20.04.2024

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25.12.04 / Trostlose Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Dezember 2004


Trostlose Zeit
von Kurt Zwikla

Der 24. Dezember 1939 war wohl der traurigste Heiligabend, den ich als Kind in meinem Elternhaus in Misken erlebt habe. In den davor liegenden Jahren brachte das Weih-nachtsfest die schönsten und erwartungsreichsten Tage für uns Kinder. Da hatte der Vater mit viel Liebe und Geschick den Baum geschmückt. Mutter stand in der Küche am Herd und bereitete das Essen vor, natürlich gab es wie immer Gänsebraten, das ganze Haus roch schon danach. Wir Kinder erwarteten schon sehnsüchtig den Weihnachtsmann, in der Hoffnung, daß er uns Spielzeug und Süßigkeiten bringt. Natürlich wollten wir ihn mit schönen auswendig gelernten Gedichten bei guter Laune halten.

Im ersten Kriegsjahr 1939 war alles ganz anders. Unsere Familie war nicht mehr vollzählig. Meine älteren Brüder waren Soldaten und mußten in ihren Kasernen bleiben. Auch die Eltern waren traurig. Es kam keine richtige Weihnachtsstimmung auf. Beim ersten Weihnachtslied liefen der Mutter die Tränen nur so herunter, es war einfach trostlos. Selbst den Weihnachtsmann mußte eine Frau aus der Nachbarschaft spielen! Die Männer waren mit dem Krieg beschäftigt. Nach dem Mittagessen am nächsten Tag saßen wir am Kachelofen, als es an der Tür klopfte und die Braut meines Bruders Ewald uns besuchte. Gleich wurde der Tisch gedeckt, und es roch nach Kaffee. Mutter stellte Mohn- und Pfefferkuchen und reichlich Plätzchen auf den Tisch. So wurde es doch noch ein gemütlicher Nachmittag.

Nach dem Kaffee wurden die Kerzen am Weihnachtsbaum angezündet und Mutter stimmte das Lied: „Vom Himmel hoch ...“ an. Draußen fing es kräftig an zu schneien. Unser Besuch wollte nun doch noch schnell im Hellen nach Hause. Doch meine Eltern sagten: „Du kannst bei uns übernachten, bei diesem Wetter kannst du unmöglich nach Hause gehen.“

Als wir am nächsten Morgen aufstanden, war die Schneedecke etwa 50 Zentimeter hoch. Wir blickten auf eine herrliche Winterlandschaft, wie man sie nur bei uns in Ostpreußen zu sehen bekam. Für den Heimweg packte Mutter der jungen Frau einige Stücke Kuchen ein. Mein Bruder Willi und ich begleiteten sie durch den tiefverschneiten Winterwald bis nach Mühlengrund, wo sie zu Hause war. Gut, daß wir damals nicht wußten, was auf uns alle in den nächsten Jahren zukommen würde ...

Winter in Ostpreußen: Tief verschneit liegen Feld und Wald. Foto: Archiv


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