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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Eine neue Furcht vor Rußlands Stärke und Einfluß, sichtbar in der
Energiepolitik, macht sich in Polen breit. „Nach fünf Jahren Nato-Zugehörigkeit
und einem halben Jahr EU-Zugehörigkeit beginnen wir Polen uns wieder um die
Landessicherheit zu sorgen“, schreibt die renommierte Polityka (Warschau) in
einer Reportage „Der Iwan und die Erdgasrohre“. Diesmal schicke der Kreml keine
Panzer mehr, um Polen gefügig zu machen, sondern wolle das Land mit
Erdgaspipelines überziehen, so der Tenor. Es seien „käufliche“ (polnische)
Politiker, „hintertriebene“ Geschäftsleute und Agenten der „Dienste“, die die
Energieversorgung „in die Hände der Russen treiben wollen“, wie es aus dem
Bericht des polnischen Ex-Abwehrchefs Zbigniew Siemiatowski hervorgeht.
Das proamerikanische Flagschiff der polnischen Postkommunisten ruft indirekt die
Regierenden zu mehr Wachsamkeit und zu weiteren Säuberungen von russophilen
Leuten in den eigenen „Diensten“ auf. In den Schaltstellen der polnischen
Energieversorgung kenne man die dunklen Hintermänner „maximal bis zur Stufe 5“.
Polityka vermutet, daß die großen Unbekannten der „Stufe 6“ russische
Geheimdienstagenten seien. Sie schreckten bei der Wahrung russischer Interessen
selbst vor Mord nicht zurück. Der Einfluß der Russen auf die polnische
Energieversorgung, primär mit Erdöl und Erdgas, müsse unbedingt zurückgedrängt
werden, appelliert das einflußreiche Wochenmagazin. Man fürchte sich in Polen
vor den Russen, denn sie seien „ziemlich undurchsichtig“. Statistisch gesehen
ist Polen noch zu 65 Prozent von der Kohleversorgung abhängig (die zügig
abgebaut wird), zu 22 Prozent vom Erdöl und zu zwölf Prozent von Erdgas (beides
mit steigender Tendenz). Hier müsse unbedingt umgedacht werden, kritisiert das
Magazin. Zwar biete Rußland Energie zu günstigen preisen, könne den Energiehahn
aber jederzeit zudrehen und somit die Sicherheit des Landes gefährden.
Inzwischen hat Staatspräsident Alexander Kwasniewski, der vom Kreml als
„Bush-Marionette“ gehandelt wird, US-Sicherheitsspezialisten angefordert, die
den Sicherheitsdienst, die Regierung, das Parlament (Sejm) und die Wirtschaft
nach kremlfreundlichen Leuten durchforsten sollen. In diesem Zusammenhang ist
auch der Orlen-Konzern ins Gerede gekommen, der unter anderem zahlreiche
Tankstellen in Deutschland unterhält. Seinem Boß, Jan Kulczyk, der aus der
polnischen Unternehmerschaft in Berlin kommt, wird vorgehalten, den Russen den
Einstieg in das polnische Energieversorgungsgeschäft quasi durch die Hintertür
ermöglicht zu haben. Jetzt befaßt sich eine Sonderkommission des Sejm mit der
Affäre. Polnische Unternehmer aus West-Berlin sind schon früher in das Blickfeld
von CIA und BND geraten, weil man ihnen vorwarf, verdächtige Kontakte zu
sowjetischen Diensten unterhalten zu haben. Joachim Georg Görlich |