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22.01.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 3 vom 22. Januar 2005

Nur Rückseiten / Ob die Deutschen für die Flutopfer spenden oder nicht - die moralischen Prügel sind ihnen sicher
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Jetzt könnten wir uns eigentlich zurücklehnen, die Hände über dem Bauch falten und rufen: Na, haben wir das nicht wieder toll hingekriegt? Spendenweltmeister! Keiner hat sich so für die Flutopfer finanziell ins Zeug gelegt wie die Deutschen. Und keiner soll sagen, es war ja nur Geld. Dafür haben wir schließlich gearbeitet, also: für die Opfer des Tsunami gearbeitet. Wir könnten stolz sein. Sind wir aber nicht. Denn noch bevor sich der erste Spenderstolz verbreiten konnte, hatten die "kritischen Stimmen" schon längst ihre Messer gewetzt.

Sie "hinterfragen" jetzt, was die Deutschen wirklich zu so astronomischer Hilfsbereitschaft getrieben hat. Die Antwort haben sie, die Kritiker, natürlich schon seit Jahrzehnten in der Schublade, aus der sie sie bei jeder Gelegenheit hervorholen, wenn die Deutschen irgendetwas getan haben, was einen abstoßend guten Eindruck macht. Das Stichwort heißt "Verdrängung". Die Deutschen spenden nämlich nur, um ihre Schuld und Scham gegenüber der "dritten Welt" zu verdrängen, um die sie sich ja sonst auch nicht kümmern. Das kapieren wir natürlich nicht, und die blöden Südasiaten noch weniger. In Thailand etwa ist man sogar pikiert. Eben war man noch ein aufstrebender Tigerstaat - und nun auf einmal "dritte Welt"? Die Atommacht Indien weiß sich mit dem Etikett ebenfalls nicht recht anzufreunden.

Und was soll hier bitte heißen, wir kümmerten uns nicht um die wirklich armen Länder? Ruanda kann seine Kriege im Kongo nur führen, weil der Löwenanteil seiner Staatsausgaben für Schulen, Straßen oder Krankenhäuser von Entwicklungshilfe finanziert wird. Nur deshalb hat die Regierung des kleinen Landes genügend finanziellen Spielraum, um sich ihrem militärischen Hobby zu widmen und so an die Rohstoffe des großen, aber noch maroderen Nachbarn zu gelangen. Die Uno und renommierte "Nichtregierungsorganisationen" fordern eindringlich, daß diese wichtige Hilfe noch deutlich aufgestockt werden muß, um "den Menschen zu helfen".

So manche afrikanische Regierung wäre ohne unsere Mildtätigkeit vielleicht gar nicht mehr im Amt. Was wäre, wenn ein afrikanisches Volk dahinterkäme, daß sich seine Krankenhäuser nur deshalb in dreckige Pesthöllen verwandeln, weil der Präsident das Staatssäckel für die Villen seiner Sippschaft und sein Altersruhegeld in der Schweiz geleert hat? Unruhen wären die Folge, eine "gefährliche Zuspitzung der Sicherheitslage" würde nahezu unausweichlich. Solange sich indes Europäer, Japaner oder Amerikaner um die Hospitäler kümmern, bleibt die Harmonie zwischen Volk und Führung erhalten. Und wenn es trotz allem doch nicht für alle reicht? Dann ist - siehe Elfenbeinküste - mit den zahlreich anwesenden Europäern wenigstens immer ein Schuldiger zur Hand. Das gilt auch aus Sicht der "kritischen Stimmen" hier in Deutschland. Denn für sie sind die Weißen am Elend des schwarzen Kontinents entweder deswegen schuld, weil sie dort sind - denn schließlich haben sie in Afrika noch immer alles falsch gemacht. Oder sie sind schuld, weil sie nicht dort sind und "Afrika mit seinen Problemen alleinlassen".

Das unterscheidet das gemeine Volk von seinen "kritischen" Erziehern. Jeder weiß, daß die Medaille zwei Seiten hat. Während Normalmenschen aber in der naiven Vorstellung leben, daß dies die Vorder- und die Rückseite sind, hat die intellektuelle Elite aus Sozialwissenschaftlern, Publizisten und Mahnern vor langer Zeit beschlossen, daß es in Wahrheit nur Rück-seiten gibt. Wir haben oben das Urteil darüber gelesen, daß die Deutschen spürbar mehr gespendet haben als andere. Hätten sie deutlich weniger gegeben, wäre der Schuldspruch kaum weniger treffend ausgefallen: "Die Deutschen verdrängen ihre Verantwortung gegenüber den Flutopfern!" Ist es nicht wunderbar? Es kann überhaupt nichts schiefgehen! Sollten sich alsbald die ersten großen Touristenströme wieder nach Thailand und Sri Lanka aufmachen, werden wir wunderbare Bilder bekommen von fetten deutschen Biertrinkern vor Trümmerkulisse. Daneben der entsetzte Kommentar: Wie kann man da jetzt Urlaub machen, geschmacklos! Die ersten derartigen Fotos hatten wir ja schon - bedauerlicherweise stellte sich heraus, daß es sich bei den Schmerbäuchen am thailändischen Strand um freiwillige deutsche Helfer in der Verschnaufpause handelte. Die Bilder wurden daraufhin als medienuntauglich vom Markt genommen - kein Informationswert. Sollten die Urlauber die getroffenen Gebiete hingegen vorerst meiden, wird blanke Empörung darüber einsetzen, daß die "Deutschen die Flutopfer wirtschaftlich im Stich lassen".

Es gibt also kein Entrinnen. Wir werden so oder so heftige moralische Prügel kassieren. Ergo sollten wir versuchen, das Beste draus zu machen. Eine Möglichkeit hierfür ist bereits gefunden: Städtepartnerschaften. Immerhin gibt es in Deutschland bestimmt Zehntausende von Kommunalpolitikern, die noch nie in Thailand waren oder am Strand von Sri Lanka. Zumindest nicht mit Zuschüssen aus der Stadtkasse. Vorerst sind solche Fernreisen ungerechterweise ja nur den ganz Prominenten vorbehalten, die wie Joschka Fischer oder Sabine Christiansen (als Unicef-Botschafterin) runterfliegen, um "sich ein Bild von der Lage zu machen". Ja, reisen bildet. Fraglich indes, was sie da gesehen haben, was nicht schon tausendfach über die Bildschirme gegangen war. Die "Eindrücke", die der Außenminister in den Tsunamiregionen "gewonnen" haben will, besaßen den Neuigkeitswert einer zwei Wochen alten Tageszeitung.

Die Kommunalpolitiker, welche bereits von palmengesäumten Partnerstädten träumen, werden es selbstverständlich weit von sich weisen, daß sie vor allem vom Reisefieber angetrieben werden. Dennoch wird es interessant sein zu beobachten, um welche Regionen sich die Stadtväter besonders bemühen. Ob Somalia auch einen Partner abbekommt? Oder das feuchtheiße Hinterland von Sumatra - vorausgesetzt, die hören mit ihrem Bürgerkrieg auf? Phuket oder die Malediven jedenfalls brauchen sich gewiß keine Sorgen zu machen. Es böte sich sogar an, Partnerschaften mit ihnen öffentlich zu versteigern und den stolzen Erlös für den Wiederaufbau zu spenden.

"Kann ich das hier bei Ihnen lassen?" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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