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22.01.05 / An (Über-)Weisungen nicht gebunden...

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 3 vom 22. Januar 2005

Hans-Jürgen Mahlitz:
An (Über-)Weisungen nicht gebunden...

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ... sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. (Art. 38 Abs. 1 GG)

Die Abgeordneten haben Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung. (Art. 48, Abs. 3 GG)

Der einstige Bundesinnenminister Hermann Höcherl (CSU) sagte einmal: "Ich kann schließlich nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unterm Arm rumlaufen." Dieses geflügelte Wort haben einige unserer heutigen Parlamentarier offenbar in ganz besonderem Maße verinnerlicht - zumindest die beiden eingangs zitierten Artikel tragen sie weder "unterm Arm" noch im Herzen oder im Kopf.

So gewinnt der verfassungstreue Bürger den fatalen Eindruck, daß manche Abgeordnete vielleicht wirklich nicht an Weisungen, wohl aber an Überweisungen gebunden sind. Genauer: an monatliche Gehaltsüberweisungen im vierstelligen Euro-Bereich von Konzernen oder Wirtschaftsverbänden - zusätzlich zu ihren Abgeordnetenbezügen. Ob sie sich wohl jemals gefragt haben, wie viele ihrer Wähler glücklich wären, wenn sie solche "Nebenverdienste" als Haupteinkommen hätten?

Kein Bundestagsabgeordneter hat solche Zusatzeinkommen wirklich nötig, weder zur Existenzsicherung noch zur Wahrung seiner Unabhängigkeit. Zudem sind unsere Volksvertreter - anders als der Rest des Volkes - in der glücklichen Lage, darüber, was "angemessen" ist, selber entscheiden zu dürfen. So wird denn in seltener Einmütigkeit über Diätenerhöhungen abgestimmt; die wenigen "Saubermänner", die dagegen votieren, können dies in der Gewißheit tun, daß ihnen eh kein Abstimmungssieg droht.

Die Argumentation derer, die immer noch meinen, die üppige Abzockerei einiger - längst nicht aller! - Parlamentarier verteidigen zu müssen, ist in doppelter Hinsicht verlogen. Ich kenne persönlich viele Abgeordnete, die ihr Mandat wirklich ernst nehmen und dafür im Schnitt mehr als 60 Stunden pro Woche hart arbeiten. Wann wollen sie noch Zeit und Kraft für eine hochqualifizierte (und dementsprechend dotierte) Zusatztätigkeit haben? Wer also einen "Nebenjob" für 2.000 oder gar 3.000 Euro im Monat hat, nimmt entweder sein Mandat nicht ernst, oder er bekommt das Geld nicht für tatsächlich geleistete, "ehrliche" Arbeit. Wofür aber sonst?

Das Märchen vom eigenen Erleben der Arbeits- und Berufswelt, das die Abgeordneten in ihre Parlamentstätigkeit einbringen, sollten wir uns ebenso wenig aufbinden lassen wie das vom Offenhalten der Möglichkeit, nach einem Ausflug in die Politik in den angestammten Beruf zurückzukehren.

Der von hohen Nebeneinkünften unbelastete Normalbürger fällt auf solch Geschwafel nicht mehr herein. Er weiß: Wer zahlt, schafft an. Kein Unternehmen wäre so dumm, jeden Monat ein paar tausend Euro zu zahlen, ohne dafür etwas zu verlangen. Vorstellbare Gegenleistungen sind: Vertretung der Interessen des Geldgebers und Wohlverhalten bei Abstimmungen bis hin zur Weitergabe von "Insiderwissen" (womit bereits die Grenze zum Kriminellen überschritten ist).

Den jetzt Ertappten glaubt niemand, daß solche Vermutungen ausgerechnet in ihrem Falle nicht zutreffen. Und die politische Klasse insgesamt kann dieses Stück verlorengegangener Glaubwürdigkeit nur zurückgewinnen, wenn sie schnell und ohne "Hintertürchen" eine klare, saubere und wirkungsvolle Regelung zustandebringt. Davon hängt letztlich ab, ob Deutschland ein Rechtsstaat in bester preußischer Tradition bleibt - oder zur Bananenrepublik verkommt.


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