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19.02.05 / Gott grüß' die Kunst / Germanisches Nationalmuseum Nürnberg zeigt Buchschätze

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. Februar 2005

Gott grüß' die Kunst
Germanisches Nationalmuseum Nürnberg zeigt Buchschätze

Unter dem Titel des traditionellen Zunftspruchs "Gott grüß' die Kunst" zeigt die Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums vom 24. Februar bis zum 29. Mai rund 120 Pressendrucke und illustrierte Bücher aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dem Ausruf "Gott grüß' die Kunst" drücken Buchdrucker und Schriftsetzer ihre besondere Fertigkeit, ihre handwerkliche Meisterschaft aus, mit der sie Bücher herstellen. Ob Kunst tatsächlich von Können kommt, mag dahingestellt bleiben. Der große Komiker Karl Valentin ist jedenfalls anderer Meinung: "Was die Leut alleweil für Tanz machen mit dera Kunst. / Wenn ma wos ko, is's koa Kunst nimma, / und wenn ma's net ko, ist's erst recht koa Kunst." Obwohl das gedruckte Buch ein technisches Produkt ist, dessen elementare Voraussetzungen Schrift, Satz und Druck sind, kann es in der Ausstellung als Kunstwerk erlebt werden.

Pressendrucke, die unter anderen Bedingungen als das Gebrauchsbuch hergestellt wurden, nehmen in der Nürnberger Ausstellung eine Sonderstellung ein. Sie entstanden im Handsatz, wurden auf der Handpresse abgezogen und sorgfältig gebunden. Sie gaben in typographischer Gestaltung und drucktechnischer Ausführung beispielhafte Muster vor. Dies konnte um so leichter gelingen, weil Privatpressen mehr als Liebhaberei als aus Profitinteresse betrieben wurden. Ihr Ziel war die bestmögliche Lesbarkeit durch die Verwendung ausdrucksfähiger Schriften, durch den Einsatz einer überlegten Satzanordnung und Textgliederung sowie den harmonischen Ausgleich aller Maßverhältnisse. Es ging darum, einem geistigen Inhalt zur angemessenen materiellen Realisation zu verhelfen. Im Zentrum der Ausstellung stehen Werke aus den seit 1907 in Deutschland tätigen Privatpressen.

Die zwischen 1911 bis 1944 aktive Bremer Presse schuf typographische Meisterwerke. Ihre Arbeiten wie der 1929 in einer Gesamtauflage von nur 168 Exemplaren gedruckte Luther-Psalter zeichnen sich durch Reduzierung der typographischen Mittel und sparsame Verwendung des Buchschmucks aus. Gleichwohl gehörte der Luther-Psalter bereits 1929 zu den schönsten 50 Büchern des Jahres. Aus Nürnberger Sicht verdienen auch die Rudolfinischen Drucke besondere Erwähnung, die der große Nürnberger Schreibmeister Rudolf Koch zusammen mit dem Drucker Rudolf Gerstung von 1911 bis 1926 in Offenbach a. M. verlegte. Koch, dessen Künstlerleben von biblischen Themen beherrscht war, wandte sich gegen "das Liebhabermäßig-Luxuriöse" anderer Handpressen. Sein Blockbuch "Die Heilung eines Besessenen" zeichnet sich dadurch aus, daß der aus dem Lukas-Evangelium ausgewählte Text durch seine Schrift einen expressiven, höchst individuellen Ausdruck erhält.

Zu diesen vornehmlich typographisch wirkenden Büchern treten in der Ausstellung illustrierte Bücher hinzu. Verlage wie Eugen Diederichs, der Insel-Verlag, der Verlag Georg Müller und später die Verlage Ernst Rowohlt und Kurt Wolff trugen die Gestaltungsprinzipien der neueren deutschen Buchkunstbewegung durchaus mit. Allerdings gaben sie ihren Büchern häufig Illustrationen und buchgraphischen Schmuck bei. Die anschaulichen Bilder beleben die Texte und rufen Empfindungen hervor. Unter den Illustratoren befinden sich namhafte Künstler wie Max Klinger, Oskar Kokoschka, Ernst Ludwig Kirchner und Wassilij Kandinsky. Berühmt wurden Kirchners Holzschnitte für die Gedichtsammlung "Umbra Vitae" von Georg Heym, die 1924 von Kurt Wolff verlegt wurden. Kirchner hatte sich schon seit 1919, also kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs, mit diesen düsteren, eine Weltkata-strophe ankündigenden Gedichten auseinandergesetzt und begonnen, sie zu illustrieren. Das in einer kleinen Auflage gedruckte Werk zählt zu den gesuchtesten Büchern des deutschen Expressionismus. Schon die Farbholzschnitte des Einbands sind Programm. Sie zeigen vorn ein gequältes Frauenantlitz, das zum eigenen Schatten auf dem hinteren Buchdeckel blickt.

Die Ausstellung zeigt Bücher von hohem gestalterischen Niveau und möchte dadurch die Sensibilität für die Qualität von Schrift und Layout erhöhen. Durch das vor 30 Jahren begonnene Zeitalter des Desktop-Publishing ist heute jeder Besitzer eines Computers in der Lage, ein Satzdokument aus den zahllosen zur Verfügung stehenden Schriftfonts herzustellen und zu vervielfältigen.

Doch verfügen nur wenige über eine Kenntnis der sinnvollen Regeln und Erfahrungen, die in den Jahrhunderten der Druckgeschichte gesammelt worden sind. Dabei sind auch heute noch viele Überlegungen nötig, um eine Drucksache, besonders ein Buch, entstehen zu lassen.

Die Buchgestaltung fängt mit der Entscheidung für ein bestimmtes Format, mit der Wahl eines geeigneten Papiers und einer dem Inhalt angemessenen Schrift an. Es folgen die Festlegung der Größe der Schriften, des Satzspiegels und der Seitenränder. Der Text muß durch Kapitel, durch Absätze mit Einzügen oder Initialen gegliedert werden. Die Stellung der Seitenzahlen, der lebenden Kolumnentitel und der Abbildungen will überlegt sein. Aber es gilt auch den Zeilenabstand, den Aufbau des Titelblatts sowie des Inhaltsverzeichnisses anzugeben. Schließlich müssen Material und Gestaltung des Einbands und des Schutzumschlags entschieden werden. Wie all diese buchgestalterischen Besonderheiten von Meisterhand umgesetzt wurden, verdeutlichen die ausgestellten Exponate.

Zur Ausstellung erscheint ein Bestandskatalog von Eduard Isphording zur Buchkunst aus deutschen Handpressen und Verlagen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus der Sammlung der Bibliothek des Germanischen Nationalmuseums zu Nürnberg. Eduard Isphording /Johannes Pommeranz

Zählt zu den Höhepunkten der Buchkunst: Die Holzschnitte von Ernst Ludwig Kirchner für die Gedichtsammlung "Umbra Vitae" von Georg Heym (1924) Foto: GMN


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