25.04.2024

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22.01.05 / Die ostpreußische Familie / Leser Helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 3 vom 22. Januar 2005

Die ostpreußische Familie
Leser Helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

noch ist das Jahr jung, und die vielen Glückwünsche, die uns erreichten, sind noch pottwarm. In einigen aus unserem engsten Familienkreis stand, daß ich - bitteschön - doch 100 Jahre alt werden möge. Daß die berechtigte Aussicht darauf bestehe, meinten auch liebe Kollegen mit Hinweis auf die Glückwünsche in unserer Zeitung, die so oft hundertjährigen Landsleuten gelten. Daran sollte ich mich doch gefälligst orientieren. Ich werde mich bemühen.

Nicht umsonst habe ich diesen Anfang für unsere heutige Kolumne gewählt. Denn ich fand beim vielstündigen Durchforsten meines Archivs - ich mußte mal wieder nach fünf verschiedenen Gedichten suchen, die sich eine Leserin wünscht! - eine Art "Gebet", das mir einmal ein Leser übersandte. Die letzte Zeile fiel mir sofort auf, und ich fand, sie paßte so schön zu den Wünschen für ein langes Leben. Aber dann las ich die Verse genauer und - ärgerte mich. Nicht über das Gedicht, sondern darüber, daß ich es nicht früher entdeckt hatte, denn es hätte so haargenau zu diesem Jahreswechsel gepaßt. Warum - lesen Sie selber:

"Herr, setze dem Überfluß Grenzen und laß die Grenzen überflüssig werden!

Gib den Regierenden ein besseres Deutsch und den Deutschen bessere Regierungen!

Schenke unseren Freunden mehr Wahrheit und der Wahrheit mehr Freunde!

Bessere solche Beamte, die wohl tätig, aber nicht wohltätig sind und laß, die rechtschaffen sind, auch Recht schaffen!

Sorge dafür, daß wir alle in den Himmel kommen - aber bitte noch nicht gleich!"

Diese Wünsche standen in der Bergischen Volkszeitung Ausgabe Silvester / Neujahr 1864/65! Geschrieben vor 140 Jahren! Man möchte sie so manchem Zeitgenossen hinter den Spiegel stecken!

Zwar sind viele Grenzen noch nicht überflüssig geworden, aber immerhin durchlässiger.

Und so erreicht uns wieder einmal ein Schreiben aus Litauen. Elena Geruliene wendet sich an uns in der Hoffnung, endlich Verwandte ihres verstorbenen Ehemannes zu finden, der aus Ostpreußen stammte. Sie schreibt: "Wie viele andere Wolfskinder erlebte mein Mann Not und Hunger, das Verspotten der Fremden, war zum Betteln gezwungen, verlor Eltern und Heimathaus. Endlich wurde er von einer litauischen Familie adoptiert, erhielt den Namen Gerulis und ist in Litauen groß geworden. Noch während der Sowjetzeit versuchte er, über das Rote Kreuz Verwandte zu ermitteln, leider kam nie eine Antwort. 1986 verstarb mein Mann in Unwissenheit vom Schicksal seiner Familie. Aber es leben seine Kinder, drei Söhne und zwei Töchter, die auch gerne wissen möchten, ob noch Verwandte ihres Vaters leben. Geboren ist mein Mann als Karl Scheporeit (Schiporeit, Scheporat) etwa 1936/37 in Metgethen bei Königsberg. Diese Ortsangabe ist richtig, denn wir haben einmal in der Sowjetzeit, als wir noch kein Visum brauchten, Metgethen besucht und sogar den Hof gefunden. Das Bild war traurig. In dem Haus lebten noch die Großeltern. Der Vater hieß Paul, er fiel gegen Kriegsende in Riga. Karl hatte eine etwa drei bis vier Jahre ältere Schwester, den Vornamen habe ich leider vergessen. Nach Kriegsende kamen die Geschwister mit ihrer Mutter (Marta?) nach Litauen, hier wurden sie leider getrennt, und Karl hat weder Mutter noch Schwester wiedergefunden." Soweit Frau Geruliene. Und jetzt kommen die Fragen: Was wurde aus der Mutter? Lebt die Schwester noch? Hat sie Nachkommen? Gibt es noch weitere Verwandte? Erinnern sich Mitschüler an den kleinen Karl, der während des Krieges eingeschult wurde? Es wäre wünschenswert, wenn sich wenigstens eine der Fragen beantworten ließe. Frau Geruliene und ihre Familie warten darauf. (Elena Geruliene, Bugotoji, Kazlu Rudos sav. Litauen.)

Daß auch heute noch ein Wiederfinden möglich ist, beweist die Geschichte eines anderen "Wolfskindes", die uns vom Kirchlichen Suchdienst (HOK) übermittelt wurde. Diese Institution, auf die wir auch immer wieder hinweisen, erteilt jährlich über 20.000 Auskünfte. Einer der Suchenden, die sich im letzten Jahr an das HOK - Zentrum Stuttgart wandten, ist der gebürtige Ostpreuße und frühere Angehörige des Berliner Abgeordnetenhauses Günter Fr. Toepfer, der sich im Rahmen seiner sozialen Aktivitäten auch um die "Wolfskinder", die ärmsten und hilflosesten Opfer der Vertreibung, kümmert. In diesem Fall handelt es sich um Augustas Rudminas, der als Theodor Rieck im Kreis Wehlau geboren wurde und als elfjähriger Junge auf einem der Grenzgänge nach Litauen von seinem Bruder Erich getrennt worden war. Jeder glaubte vom andern, daß er dabei in der Memel ertrunken sei. Theodor fand Aufnahme in einer litauischen Familie und erhielt den Namen Augustas Rudminas. Er wußte nicht, daß sein Bruder Erich auch in Litauen blieb, aber von seiner Mutter 1959 gefunden wurde. 47 Jahre lang, bis zu ihrem Tod, hat Frau Rieck nach Theodor gesucht, der nicht wußte, daß seine Mutter, Bruder Erich und auch eine Schwester, Lisbeth, lebten. Im vergangenen Oktober fand aufgrund der erfolgreichen Arbeit des Kirchlichen Suchdienstes nun das Wiederfinden statt. Herr Toepfer war nach Litauen gefahren, um Theodor zu bestätigen, daß Bruder und Schwester in Deutschland lebten und er mit ihnen sprechen konnte. Das kleine Dorf Sakvietes schien den Atem anzuhalten, als dieses erste Gespräch geführt wurde - und im fernen Deutschland war es wohl ähnlich. Wir danken dem Kirchlichen Suchdienst für diese Mitteilung, weil sie manchem wieder Mut machen wird. (Kirchlicher Suchdienst HOK, Rosenbergstraße 52 B in 70176 Stuttgart, Telefon 07 11 / 6 36 80 04, Fax 07 11 / 6 36 80 07.)

Zu einem "Wolfskind" wurde Alfred Grossmann nicht, und daß er damals vor 60 Jahren auch nicht in ein Straflager kam, hat er wohl einer Frau zu verdanken, die er noch immer sucht. Bis Pr. Eylau waren der 14jährige, seine Mutter und zwei Schwestern auf der Flucht aus ihrem Heimatort im Kreis Sensburg gekommen, als die russische Dampfwalze sie überrollte. Als dann im Sommer die Ernte eingebracht werden sollten, kamen alle zum Ernteeinsatz. Am Feierabend gab es nach einem harten Arbeitstag für jeden 300 bis 400 Gramm Brot, das durch Wertmarken ausgeteilt wurde. Alfred gelang es, ein Stück Papier und den Stempel, mit dem die Brotmarken ausgegeben wurden, zu bekommen, um durch Fälschung etwas zusätzliches Brot zu ergattern. Die junge Frau, die in der Ausgabestelle an der Landsberger Straße in Pr. Eylau das Brot verteilte, bemerkte den Betrug, zerriß das Papier und gab dem Jungen trotzdem eine Ration. Er schämte sich sehr, aber er wußte, diese Frau hatte ihn vor dem Straflager oder noch Schlimmeren bewahrt, die Russen kannten da keine Gnade. Dieses Ereignis blieb unauslöschbar in seinen Erinnerungen. Er wollte immer dieser Frau seinen Dank sagen, aber er ist ihr nie wieder begegnet. Sie hieß mit Nachnamen Parakönig, war damals wohl Anfang der Zwanziger und wohnte mit einer Frau Maas in einem Hinterhof. Herr Grossmann glaubt sich zu erinnern, daß diese junge Frau eine Verbindung zu dem Ort Altkirchen, Kreis Ortelsburg hatte, es fiel da der Name Pzygoda. Ob diese wenigen Angaben genügen, um einen Hinweis auf diese Frau zu bekommen, die ja heute über 80 Jahre alt sein muß? (Alfred Grossmann, Wilhelm-Busch-Ring 45 in 59174 Kamen-Methler, Telefon 02 30 / 73 16 10.)

Noch im alten Jahr veröffentlichten wir den Suchwunsch von Valeria Zimmermann, die aus Packhausen bei Mehlsack stammt und nach ihren Verwandten aus Sienken / Glandau forscht. Inzwischen hat sich über den Heimatbrief des Kreises Pr. Eylau ein Landsmann aus Sienken bei Frau Zimmermann gemeldet. Herr Bellgardt konnte sehr konkrete Angaben über die Gesuchten machen. Von den vier verwaisten Kindern der Familie Goerigk gelangten drei mit einem Flüchtlingstransport im Dezember 1947 nach Schafstädt / Lauchstädt bei Merseburg (Sachsen-Anhalt). Dort sollen die Kinder aus dem Transport geholt worden sein. Wohin die Waisen dann gekommen sind, konnte Herr Bellgardt nicht sagen. Er hätte nur die Antwort bekommen: sie seien gut untergebracht. Die Kinder hießen Eva Maria, Leo Antonius, Franz Joseph und Anne-Marie Goerigk, eines von ihnen verstarb noch in der Heimat. Sicher sind die Überlebenden, von denen das älteste 1947 etwa zehn Jahre alt war, in Waisenheime oder zu Pflegeeltern gekommen, später wohl adoptiert worden. Ihre ostpreußische Identität wurde ihnen, wie damals in der DDR üblich, sicher genommen, so daß sie schwerlich in unserm Leserkreis zu finden sind. Bleibt also die Hoffnung, daß sich jetzt mit der Gewißheit, daß die Verwandten von Frau Zimmermann nicht verschleppt oder in russische Heime gekommen sind, durch unsere Leserinnen und Leser neue Spuren ergeben, von denen die eine oder andere zum Erfolg führen könnte. (Valeria Zimmermann, Auf dem Kelm 5 in 44536 Lünen, Telefon 02 31 / 87 16 67.)

Eure Ruth Geede


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