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08.01.05 / Das Schlimmste fürchten / Banausentum und Kleinstaaterei zerfleddern die kulturelle Tradition

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 1 vom 08. Januar 2005

Das Schlimmste fürchten
Banausentum und Kleinstaaterei zerfleddern die kulturelle Tradition
von Thorsten Hinz

Das internationale Künstlerhaus im brandenburgischen Wiepersdorf befindet sich in Auflösung, zum Jahreswechsel sind die Kündigungen der Angestellten wirksam geworden. Es handelt sich um das Schloß von Achim und Bettina von Arnim, das 1945 enteignet worden war. Das Haus wurde geplündert, sogar ein Abriß war im Gespräch.

Die Familie von Arnim erreichte wenigstens, daß die "Deutsche Dichterstiftung" hier ein Schriftstellerheim einrichtete. Es wurde zu einer der bekanntesten Kultureinrichtungen der DDR. Berühmte Autoren wie Anna Seghers und Arnold Zweig verbrachten hier ihren Arbeitsurlaub. Träger des Hauses war der DDR-Kulturfonds, der dem Kulturministerium nachgeordnet war. 1990 wurde ein Kulturfonds für die neuen Bundesländer gegründet. Sein Kapital speiste sich aus dem Vermögen der Vorgängereinrichtung, hinzu kamen 184 Millionen Mark aus SED-Besitz. Einige besonders schöne Zimmer wurde an zahlende Kundschaft vermietet, die anderen standen Kunststipendiaten aus Deutschland und dem Ausland zur Verfügung.

Dann aber kündigten die Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Fondsanteile, um separate Landesstiftungen zu gründen. Der Länderegoismus ist einerseits verständlich. Das Geld ist knapp, warum sollen die Anhalter, Sachsen und Thüringer ein Haus zum Ruhme Brandenburgs finanzieren? Andererseits aber gibt es eine gemeinsame DDR-Vergangenheit, die ebenfalls eine traditionsstiftende Kraft besitzt. Es ist albern oder - wie in diesem Falle - sogar zerstörerisch, das zu leugnen. Gewiß, es gibt 60 Künstlerhäuser in Deutschland, doch Wiepersdorf ist einzigartig und hat, auch wegen seiner ferneren Vergangenheit, eine besondere Aura. Brandenburg kann das Haus allein nicht finanzieren, auch die Akademie der Künste hat dankend abgewinkt. Zwar hatte der Bund jährlich 450.000 Euro zugesagt, doch benötigt wird das Doppelte. Neue Hoffnungen hatten sich an die Fusion der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder geknüpft, doch die scheiterte am Veto Bayerns. Jetzt bildet die Stiftung Denkmalsschutz den letzten Rettungsanker. Andernfalls könnte das Haus an einen Privatinvestor verkauft werden.

Betroffen von der Auflösung des Kulturfonds ist auch das Künstlerhaus Lukas im vorpommerschen Ahrenshoop. Das reizvolle Ostseebad war bereits seit 1900 eine Künstlerkolonie und wurde in der DDR zum Erholungsort der Intelligenz ausgebaut. Auch im Haus Lukas versammelten sich Stipendiaten der verschiedenen Genres Schriftsteller, Musiker, Maler, Bildhauer. Offiziell wird das Haus vom Land Mecklenburg-Vorpommern übernommen, das 150.000 Euro für den Unterhalt zur Verfügung stellen will. Es handelt sich um den Zinsertrag, die der Fondsanteil des Landes in Höhe von fünf Millionen Euro jährlich abwirft. Doch der Teufel steckt im Detail. Mit dieser Summe können zwar die anderthalb Arbeitsstellen im Haus, nicht aber die Künstlerstipendien finanziert werden. In den Vorjahren lag der Etat des Hauses zwischen 190- und 210.000 Euro. Künftig soll das Geld an die Gemeinde gehen, die ein neues "Gesamtkonzept" erstellen soll.

Wer das Banausentum und das kurzfristige Gewinnstreben in der mecklenburg-vorpommerschen Provinz kennt, dem auch die Naturschönheiten bedenkenlos geopfert werden, muß das Schlimmste fürchten. "Dabei ist es eine Ehre für Ahrenshoop, wenn Künstler hier ohne touristische Hintergedanken ausschließlich an ihren Projekten arbeiten können, einfach nur Künstler sein dürfen", bedauerte die bisherige Leiterin Ursula Vogel die Auflösung des Hauses in der Lokalpresse. Doch solcher Ansehensgewinn läßt sich nicht in Cent und Euro umrechnen. Vogel, die zuvor drei Jahre lang das Haus in Wiepersdorf geleitet hatte, hat nun auch in Ahrenshoop ihre Koffer gepackt und schreibt Bewerbungen.


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