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08.01.05 / "Ohne Gegenleistung" / ... gibt's nicht in der Marktwirtschaft: Wer sich einen Politiker kauft, der muß ihn auch nutzen dürfen / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 1 vom 08. Januar 2005

"Ohne Gegenleistung"
... gibt's nicht in der Marktwirtschaft: Wer sich einen Politiker kauft, der muß ihn auch nutzen dürfen / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Wir sind schlecht zu Tieren. Sprüche wie "dummer Esel" oder "dreckiges Schwein" sagen alles aus über unsere Herablassung gegenüber den eigentlich blitzgescheiten Langohren und dem Borstenvieh, das in artgerechter Umgebung einen großen Teil des Tages der Pflege seiner empfindlichen Haut widmet. Ins Repertoire unserer gemeinen Vorurteile gehört auch, daß Elefanten tumb und schwerfällig seien. Die haben unserer Gattung in Südasien nun allerdings gezeigt, was Sache ist.

Während Regierungen und Behörden vor sich hindösten, schlugen die grauen Riesen am thailändischen Stand bereits wenige Augenblicke nach dem Seebeben Alarm, sie schrien regelrecht auf, berichten Augenzeugen. Als die Welle (obschon noch außer Sichtweite) für ihre empfindlichen Füße spürbar wurde, warnten sie erneut, um sich dann umgehend an die Rettung der Fliehenden zu machen, zu deren Belustigung sie unter den Palmen angekettet worden waren.

Wir müssen zerknirscht eingestehen, daß unsere Gattung da vergleichsweise in Zeitlupe reagiert hat. Leider haben wir viel zu oft viel zu Wichtiges zu tun, um das Richtige rechtzeitig zu erkennen. Wie beispielsweise der niederländische Innenminister, der per Amt für den Katastrophenschutz und also für die holländischen Opfer zuständig ist - zuständig wäre, würde er nicht gerade Urlaub machen. In Thailand. 250 Kilometer vom Unglücksort entfernt, auf der "sicheren Seite" im Golf von Siam. Da saß er während der Katastrophe und da blieb er seelenruhig sitzen bis mindestens Anfang dieser Woche.

Viele Holländer mögen ihn deshalb nicht mehr. Er solle am besten gleich dableiben, ist zu hören. Der Gescholtene wird anführen, daß man als Minister seinen Urlaub eben benötige. Politiker sei ein aufreibender Vollzeitberuf mit 15 Arbeitsstunden täglich.

Das haben uns unsere Politiker auch immer erzählt und wir haben dann andächtig gestaunt: Donnerwetter, was für Kerle! Bis zu 15 Stunden täglich und dann trotzdem noch ein Lächeln für Kameras! Der Arbeitstag des Wolfsburger Bürgermeisters Ingolf Viereck beträgt der Rechnung zufolge sogar bis zu 45 Stunden. Der Sozialdemokrat regiert seine 120.000-Einwohner-Stadt, füllt ein ganzes Landtagsmandat aus und hat einen Job bei VW als "Sportberater". Sportlich muß er wohl sein, bei dem Pensum. Aber - Moment mal: Haben wir nicht gelernt, daß mit jedem Tag nach spätestens 24 Stunden Schluß ist? Und heißt es nicht, daß Säugetiere regelmäßig schlafen müssen, weil sie sonst irgendwann durchdrehen und Gespenster sehen? In der Tat: Von Volkswagen verlautet, daß Viereck sich den Sport-Job nur eingebildet habe. Es sei lediglich Geld geflossen - "ohne Gegenleistung", wie angeblich an 100 weitere Politiker. Soso. Offenbar hat VW zuviel Geld und muß es dringend irgendwohin pumpen. In diesem Falle sind wir gern bereit, unsere Bankverbindungen preiszugeben. Wir sind schließlich Patrioten und können nicht tatenlos zusehen, wie Deutschlands größter Fahrzeugproduzent unter der Last der Milliarden zusammenbricht. Auch versprechen wir hoch und heilig, nichts "gegenzuleisten" - um dem Vorwurf der Korruption vorzubeugen. Im Übrigen freuen wir uns auf die nächsten Tarifverhandlungen bei dem Autogiganten, anläßlich derer der Vorstand von der Belegschaft öffentlich gevierteilt wird, weil er Worte wie "steigender Kostendruck" oder gar "Nullrunde" über die verlogenen Lippen brachte.

Doch trotz aller Bemühungen der TV-Branche sind wir noch nicht gänzlich verblödet und wollen nicht recht glauben, daß ein Konzern die Taschen öffnet, ohne etwas dafür zu verlangen. Etlichen Politikern ist der grassierende Verdacht der Korruption bereits in die Nase gestiegen. Sie wollen jetzt Abhilfe schaffen auf ganz moderne Art. Mandatsträger sollten ihre "Nebeneinkünfte" (von wegen "Korruption": Wir sind hier doch nicht in Werweißwo!) öffentlich machen und sie ab einem bestimmten Betrag auf die Diäten angerechnet bekommen. Das ist sehr zeitgemäß. Städte verkaufen bereits ihre U-Bahnen, Rathäuser und Feuerwehrhäuser, um sie anschließend von Privatfirmen zurückzu-"leasen", sprich: zu mieten. Wenn Abgeordnete ihre Einkünfte größtenteils von Konzernen oder solventen Privatleuten beziehen, sollen sie laut Niedersachsens Ex-Premier Siegmar Gabriel nur noch eine "Aufwandsentschädigung" vom Steuerzahler erhalten. Das wäre dann unsere "Leasinggebühr" für die verramschten Mandatsträger. Konzerne könnten so "Anteile" an Abgeordneten oder sogar ganzen Fraktionen erwerben! Unsere Parlamente würden zum Schauplatz heißer Übernahmeschlachten weltweit operierender Finanzriesen. Wir lesen schon die Schlagzeile: "Der amerikanischen XY-Konzern plant feindliche Übernahme der FDP-Fraktion, die derzeit mehrheitlich im Besitz der YZ-Holding und einer Düsseldorfer Erbengemeinschaft ist! Es werden bereits Gegenmaßnahmen erwogen."

Sagt nicht jeden Tag irgendeiner, daß "Politik für die Bürger durchschaubarer werden muß"? Nach dem Leasing-Modell wüßten wir, woran wir sind, zumal das mit dem "Ohne-Gegenleistung" ohnehin Augenwischerei ist. Wenigstens Werbung muß möglich sein. Künftig könnte der Mehrheitseigner eines Politikers im Fernsehen eingeblendet werden, sobald der das Wort ergreift: "Diese Rede wird Ihnen präsentiert von ..." Oder: "Spannende Unterhaltung beim Rededuell der Führer von Regierungsfraktion und Opposition, Dr. Klaus Koofmich und Gerhard Gierhals, wünschen Ihnen..." Die Reden würden dann gewiß viel besser, zumindest unterhaltsamer. Welcher "Global Player" kann es sich denn leisten, einen stotternden Langweiler mit seinem Logo auf der Krawatte rumlaufen zu lassen?

Es war halt nur eine Frage der Zeit, bis auch die bislang verstaatlichte Politik per umfassender Privatisierung neue Dynamik gewinnt. Dabei sind die "Reformen" im Verborgenen schon viel weiter gediehen als der Normalbürger es aus der Presse erfahren hat.


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