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12.02.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. Februar 2005

Unverschämtheit / Hatten wir uns nicht geeinigt, daß allein die Bürgerlichen an den Nazis schuld sind, Herr Stoiber?
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hat dem gemeinsamen Ziel aller wirklich demokratischen Kräfte schweren Schaden zugefügt. Die verfehlte Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün treibe der NPD Wähler zu, hat er gesagt. Unglaublich! Zwar stiegen und sanken auch die Wahlergebnisse der NSDAP exakt parallel zur Zahl der Arbeitslosen. Doch mit solcherlei historischen "Wahrheiten" hantieren wie üblich nur jene Gestalten, welche vom eigentlichen Thema ablenken wollen. Der antifaschistische Kern unseres gemeinsamen Geschichtsbildes (an dessen Fabrikation sich Generationen von Politologen, Pädagogen und Extremismusforschern abgearbeitet haben) ist schließlich, daß an Nationalsozialisten ausschließlich die Bürgerlichen, voran die Konservativen, schuld sind.

Es ist noch gar nicht lange her, da bestand hierüber auch noch ein unverbrüchlicher Konsens. Bei der großen Hauptkundgebung zum Aufstand der Anständigen im Jahre 2000 unterm Brandenburger Tor bestiegen Unionspolitiker bereitwillig die Bühne, um sich dort vor aller Welt mit brauner Butter beschmieren zu lassen. Zentralsratschef Spiegel donnerte der anwesenden Angela Merkel (in Anspielung auf mörderische Brandanschläge) zu, ihr Friedrich Merz "zündele" mit dem Begriff "Leitkultur". Die CDU-Chefin versank pflichtschuldigst in Scham und Gram. Auch Friedrich Merz verstand die Ohrfeige und erklärte im Reichstag, die CDU sei auf keinen Fall mehr die Partei der Konservativen. Wolfgang Thierse klärte uns damals darüber auf, daß der Rechtsextremismus "aus der Mitte unserer Gesellschaft" kommt. Er mußte nicht extra anfügen, wessen Klientel er mit jener verruchten "Mitte" meinte. Spiegel und Thierse sind verständlicherweise außer sich über den Regelverstoß des CSU-Chefs, der die Schuld plötzlich nicht mehr allein übernehmen will.

Von ein paar Ausnahmen abgesehen haben die Unionsgrößen glücklicherweise eingesehen, daß Stoiber verraten werden muß. Sie entfernen sich klug und leise von dem unbotmäßigen Bayern und stellen sich schützend vor den antifaschistischen Konsens samt geklärter Schuldfrage. Dieser Konsens allein erlaubt es Schröder, Fischer oder Thierse schließlich, von der Schuld, der Scham und der Verantwortung der Deutschen zu reden, ohne damit jemals sich selbst zu meinen. Sie haben sich doch nicht umsonst im großen Jahr 1968 mit viel Getöse in die Ahnengalerie des antinazistischen Widerstandes eingereiht, in die Phalanx der Unschuldigen, welche die Schuldigen ermahnen und entlarven müssen! Sie schlüpften damals sozusagen in die Rolle der Indianer, die zu spielen ohne Cowboys, die richtig dreckig, feige und gemein sind, natürlich keinen Spaß macht. Um also ihre neue historische Rolle mit Leben zu erfüllen, mußten welche her, die die fiesen Typen abgaben. Wehrmachtsveteranen, Vertriebene und alle, die eher rechts der Mitte standen, kriegten braune Hüte aufgesetzt und durften nach Herzenslust verhauen werden. Irgendwann waren die Veteranen und Vertriebenen aber so alt und so wenige geworden, daß es immer weniger heldenhaft wirkte, sie zu vermöbeln. Die schlechten Fotomontagen der Antiwehrmachtschau waren nur ein fader Ersatz für den richtigen Kick. Also entdeckte man als neue Zielscheibe die "Mitte der Gesellschaft" - und dort mittenmang die Union.

Die spielte auch toll mit und tat den "Indianern" nie wirklich weh. Immer wenn aus dem Spaß Ernst zu werden drohte, lief sie weg, die tapferen Rothäute konnten ihren kampflosen Sieg über die Partei der Täter feiern und die erbeuteten Skalps schwenken. Die schnitten sich die Cowboys zum allgemeinen Gaudium auch noch gegenseitig ab, die Indianer mußten sie dabei nur ein wenig anfeuern. Hohmanns Schopf ist noch ganz warm.

Doch dann Stoiber: Statt wie üblich wegzurennen, bleibt er frech stehen und zeigt mit dem Finger auf jene, welche doch die Guten spielen. Alles gerät durcheinander. Höchste Zeit um aufzuräumen und die Ordnung wiederherzustellen, in der jeder sofort sehen kann, wer was ist. Die schönste Ordnung ist die Marschordnung, weshalb der Kanzler für den 8. Mai zur großen antifaschistischen Manifestation nach Berlin trommelt, zum zweiten "Aufstand der Anständigen".

Die Unanständigen sind dann endlich wieder die aus der "Mitte", die sich nicht einreihen beim Kampftag der Toleranz. Angela Merkel wird im Heizungskeller der CDU-Zentrale Zuflucht suchen und sich ihrem moralischen Untergang entgegendementieren. Oben werden Thierse und Spiegel und Schröder mahnend den Stab über der "Mitte der Gesellschaft" brechen und wir alle werden so angeekelt wie möglich auf die Union gucken.

Ein Trost für die Schwarzen: Sie werden nicht allein sein, wenn man sie mit Pech übergießt. Gustav Adolf Horn, Volkswirt bei der DGB-eigenen Hans-Böckler-Stiftung, hat dienstagfrüh entdeckt, daß auch die deutsche Wirtschaft, namentlich Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der NPD Wähler verschafft. SPD-General Benneter will dem Geldhaus am liebsten den Namen "Deutsche" wegnehmen, weil es unpatriotisch sei und Hessens SPD-Chefin Ypsilanti weiß auch noch, wie man mit solchen Elementen zu verfahren hat: Boykott! Na ja, ziemlich lauwarm. Wo bleiben die sonst so redefreudigen Verfassungsrichter, die uns über die Aussichten eines Verbotsverfahrens gegen die Deutsche Bank aufklären?

Warum indes der angekündigte Abbau von 6.200 Stellen (davon 2.000 in Deutschland) durch die Deutsche Bank die Wiedergeburt des Nationalsozialismus mitverursachen soll, während die Zahl von fünf bis acht Millionen bereits Arbeitslosen darauf angeblich überhaupt keinen Einfluß hat - das bleibt ein Rätsel, das nur volkspädagogisch zu entschlüsseln ist. Deshalb will Wolfgang Thierse bald ins besudelte Sachsen reisen und den Menschen bekanntmachen, daß die NPD gar keine Konzepte zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit hat. Aber wenn ihm nun einer die sperrige Gegenfrage stellt, was denn die "Konzepte" der Bundesregierung gegen die Arbeitslosigkeit sind? Keine Sorge: Damit hätte er ja die Inkompetenz der Bundesregierung in die Nähe der Inkompetenz der NPD gerückt und so die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen relativiert. Dafür gibt's bis zu fünf Jahre Knast. Thierse kann also getrost fahren und ganz ungehemmt in den "offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern" treten.

"Ist es noch weit?" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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