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25.12.04 / "Wer Drogen sät, wird den Tod ernten" / Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der kolumbianischen Bischofskonferenz, Pedro Kardinal Rubiano Saenz

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004


"Wer Drogen sät, wird den Tod ernten"
Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der kolumbianischen Bischofskonferenz, Pedro Kardinal Rubiano Saenz
von J. Liminski

Kolumbien hat den Ruf eines Landes, das von Korruption, Drogenmafia und permanentem Bürgerkrieg heimgesucht ist. Die Bilanz nach 40 Jahren Gewalt ist erschreckend: Mehr als 250.000 Tote, drei Millionen Flüchtlinge im eigenen Land. Auch deswegen hat das Hilfswerk Adveniat Kolumbien zum Schwerpunkt seiner diesjährigen Aktion gemacht. Im Rahmen dieser Aktion ist der Vorsitzende der kolumbianischen Bischofskonferenz, Pedro Kardinal Rubiano Saenz, zu Besuch in Deutschland, um hier über die Probleme seines Landes zu reden und das Bild, das man sich von Kolumbien macht, etwas aufzuhellen. So will er zum Beispiel nicht von „permanentem Krieg“ sprechen. Aber er räumt ein. „Unser Leben ist überschattet von Gewalt.“

Diese Gewalt gehe von einigen Gruppen aus, von der Guerrilla, den paramilitärischen Verbänden und natürlich sei auch der Staat mit der Armee involviert. Auch die Kirche müsse mit dieser Realität der Dauergewalt leben. „Aber wir verlieren die Hoffnung nicht“, sagt der Kardinal im Gespräch mit der PAZ. „Ja, wir sehen unsere Aufgabe auch darin, den anderen diese Hoffnung auf Frieden zu vermitteln. Denn Frieden, das müssen wir alle zusammen schaffen, und die Kirche spielt da eine entscheidende Rolle. Entweder finden wir Kolumbianer alle gemeinsam zu diesem Frieden oder es wird keinen geben.“ Die Kirche befinde sich jedoch nur indirekt in der Position einer Vermittlerin. Mehr als Vermittlerin oder Verhandlungspartner sei die Kirche „die Institution, die Verhandlungen überhaupt erst ermöglicht. Wir sind unabhängig von Regierung, Armee und Guerilla, und dennoch sind wir mitten drin, weil wir die Nöte des Volkes teilen. Für uns ist klar, daß nur politische Verhandlungen zum Frieden führen können, und das heißt, es muß auch über soziale Gerechtigkeit und über Arbeit für alle Kolumbianer verhandelt werden.“ Diese Verhandlungen müßten vorbereitet werden. Hier kämen die Dienste der Kirche konkret zum Tragen. Vor einigen Jahren habe er „die Nationale Kommission der Versöhnung“ gegründet. Zu ihr gehörten Persönlichkeiten aller politischen Lager, Professoren, Schriftsteller, ehemalige Minister. „Wir kommen dreimal im Monat zusammen und erarbeiten Vorschläge für die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft. Es ist ein deutliches Zeichen dafür, daß die Zivilgesellschaft sich beteiligt, um Lösungen und Wege aus der Sackgasse des Dauerkonflikts zu finden.“

Es gebe auch schon ein Modell für die nationale Versöhnung. Es soll auf einem Symposium im Februar vorgestellt werden. Der Kardinal führt aus: „Die Grundvoraussetzung für jedes Versöhnungsmodell ist die Ehrlichkeit, der Wille zur Wahrheit. Nur so werden wir erreichen, daß Haß und Rachegefühle überwunden werden können. Gerechtigkeit heißt ja nicht, daß ein Richter ein Urteil spricht und jemand ins Gefängnis muß. Gerechtigkeit beginnt mit der Anerkennung des Rechts auf Leben und der Würde der Person. Das gilt für Opfer und Täter. Ohne die Anerkennung der menschlichen Würde gibt es keinen Aufbau einer gerechten Gesellschaftsordnung.“ Kardinal Rubiano räumt ein, daß man mit hehren Wünschen kaum die Ursachen der permanenten Gewalt beseitigen könne. Diese Ursachen seien „ganz unter- schiedlich“. Man habe sich schon öfter auf Waffenstillstandsabkommen einigen können, „aber Frieden ist mehr. Der Friede ist das Kind der Gerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit heißt, daß die Menschen auf ehrliche Weise ihren Lebensunterhalt verdienen können.“ Das sei in Kolumbien zugegebenermaßen „besonders schwierig, denn wir haben zusätzlich noch das Problem des Drogenhandels“. In Europa, Amerika und überall auf der Welt sehe man in Kolumbien nur das Land des Kokains. De facto aber handele es sich um Kartelle mit weltweiten Verbindungen, weit über Kolumbien hinaus. „Sicher, solange das Drogenproblem nicht gelöst ist, wird es keinen Frieden in Kolumbien geben.“ Aber der Drogen- handel sei kein Problem für Kolumbien allein. Deshalb richte sich sein Appell „auch an die reichen Länder, alles zu tun, um den Drogenhandel effektiv einzudämmen. Wir müssen damit fertigwerden, gemeinsam. Ich wiederhole: Man zeigt auf uns als die Bösen, als das Drogenland, aber man sollte auch auf den Drogenmarkt in den reichen Ländern zeigen.“

Das Drama in Kolumbien sei, daß viele Bauern ohne Kokainanbau nicht leben könnten. Damit die Bauern zu anderen Formen des Ackerbaus zurückfinden, müßte, so der Kardinal aus Bogota, „die Präsenz des Staates in den Hochtälern des Koca-Anbaus verstärkt werden. Da ist Koca, aber keiner geht hin. Die Drogenhändler, die gehen hin und bezahlen die Bauern und besorgen auch den Transport. Ein Bischof hat einmal gesagt, wer Drogen sät, erntet den Tod. Es ist nicht nur der Tod in Kolumbien, wir haben da ein gemeinsames Problem. Das ist eine Tatsache, und die Quelle all dieser Gewalt ist das Koka.“ Auch die weit verbreitete Korruption habe mit dem Drogenhandel zu tun. Aber insgesamt müsse das Problem der Korruption „an der Wurzel bekämpft werden“. Die heiße Transparenz. Hier hätten die Kolumbianer Fortschritte gemacht. Es gehe dabei „nicht nur um die Politik, auch die Wirtschaft, die Unternehmenskultur muß transparent sein“. Überhaupt lehnt Kardinal Rubiano Verallgemeinerungen ab. „Ich würde nicht von der Politik sprechen. Die Politik ist etwas sehr Nobles, sie sucht das Gemeinwohl, das Gute für eine Gesellschaft. Deshalb sollte man sich davor hüten, zu Verallgemeinerungen zu greifen wie ,das Parlament ist korrupt‘. Es sind immer einzelne Personen, nicht die Institutionen. Das Grundproblem ist die Transparenz und damit die Kontrollierbarkeit.“

Manchmal ist eine Person identisch mit einer Institution, etwa der Präsident der Republik. Was macht die Kirche, wenn er versagt? Kann oder muß sie ihn öffentlich anklagen? Zu einer Zeit, als viele Politiker, auch der Präsident, behaupteten, sie hätten keinerlei Korruption in ihrem Land gesehen, und als selbst der Staatspräsident meinte, wenn Geld geflossen sei, dann sei das hinter seinem

Rücken geschehen, da habe ein Journalist den Kardinal darauf angesprochen und der stand vor dem Dilemma: Soll er als Vorsitzender der Bischofskonferenz den Präsidenten beschuldigen oder reinwaschen? Wenn er ihn beschuldigte, müßte er die Vorwürfe auch beweisen. Würde er ihn in Schutz nehmen, gäbe er der Drogenmafia quasi eine politische Absolution. „Also griff ich auf ein Bild zurück und sagte: Schauen Sie, auch wenn hinter ihrem Rücken ein Elefant ins Haus kommt, sollte man das bemerken, und das Geld der Drogenmafia ist gewiß keine Kleinigkeit, kein kleines Haustier, um im Bild zu bleiben.“ Das Bild hat Karriere gemacht in der Presse und in den Karikaturen. Die Regierung hatte es fortan schwer, lebte quasi im Schatten des großen Tieres. „Aber es war nützlich, denn die folgenden Regierungen achteten stärker darauf, die öffentlichen Institutionen vom Geld der Drogenhändler freizuhalten und damit die Gewalt einzudämmen.“

Trotz der schwierigen Lage sieht der Kardinal Lösungen für die Zukunft. „Wir sind Menschen voll Hoffnung und Freude. Das mag Ihnen etwas naiv vorkommen. Aber beden- ken Sie, daß ein Volk von fast 45 Millionen Menschen darunter leidet, daß etwa 20.000 Leute Gewalt ausüben und die Drogenmafia diese Guerilla finanziert. Aber auch diese Leute sind Menschen, für die die Botschaft der Versöhnung gilt. Wir müssen alle am Ziel der Gerechtigkeit arbeiten, sonst wird es keinen Frieden geben.“

Kreislauf des Verderbens: Während es die kolumbianische Polizei bei Razzien beschlagnahmt, wird es andernorts bereits in größerem Stil angepflanzt und geerntet – Kokain. Fotos: Reuters


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