Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
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Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004
Das erste Weihnachtsfest ereignete sich vor über 2.000 Jahren vor den Toren der
Stadt. Der Platz des Christus-Kindes war ein Stall im Abseits, wo man
normalerweise keinen Menschen hinschickt. Kein Haus, keine Heizung, keine
Versorgung. Kaum war Christus geboren, ging die Verfolgung erst richtig los. Die
Machthaber der Zeit scheuten keine Anstrengungen und Mühen. Sie waren hinter den
Unschuldigen und Wehrlosen von Bethlehem her, als hinge davon das Wohlergehen
und die Sicherheit der ganzen damaligen Welt ab. Sie töteten ohne Unterschied.
Sie unterstellten Jesus Macht- und Besitzansprüche. Er wolle König und Heiland
sein! Er mußte fliehen. Aussonderung und Vertreibung blieben sein Schicksal bis
zum Lebensende. Verfolgt von den geistlichen und politischen Führern, führte ihn
sein Weg immer wieder vor die Tore und Mauern. Sein Arbeitsplatz war das freie
Land, der Berg, der See, bei den Menschen, die sich irgendwo um ihn sammelten.
In die Städte, die Synagogen, auf die Marktplätze kam er nicht.
Das ist auch unser Schicksal seit 60 Jahren. Als Tausende von uns im Winter
1944/45 aus der Heimat aufbrachen, gab es nur wenige barmherzige Seelen, die
sich der Flüchtenden annahmen. Ich denke dabei an die französischen und
belgischen Kriegsgefangenen, die beim Trecken halfen, den polnischen
Fremdarbeiter, der treu bei der Herrschaft blieb, den russischen Soldaten, der
Gewalttaten seiner Kameraden verhinderte. Viele Flüchtende wurden im Eis und
Schnee von den vorstoßenden Panzerspitzen überrollt, von Tieffliegern gejagt
oder ertranken im Eiswasser der Ostsee. Nach dem Urteil von Fachleuten waren die
Zahlen der Opfer sehr hoch. Der in diesen Wochen verbreitete Schrecken und die
Untaten sind ohne Beispiel in der Weltgeschichte.
Sechs Jahrzehnte danach gilt dieses Unrecht im Zeitalter der „politischen
Korrektheit“ als hinnehmbar, ja als gerechte Sühne. Die Vertriebenen gelten als
Störenfriede der Gesellschaft. Im kommenden „Jubiläumsjahr“ (60 Jahre Flucht und
Vertreibung) werden wir auf den Plätzen dieser Welt, in Presse, Funk und
Fernsehen über die Geschichte unserer Heimat und das Schicksal der damaligen
Bewohner nur am Rande berichten können. Die Frauen und Kinder, die das Unheil
überlebt haben, können sowieso kaum oder nur mit stockender Stimme über ihre
Erfahrungen sprechen. Die geschichtliche Wahrheit wird in den Medien weiterhin
„umgearbeitet“.
Unsere Familiengräber und Stätten der Kindheit werden wir nur mit großen
Schwierigkeiten und ohne Anspruch auf Rückkehr aufsuchen können. Wir schleichen
uns in Eile hin, irren umher und ziehen mehr oder weniger traurig von dannen.
Dabei wollen wir in der Heimat nur in Frieden der Toten gedenken und in
Ausnahmefällen die heimatliche Scholle pflegen und unseren Lebensabend zu Hause
verbringen. Auch der tote Christus wurde heimlich zur Bestattung aufgesucht. Das
Grab war bewacht und versiegelt. Keiner sollte mehr daran rühren. Auch damals
wollte man die Erinnerung an ein Unrecht verhindern, die Sache endgültig
abschließen und seine Ruhe haben.
Die Bibel sagt: „Nur die Wahrheit macht euch frei!“ Dazu gehört auch die
historische Wahrheit. Es geht um ein hohes Gut, um Frieden und Wohlergehen, das
allen Völkern widerfahren soll. Dieses Anliegen darf sich nicht in politischen
Tageserklärungen oder in oberflächlicher Heuchelei erschöpfen. Es geht um die
innere Substanz, um das Fundament, letztlich auch um ein gesichertes
Zusammenleben der Völker.
Trotz aller bitteren Erfahrungen und der dunklen Aussichten freuen wir uns über
Weihnachten. Das ist gut so. Auch vor 2.000 Jahren wurden im Stall Lob- und
Danklieder angestimmt. Mit Freude wollen wir barmherzig und der Wahrheit
verpflichtet Gott anbeten und für eine gemeinsame Aufgabe tätig sein. Wir wollen
den „Christus unserer Tage“ nicht vor den Mauern lassen. Wir sind dankbar dafür,
daß über uns die weihnachtliche Zusage Gottes leuchtet: „Fürchtet euch nicht,
denn ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr!“ Das ist
wichtig zu wissen, weil noch ein weiter Weg vor uns liegt. Unsere Suche nach
Heimat, nach Wahrheit und Recht ist noch nicht erledigt.
Hoffnungslos: Flüchtlinge bei ihrem ersten Weihnachtsfest in der Fremde Foto:
Meyer-Pfundt |