganda verkündete, daß nur Deutschland Europa vor dem Bolschewismus schützen könne. Zwei Ansprachen Hitlers am 11. und 12. Dezember vor ranghohen Offizieren der Heeresgruppe B hoben die von ihm mit der Offensive angestrebten Ziele hervor: Lähmung des Westgegners, Spaltung der Feindkoalition, Hebung der Wehrmoral.

Der Angriff erzielte die erwarteten Anfangserfolge und erzeugte große Verwirrung in den gegnerischen Führungsstäben. Trotz schlechten Wetters kämpften sich die Verbände der 5. Panzerarmee energisch voran, so daß ihre Spitze am 23. Dezember nur fünf Kilometer vor der Maas bei Dinant stand, somit das Zwischenziel fast erreicht hatte. Allerdings hingen die übrigen Divisionen weit zurück. Der Ansatz der 6. SS-Panzerarmee im Schwergewicht erwies sich als operativ fehlerhaft; eine rasche Verlagerung von Kräften auf den linken Nachbarn hätte bessere Chancen geboten. Obendrein begünstigte das winterliche Gelände den Verteidiger, wobei die Infanterie des Angreifers die Hauptlast des Angriffs zu tragen hatte. Des weiteren trafen die zurückgehaltenen Panzerverbände nicht rechtzeitig vorne ein und die Versorgung wurde, wie befürchtet, zur Schwachstelle.

Nachdem die alliierten Führungsstäbe ihren Schock überwunden hatten, reagierten sie rasch mit Gegenstößen von Norden und Süden gegen den Angriffskeil und warfen Luftlandetruppen in den deutschen Vormarsch, um wichtige Verkehrsknotenpunkte, wie etwa Bastogne, zu sperren. Das Wetter klarte auf und die alliierten Kampfflugzeuge beherrschten den Luftraum, so daß sie den Nachschub der Deutschen extrem behinderten. Am 24. Dezember kam die Offensive endgültig zum Stillstand und tags darauf schlug der Oberbefehlshaber West den Abbruch und den Rückzug der Angriffstruppen hinter den Westwall vor. Selbst eine bescheidene Lösung im Sinne Models schien auf Grund der festgefahrenen Lage aussichtslos. Noch bestand aber die Chance, die wertvollen Panzerverbände und die noch nicht gebundenen Reserven herauszuziehen und sie an die Ostfront zu transportieren. Guderian beschwor Hitler und Jodl mehrmals, alle im Westen entbehrlichen Kräfte nach Osten zu verlegen, da die befürchtete sowjetische Generaloffensive unmittelbar bevorstünde und die Ostfront ohne Verstärkung wie ein Kartenhaus zusammenfallen werde.

Doch Hitler weigerte sich, die einmal errungene Initiative aus der Hand zu geben. In der Nacht zum 1. Januar 1945 ließ er mehrere Divisionen im nördlichen Elsaß angreifen, um namhafte alliierte Verbände, die südostwärts davon standen, abzuschneiden. Doch diese Offensive scheiterte nach wenigen Tagen. Der Großangriff der Luftwaffe am 1. Januar, bei dem mehr als 1.000 Flugzeuge gegen Flugplätze in Belgien und Südholland eingesetzt wurden, überraschte zwar den Gegner, brachte aber letztlich einen Mißerfolg.

Die Gegenangriffe der Alliierten gegen den Einbruchsraum in den Ardennen und die schlechte Versorgungslage zwangen die Deutschen schließlich ab 8. Januar zum Rückzug, um die drohende Einschließung zu vermeiden. Die 6. SS-Panzerarmee erhielt den Befehl, sich mit vier Divisionen aus der Front zu lösen, da das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) eine starke Reserve benötigte.

Noch während der Rückzug in den Ardennen lief, begann der sowjetische Großangriff an der Weichsel und in Ostpreußen (12. beziehungsweise 13. Januar), der eine höchst bedrohliche Lage schuf. Hitler ließ nun beschleunigt Divisionen aus den Ardennen abziehen, die aber viel zu spät kamen, um die zusammenbrechende Ostfront zu stützen. Die deutschen Truppen zogen sich im Westen bis Ende Januar in die Ausgangsstellung zurück. Während Guderian auf die Zuführung der herausgelösten 6. Panzerarmee in den Raum ostwärts der Oder hoffte, wurde sie auf Weisung Hitlers nach Westungarn verlegt, um die dortige dramatische Lage zu meistern.

Insgesamt gesehen hatten die Deutschen weniger Verluste als die Alliierten mit 77.000 Mann erlitten, doch wog die lange Bindung starker deutscher Kräfte im Westen viel schwerer. Die Westfront mußte schließlich zahlreiche Truppen abgeben, die aber das Schicksal an der Ostfront nicht mehr wenden konnten. Aus heutiger Sicht hätte die "kleine Lösung" wesentlich mehr Erfolgschancen gehabt. Der Mißerfolg der Ardennenoffensive beschleunigte den Zusammenbruch der Ostfront im Januar 1945: Wertvolle Reserven, die im Osten dringend benötigt wurden, unternahmen im Westen den letzten Versuch einer Kriegswende, der aber von Anfang an unter ungünstigen Vorzeichen stand.

Ein letztes Aufbäumen: SS-Grenadiere stürmen an US-Fahrzeugen vorbei vor. Foto: Archiv


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