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08.01.05 / Deutschland "Der König vom Bodensee" / George Turner zum Tode

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 1 vom 08. Januar 2005

Deutschland "Der König vom Bodensee"
George Turner zum Tode von Lennart Graf Bernadotte, einem Ur-Ur-Enkel von Kaiser Wilhelm I.

Am 21. Dezember 2004 ist Lennart Graf Bernadotte af Wisborg mit 95 Jahren auf seiner Blumeninsel Mainau verstorben. Er war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, sowohl als Mensch als auch im Hinblick auf seine Leistungen. Kennzeichnend waren gleichermaßen Lebensfreude und Humor, nicht zuletzt ein gehöriger Schuß Selbstironie. Der aus dem schwedischen Königshaus stammende Graf hinterläßt Ehefrau Sonja und fünf erwachsene Kinder. Aus seiner ersten Ehe hatte er bereits vier Kinder.

Geboren wurde er am 8. Mai 1909 in Stockholm als Sohn von Prinz Wilhelm von Schweden und der russischen Großfürstin Maria Pawlowna. Aufgrund seiner ersten Heirat mit der Bürgerlichen Karin Nissvandt hatte er auf eine mögliche Thronfolge verzichtet. Den hochgewachsenen "König vom Bodensee" (so der Titel einer Biographie von R. Orlik) konnte man sich sehr gut als Majestät vorstellen.

Im Jahr 1932 übernahm er, nach dem Studium der Land- und Forstwirtschaft, die damals völlig verwilderte Insel Mainau von seinem Vater. Dieser hatte sie von seiner Mutter, Königin Viktoria, einer gebürtigen Prinzessin von Baden, geerbt. Deren Mutter Louise, verheiratet mit Friedrich I. von Baden, war die Tochter von Kaiser Wilhelm I. Mainau war seit 1853 im Besitz des Großherzogs von Baden.

Die Liebe von Graf Lennart zur Natur und sein Pioniergeist waren entscheidend dafür, daß die 45 Hektar große Insel zum bedeutendsten Touristikunternehmen der Bodenseeregion wurde. Jährlich besuchen deutlich mehr als eine Million Menschen dieses Kleinod, das zu recht als Naturparadies angesehen wird und von Graf Lennart und seiner Familie zum Schloßpark mit zusätzlichen Attraktionen wie Palmenhaus und Schmetterlingshaus gestaltet wurde.

Seine Philosophie hat er bereits 1961 in der "Grünen Charta der Mainau" niedergelegt, zu einer Zeit, als von Naturerhaltung und Umweltschutz sonst noch keine Rede war.

Wenn auch die Mainau das Herzstück seines Lebens darstellte - die große Zahl der Ehrenämter war ihm dennoch wichtig. So konnte er seine Ideen vom Umgang des Menschen mit der Natur an den unterschiedlichsten Stellen und Bereichen öffentlich machen: als Präsident der Deutschen Gartenbau-Gesellschaft ("Gärtnern um des Menschen willen"), als Initiator des Bundeswettbewerbs "Unser Dorf soll schöner werden", als Sprecher des Deutschen Rats für Landespflege und als Spiritus rector der Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau am Bodensee, erstmals 1951, deren Präsident (später Ehrenpräsident) er 38 Jahre lang war. Die deutschen Wissenschaftler und insbesondere den Nachwuchs wieder in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft zu führen, war damals sein Ziel. Hier schloß sich einer der vielen Kreise zu seinem Großvater, König Gustaf V von Schweden, der 1901 die ersten Nobelpreise überreichte. Ein soeben bei ars vivendi erschienenes Buch von Peter Badge "Nobelpreisträger im Porträt" ist Graf Lennart gewidmet. Das erste Exemplar wurde ihm vor wenigen Wochen vom Herausgeber, Nikolaus Turner, Mitglied des Vorstands der Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen, persönlich übergeben. In nahezu allen Ämtern ist Gräfin Sonja seine Nachfolgerin geworden, was ihn mit besonderer Genugtuung erfüllte.

Die Zahl seiner Ehrungen, von denen hier nur die bekanntesten aufgeführt werden, entspricht seinem persönlichen Einsatz: Ehrenbürger der Städte Konstanz und Lindau, Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes, des Großkreuzes der Weißen Rose von Finnland und des Bayerischen Verdienstordens sowie der Albert-Schweizer-Medaille, Dr. honoris causa der Universitäten Hohenheim und Uppsala, Inhaber eines vom Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg verliehenen Professorentitels. Die Tatsache, daß er als Nachfolger von Heinrich Lübke als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten ernsthaft diskutiert worden ist, belegt ein weiteres Mal die hohe Wertschätzung und breite Anerkennung, die er genoß.

Sein ungewöhnlich umfangreiches Wirken hätte für mehrere Personen zu unterschiedlichen Berufen und langen, erfolgreichen Karrieren genügt, denkt man nur an seine filmischen Erfolge. "Kon-Tiki" wurde 1951 als bester Dokumentarfilm mit einem Oscar ausgezeichnet. Mit der Makrofotografie, Nahaufnahmen von Blüten und Pflanzen ("Optische Träume"), für die er zahlreiche Preise erhielt, hat er sich unter Botanikern einen Namen gemacht.

Seine Arbeit läßt sich zusammenfassend am besten dahin beschreiben, daß "seine Werke zeigen, was er wollte". So haben er und seine Ehefrau, Gräfin Sonja, sein zentrales Lebenswerk, die Blumeninsel Mainau, bereits 1974 in eine Stiftung, die nach ihm benannte "Lennart-Bernadotte-Stiftung", eingebracht. Damit ist garantiert, daß dieses Zentrum seines Lebens erhalten bleibt. Eng mit der Stiftung verbunden ist auch der seit 1990 jährlich verliehene Lennart-Bernadotte-Preis für Landespflege. Damit sollen wissenschaftliche Arbeiten vor allem von Nachwuchswissenschaftlern ausgezeichnet werden. In diesen Zusammenhang gehören auch die seit 1957 durchgeführten Mainauer Gespräche, vornehmlich zu Fragen des Natur- und Landschaftsschutzes.

Graf Lennart war wichtig, daß die Familie sich dem Unternehmen verbunden fühlt. Seit Jahrzehnten nimmt Gräfin Sonja die Rolle als Geschäftsführerin der Mainau GmbH wahr und hat in dieser Eigenschaft die Blumeninsel maßgeblich weiter entwickelt. Er war sehr stolz auf seine "Sonny" und betonte stets deren Tüchtigkeit. Für ihn war es eine große Freude, daß mit der gemeinsamen Tochter Bettina bereits die Nachfolgerin von Gräfin Sonja feststeht. Seine Familie wurde ihm in den letzten Jahren immer mehr zum Quell des Wohlbefindens und der Freude: die Hochzeiten der Töchter Diana und Bettina, 13 Enkel und 15 Urenkel, als letztes Enkelkind die gerade ein knappes Jahr alte Paulina Marie. Alles, was seinem breiten Interesse an der Natur entsprach, begeisterte ihn besonders, beispielsweise die jüngst bestandenen Jägerprüfungen seines Sohnes Björn und seiner Tochter Catherina.

Bis zuletzt inspizierte er die Insel, auch wenn dies nur noch mit dem Elektromobil möglich war. Eine liebevolle Stütze bei der Mühsal des täglichen Lebens war ihm seit langem Gräfin Birgitta, seine älteste Tochter aus erster Ehe, ein ihn beruhigendes und Zufriedenheit gebendes Zeichen auch der Verbundenheit der beiden Generationen der Kinder. Mit Graf Lennart verläßt uns ein großer Visionär, der als Realist mit Weitsicht die Welt zu verändern vermochte. Er hinterläßt ein einzigartiges, beeindruckendes Lebenswerk. 

Prof. Dr. George Turner, ehemaliger Präsident der Universität Hohenheim, war fast 20 Jahre lang Vorsitzender der Lennart-Bernadotte-Stiftung und ist deren Ehrensenator.

Realist mit Weitsicht und zugleich Visionär: Lennart Graf Bernadotte, der "König vom Bodensee". Foto: Peter Badge/Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertreffen


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