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05.03.05 / Studiengebühren als Allheilmittel? / Studenten zur Kasse zu bitten kann die Probleme der Hochschulen nicht lösen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. März 2005

Studiengebühren als Allheilmittel?
Studenten zur Kasse zu bitten kann die Probleme der Hochschulen nicht lösen
von George Turner

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, mit dem das Verbot der Erhebung von Studiengebühren für unzulässig erklärt wird, löst – je nach Standpunkt – Befürchtungen oder Zustimmung aus. Einig ist man sich, daß die Gebühren sozialverträglich sein sollen, das heißt keinen Abschreckungseffekt mit sich bringen dürfen, und daß die Einnahmen den Hochschulen zusätzlich zur Verfügung stehen müssen. Beides ist mehr oder weniger fragwürdig.

Der am häufigsten gehörte Vorschlag lautet, daß Studierende zunächst Beiträge in Höhe von 500 Euro entrichten sollten. Dies sei zumutbar; schließlich leisteten sich viele von ihnen auch Urlaub und Autos. Dieser Hinweis wird von den einen als populistisch abgetan, von anderen ist ihm der Applaus sicher.

Eine grobe Aufteilung der Studierenden ergibt folgendes Bild: Finanziell bedürftige Studierende erhalten BaföG (und könnten von Gebühren befreit werden). Gut situierte sind (unter anderem) mit Pkw ausgestattet. Für sie sind die Gebühren keine Belastung. Dazwischen gibt es ein breites Mittelfeld und innerhalb dieses einen Sektor, der bei der Förderung nach dem BaföG durch den Rost fällt. Das sind unter anderem die Kinder von Eltern, die über ein Einkommen verfügen, das just über der für das BaföG gezogenen Grenze liegt.

Der Hinweis, daß es ja schließlich auch noch Stipendien gäbe, verfängt nicht. Denn so wie es bei der finanziellen Ausstattung jene drei Gruppierungen gibt, ist es auch bei den Fähigkeiten. Neben herausragenden Studierenden, welche die Voraussetzungen für die Gewährung von Stipendien erfüllen, gibt es andere, die davon hoffnungslos entfernt sind. Auch hier existiert wieder ein mittlerer Bereich zwischen beiden. Die Gegenüberstellung zeigt: die finanziell unabhängigen, von den Leistungen her mittelmäßigen, sogar dieses Niveau unterschreitenden Kandidaten können unbesorgt ein Studium aufnehmen, die durchschnittlich Befähigten, die nicht über die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten verfügen, können es nicht, weil sie im Zweifel auch kein Stipendium erhalten. Man mag meinen, dies sei individuell zwar bedauerlich, im Interesse der Gesamtheit aber nicht besonders tragisch, schließlich seien es ja keine Spitzenkönner, die auf diese Weise an einer akademischen Ausbildung gehindert seien, eben nur „Mittelmaß“. Eine solche Betrachtungsweise verkennt, daß jede Gesellschaft auch Angehörige braucht, die den guten Durchschnitt repräsentieren. Sie bilden das gesunde Fundament oder Rückgrat jeder Gemeinschaft. Nur „Eierköpfe“ täten sicher nicht gut. Im übrigen: Der Anteil der Hochschulzugangsberechtigten an der entsprechenden Altersgruppe beträgt derzeitig 38 Prozent. Dies halten viele im Vergleich mit dem Ausland für zu gering. Woher aber soll eine Steigerung kommen, wenn das Reservoir befähigter, nur nicht als Überflieger einzustufender junger Menschen nicht ausgeschöpft wird? Auch der Hinweis, der Staat müsse Kredite und Bürgschaften bereit stellen, führt nicht weiter, jedenfalls dann nicht, wenn man ein „gerechtes“ System entwickeln will. Jene Angehörigen der „Mittelschicht“ könnten vielleicht ein Darlehen aufnehmen; die schlechter Qualifizierten, die aber über private finanzielle Mittel verfügen, brauchen eine solche Belastung nicht einzugehen. Also könnten minder befähigte Kinder von Chefärzten studieren, die besser qualifizierten von Putzfrauen aber nicht, um dies von der Politik eingeführte Beispiel aufzugreifen. Solange auf solche Fragen keine Antworten gegeben werden, wird es bei einem gewissen Unbehagen bleiben.

Durch die Studiengebühren sollen die Universitäten zusätzliche Einnahmen erlangen. Dieser Erwartung liegt eine schwerwiegende Fehleinschätzung zugrunde. Auch wenn die Gebühren bei der Hochschule direkt eingezahlt, die Posten gesondert ausgewiesen werden und die politische Zusage erfolgt, daß dies nicht auf den Hochschuletat angerechnet werde, kann man getrost Wetten annehmen, welche Entwicklung die Dinge nehmen werden. Eine „Garantie“ über den Zugewinn für die betroffenen Hochschulen mag bestenfalls für ein oder zwei Haushaltsjahre halten. Danach wird bei der Festlegung des Zuschusses oder des Etatansatzes vorweg seitens der für die Finanzen eines Landes Verantwortlichen das Aufkommen durch Gebühren berücksichtigt werden. Man wird dies gewissermaßen „im Sinn“ haben, wenn man den Etat aufstellt. Durchsetzbar ist ein anderes Verhalten nicht. Die Mittel, welche den Universitäten zur Verfügung gestellt werden, unterliegen der Beschlußfassung durch das Parlament. Die Höhe ist abhängig von der jeweiligen Finanzkraft und den zu setzenden Prioritäten. Es gibt bei einem jährlich zu verabschiedenden Etat keine Möglichkeit der Kontrolle, ob die Gebühren wirklich nicht berücksichtigt werden. Selbst ein Vergleich mit dem Vorjahr hilft nicht weiter, weil Kürzungen immer wieder nötig sind. Die einzige Möglichkeit, jedenfalls auf Zeit eine Sicherheit für zusätzliche Einnahmen durch die Erhebung von Gebühren zu erlangen, sind Hochschulverträge. Wenn diese eine bestimmte feste Summe ausweisen, welche die betreffende Hochschule für die Laufzeit des Vertrages erhält, sind Gebühren eine zusätzliche Einnahme. Bei einem neuen Abschluß tritt dann jene Automatik ein, die sonst bei jeder Etataufstellung droht.

Wenn also leidenschaftlich für die Einführung von Studiengebühren gefochten wird, damit die Universitäten eine zusätzliche Einnahmequelle erhalten, wird die Wirklichkeit außer Acht gelassen. Das ist entweder naiv oder offenbart Unkenntnis über die Art und Weise, wie ein Haushalt zustande kommt.

Es gibt gute Gründe, die dafür sprechen, angehende Akademiker finanziell an ihrer Ausbildung zu beteiligen. Nur wäre es ehrlicher, die Schwachpunkte nicht zu übersehen: Es wird greifbare Ungerechtigkeiten geben und die Hochschulen werden bestenfalls kurzfristig davon profitieren. Das zeigt, daß allein die Einführung von Studiengebühren nicht geeignet ist, die Misere an den deutschen Hochschulen zu überwinden. Es bedarf eines ganzen Bündels von Maßnahmen, die gleichzeitig umgesetzt werden müssen (PAZ, Folge 5). Einzelne Maßnahmen lösen meist noch nicht einmal ein konkretes Problem. So kann die Einführung von Studiengebühren vor allem nicht die finanziellen Engpässe der Hochschulen beseitigen. An den meisten Einrichtungen besteht ein deutliches Mißverhältnis von personeller und sächlicher Ausstattung im Verhältnis zur Zahl der Studierenden. Auch bei den Betroffenen werden neue Schwierigkeiten auftreten. Deshalb wären die Länder gut beraten, sofern sie Studiengebühren einführen wollen, dies mit Maßnahmen zu kombinieren, die geeignet sind, die genannten Probleme zu lösen.

Ist Bildung bald eine Frage des Geldes statt der Intelligenz? Viele fürchten das bei Studiengebühren die soziale Gerechtigkeit auf der Strecke bleibt. Foto: vario press


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