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26.02.05 / Alles ganz einfach / Betrachtung über den Frühling 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. Februar 2005

Alles ganz einfach
Betrachtung über den Frühling 
von Willi Wegner

Ein bißchen verfrüht, ich sehe es ja ein. Man könnte sagen, im Februar schon über den Frühling zu schreiben, sei unlauterer Wettbewerb. Aber ich bin nun einmal in den Frühling vernarrt, in jeden Frühling, am meisten jedoch in den gerade bevorstehenden.

Ist jemand vernarrt in eine schöne Frau, und er verabredet sich mit ihr - beispielsweise unter der Normaluhr oder sonstwo -, so liegt's im Bereich der Möglichkeit, daß sie ihn aufsitzen läßt. Der Frühling indessen ist zuverlässig, er kommt bestimmt! Und das ist das Schöne an der Geschichte: Man hat die Gewißheit und kann sich darauf einrichten ...

Man trifft halt schon seine Vorbereitungen! Ich habe zum Beispiel gestern das große Ölgemälde über meinem Schreibtisch entfernt. Es zeigte das kleine Kirchlein zu Colza in der Oberen Carnia in den italienischen Alpen. Ein Bild von Eis und Schnee. Statt dessen habe ich mir die Reproduktion einer zartgrünüberhauchten Frühlingslandschaft gekauft und an derselben Stelle aufgehängt. Vielleicht hilft's, den Einzug derjenigen, in die ich so vernarrt bin und auf die ich sehnlichst warte, zu beschleunigen.

Ich habe meiner "möblierten Zimmerwirtin" zum erstenmal die Monatsmiete pünktlich gegeben und sie gebeten, wieder einmal die Fenster meines Zimmers zu putzen und - wenn möglich - die Gardinen zu wechseln. Wenn sie mir vorwirft, daß die Gardinen deshalb so trübe aussähen, weil ich mir immer noch nicht das elende Qualmen von Zigaretten abgewöhnt hätte, nehme ich mir vor, das, was ich mir schon in der Silvesternacht vorgenommen hatte, nunmehr in die Tat umzusetzen. Ich werde nicht mehr rauchen. Ab sofort!

Inzwischen bin ich auch bereits dazu übergegangen, der Blumenfrau bei uns an der Ecke freundlich zuzunicken und meinen Kohlenhändler nicht weiter zu beachten. Ich habe mir auch schon den Wortlaut für eine Kleinanzeige in meiner Zeitung ausgedacht: "Biete gut erhaltenen Wintermantel sowie ein paar Schlittschuhe Marke ‚Oslo' nebst kompletter Skiausrüstung - suche Faltboot (Zweisitzer?!)"

Ich habe sogar - endlich! - die kleine blonde Verkäuferin aus der Feinkosthandlung Dornbach angesprochen. Ich habe gesagt: "Entschuldigen Sie, aber ich beobachte Sie nun schon seit dem 4. Oktober vorigen Jahres ..." Darauf sie: "Sind Sie immer so stürmisch?" Hierauf ich: "Ja, denn ich möchte Sie zu einem Wochenendausflug in meinem Faltboot einladen!" Die kleine Blonde zieht die Luft durch die Nase. Dann sagt sie: "Wie kommen Sie denn darauf? Sie sind ja viel zu alt und haben eine Stirnglatze! Außerdem schneit es ja noch!"

Ja, natürlich, es schneit noch - aber der Frühling ist nun gar nicht mehr weit. Und er ist so außerordentlich verläßlich - er kommt bestimmt! Und warum, da man doch so vernarrt in ihn ist, soll man nicht schon seine Vorbereitungen treffen? Wollen wir doch ehrlich sein: Wir warten ja alle auf ihn! Du und du und du und du - und ich. Denn mit jedem neuen Frühling kommt auch wieder ein bißchen mehr Hoffnung in unser Herz - und das ist gar nicht so verkehrt. Es ist Voraussetzung für die Erfüllung vieler unserer Wünsche.

Denn unendlich viele Wehwehchen sind plötzlich weggeweht, man fühlt sich wohler, vertippt sich nicht mehr so oft am Laptop, wählt die richtigen Telefonnummern, grüßt versehentlich nicht nur fremde Leute, sondern in erster Linie die, die man kennt. Und wenn man Glück hat, freuen die sich ebenfalls und grüßen erfreut zurück. So einfach ist das alles. Und so schön.


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