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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Ob sie es ahnen, die Besucher, die seit gut einem halben Jahr die Räume des
Kunstgewerbemuseums in Schloß Köpenick zu Tausenden aufsuchen, welch ein Leid an
diesem Ort einst geschah? Köpenick – mit diesem Namen verbindet der „moderne“
Mensch allenfalls den „Hauptmann von Köpenick“, sieht in dieser Rolle Heinz
Rühmann oder Harald Juhnke vor sich, denkt vielleicht auch an den Schuster
Wilhelm Voigt aus dem ostpreußischen Tilsit, der in Hauptmannsuniform ein
Paradestück ablieferte, über das man heute noch schmunzelt. Der Name Köpenick
aber erinnert auch an ein Urteil, das mit dem Tode des einen Delinquenten endete
und aus dem anderen schließlich einen strengen Herrscher machte.
Auf Schloß Köpenick tagte vom 25. bis 31. Oktober 1730 ein von König Friedrich
Wilhelm I. einberufenes Kriegsgericht. Angeklagt waren wegen Desertionsversuchs
kein Geringerer als der damalige Kronprinz Friedrich und sein Helfer Leutnant
Hans Hermann von Katte. Katte wurde zum Tode verurteilt, Friedrich kam mit
Festungshaft und dem Schrecken davon. Als König Friedrich II. vergab er das
Schloß, das ihn an schwere Zeiten in seiner Jugend erinnerte, als Witwensitz an
Verwandte. 1804 wurde das 1677 bis 1690 von den Architekten Rutger van
Langerfeldt und Johann Arnold Nering errichtete Schloß an den Grafen Friedrich
Wilhelm Karl von Schmettau verkauft, der erhebliche bauliche Veränderungen
vornehmen ließ. Sehr lange sollte er sich jedoch an dem Barockschloß nicht
erfreuen, denn schon 1818 ging es an den preußischen Fiskus. Dort wußte man
nicht allzu viel mit dem Gebäude anzufangen und richtete ein Gefängnis und
Militärdepot ein.
Auch in den Folgejahren fristete das Schloß eher ein Schattendasein, wurde als
Lehrerseminar, als Studentenwohnheim und nach dem Zweiten Weltkrieg als
„Volkshaus“ und als Heimstatt des Staatlichen Volkskunstensembles der DDR
genutzt.
1963 schließlich zog das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin
(Ost) in das Schloß ein. Nach der Wende übernahm die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz die Verantwortung für das Haus und ließ es zwischen 1994 und 2004
umfassend restaurieren. Diese Arbeiten waren dringend notwendig, da das Schloß
in dem kleinen Flüßchen Dahme zu versinken drohte. Die Holzpfähle, auf denen es
errichtet war, waren morsch. Jährlich sank das Gebäude um 1,5 Millimeter. Jetzt
werden die Fundamente von stählernen Pfählen, Querträgern und Balken aus Beton
getragen. Mehr als 55 Millionen Euro kostete das Unternehmen, das ausschließlich
von der Stiftung finanziert wurde. Mit der Zusammenlegung der kunstgewerblichen
Sammlungen aus Ost und West wird Schloß Köpenick nun als Dépendance des modernen
Museums am Kulturforum genutzt. Beide Häuser gemeinsam ermöglichen einen Überblick von frühmittelalterlicher Sakralkunst bis hin zu
zeitgenössischem Design. Köpenick bleibt die Raumkunst vorbehalten. In 21 Räumen
mit 1.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche kann man jetzt Hauptwerke der
Sammlung bestaunen.
„Da sind zunächst vier bemerkenswert vollständige Getäfel, historische
Wandverkleidungen, die als begehbare Zimmer aufgestellt sind: aus der
Renaissance das Haldenstein-Zimmer, um 1548, aus Schloß Haldenstein in der
Schweiz und die Höllrichstube, um 1555, aus Schloß Höllrich in Oberfranken, das
barocke Spiegelkabinett aus Schloß Wiesentheid, um 1724, und das Turiner
Chinesenzimmer, um 1765, mit Lackmalereien aus dem Palazzo Graneri in Turin, ein
Hauptwerk des Rokoko“, erzählt Angela Schönberg, Direktorin des
Kunstgewerbemuseums. Begeistern werden auch die erhaltenen Stukkaturen, die „zu
den künstlerisch anspruchsvollsten ihrer Art in Mitteleuropa zählen“, so Lothar
Lambacher in einer kleinen bei Schnell + Steiner erschienenen Broschüre über
Schloß Köpenick (24 Seiten, zahlr. farbige Abb., geheftet, 3 Euro). Lambacher
und Schönberger zeichnen auch verantwortlich für einen bei Prestel
herausgekommenen Museumsführer (112 Seiten, zahlr. Abb., brosch., 7,50 Euro). In
diesem Buch kann man die Prachtstücke der Ausstellung noch einmal in aller Ruhe
betrachten,
etwa ein um 1700 in Danzig entstandenes Kabinettschränkchen, in dem sich diverse
Spieluntensilien befinden, oder das große Silberbuffet aus dem Rittersaal des
Berliner Schlosses. Andreas Schlüter, der große Baumeister und Bildhauer aus
Danzig, entwarf 1702/04 für das Palais Wartenberg in Berlin sogenannte
Supraporte, Wandfelder, die über Türen angebracht wurden und mit dekorativen
Reliefs verziert sind; sie zählen heute zu den „bedeutendsten skulpturalen
Leistungen des norddeutschen Barock“ (Lambacher).
Besondere Prachtstücke der Ausstellung aber dürften Teile aus dem Tafelservice
Friedrichs des Großen aus dem Breslauer Stadtschloß sein. 1767/68 von der
Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur hergestellt, zeigt es erstmals das
Dekorsystem „Antikzierat“. Heute steht es im Wappensaal, in dem einst das
Kriegsgericht tagte. Die barocke Pracht wird vom Ausstellungsarchitekten Hans
Dieter Schaal gekontert, indem er das mit phantasiereicher Blumenmalerei
verzierte Porzellan auf einen kühlen, von innen beleuchteten Glasquader stellte.
Für manche Besucher mag’s ein Schock sein, für andere wieder ein gelungener
Kontrast, der für besonders Kostbares erst die Augen öffnet. Schloß Köpenick
selbst muß als Gesamtkunstwerk gesehen werden, ein ansprechendes Ambiente für
Möbel und Kunsthandwerk aus längst vergangenen Zeiten (Öffnungszeiten dienstags
bis freitags 10 bis 18 Uhr, am Wochenende 11 bis 18 Uhr). Helga Steinberg
Schloß Köpenick: „Der bedeutendste erhaltene Profanbau des vorschlüterschen
Barock in der Mark Brandenburg“ (Dehio) Foto: Archiv |