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26.02.05 / Reporter mit spitzem Stift / Eine Ausstellung in Düsseldorf würdigt die Bedeutung der Zeichnung als Reportage

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. Februar 2005

Reporter mit spitzem Stift
Eine Ausstellung in Düsseldorf würdigt die Bedeutung der Zeichnung als Reportage

Immer wieder faszinierend und erstaunlich realistisch sind die Zeichnungen meist ungenannt bleibender "Künstler", die Angeklagte, Zeugen und Kläger mit schnellen Strich aufs Papier bannen und so Zeugnis ablegen von dem Geschehen im Gerichtssaal. Was früher gang und gäbe war, kannte man doch noch keine Fotografie, geschweige denn elektronische Medien, ist heute nur noch zu sehen, wenn die Öffentlichkeit bei einem Prozeß ausgeschlossen wird. Überhaupt war die Zeichnung aus dem alltäglichen Leben früherer Zeiten nicht wegzudenken. Kaum eine Zeitung im frühen 20. Jahrhundert, die nicht Zeichner beschäftigte und sie wie Reporter zu spannendem Geschehen entsandte. Die Berliner Illustrierte Zeitung (BIZ) war einer der Vorreiter.

Egon Erwin Kisch umriß im Vorwort zu seinem Buch "Der rasende Reporter" (1927) die Aufgaben eines Berichterstatters: "Der Reporter hat keine Tendenz, hat nichts zu rechtfertigen und hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen Zeuge zu sein und eine unbefangene Zeugenschaft zu liefern ..." Worte, die auch für die "Reporter mit dem Skizzenblock" gelten. Genau zu beobachten, neugierig zu sein und unparteiisch - das war ihre Aufgabe. Selbst als die Fotografie aus den Kinderschuhen heraus war, zog man die Zeichnung vor. Die Reporter mit dem spitzen Stift konnten nicht nur politische oder intellektuelle Zusammenhänge besser darstellen als die frühen Fotografen, sie waren auch überlegen, wenn es galt, Bewegungsabläufe zu zeigen. So waren auf den Genfer Völkerbundkonferenzen 1928 und 1932 der berühmte Fotograf Erich Salomon aus Berlin und der Pressezeichner Emil Stumpp gleichzeitig am Werk. Und noch heute haben die Zeichnungen Stumpps mehr Ausstrahlung als die ganz gewiß auch spektakulären Fotos von Erich Salomon.

Selbst heute traut man der Zeichnung oft mehr zu als der Fotografie, zumal im Zeitalter der digitalen Fotografie die Möglichkeiten des Fälschens geradezu ungeheuerlich sind. Die Zeichnung, "dieses chronisch unterschätzte Medium", steht nun im Mittelpunkt einer Ausstellung, die, nachdem sie im Kunstverein Hannover gezeigt wurde, jetzt in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen ist (bis 24. April; Katalog). Unter dem Titel "Tauchfahrten - Zeichnung als Reportage" sind neben dokumentarischen Zeichnungen auch Mangabilder aus Japan aus der Zeit um 1850 und moderne Comics ausgestellt. Da sieht man aber auch

sogenannte Tatortzeichnungen von Tajana Bergius oder Gerichtszeichnungen von Erich Dittmann, der unter anderem beim Baader-Meinhof-Prozeß akkreditiert war. Es waren vor allem seine Zeichnungen, die das Bild vom Geschehen in den bundesdeutschen Gerichtssälen prägte.

Ein Geschehen der besonderen Art verfolgt der Wissenschaftler Wolfgang Grunwald, der Nervenzellen des Gehirns mit dem Bleistift darstellt. Krieg und Tod sind in den Zeichnungen der Engländerin Linda Kitson zu finden. Sie war offizielle Kriegskünstlerin der British Task Force während des Falklandkrieges 1982 und fertigte in wenigen Wochen über 400 Zeichnungen von dem Geschehen an. Die Skizzen in schwarzweiß wirken wie flüchtig aufs Papier geworfen, während die Aquarelle, die der Amerikaner John Singer Sargent im Ersten Weltkrieg schuf, einen geradezu eleganten und künstlerischen Eindruck erzielen. Unmittelbar und direkt sind alle die Reportagezeichnungen, und so ziehen sie den Betrachter ebnso direkt mit hinein ins Geschehen. Silke Osman

Tatortzeichnung damals: Harmonisch komponiert wirkten diese Zeichnungen wie eine Darstellung bürgerlichen Lebens - allerdings mit einer Markierung, die eine solche Harmonie störte: der Position der Leiche. Heute geht es um die zentimetergenaue Abmessung der Abstände zwischen einzelnen wichtigen Fundstücken. Foto: Julius Schlattmann / Katalog


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