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19.03.05 / "Ich habe Angst um Europa" / Tschechischer Präsident Vaclav Klaus bezeichnet die EU-Verfassung als Gefahr für die Freiheit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. März 2005

"Ich habe Angst um Europa"
Tschechischer Präsident Vaclav Klaus bezeichnet die EU-Verfassung als Gefahr für die Freiheit

Der Prozeß der Ratifizierung in Europa hat einen guten Start genommen", sagte das Vorstandsmitglied der in Spanien regierenden Sozialisten (PSOE) José Blanco zu dem aus seiner Sicht positiven Ergebnis des Referendums zur EU-Verfassung. Fast "80 Prozent der Spanier" stimmten mit einem Ja für die Verfassung und stellten somit die von ihrem Premier Zapatero als so wichtig betonten Weichen für alle anderen Europäer. Daß diese "80 Prozent" allerdings nur 32,8 Prozent der Wahlberechtigten waren - ganze 59 Prozent enthielten sich - wurde lieber unter den Tisch gekehrt. Schließlich sollte die Volksabstimmung Mitte Februar in Spanien ein Signal geben für neun weitere EU-Staaten - Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Portugal und Tschechien -, in denen ebenfalls Referenden vorgesehen sind. In den meisten Mitgliedsstaaten der EU, darunter Deutschland, erfolgt die Ratifizierung per Parlamentsbeschluß. In Ungarn, Litauen und Slowenien ist dies bereits geschehen. Deutschlands Bundestag soll auf Bitten Frankreichs jetzt auch noch schnell am 12. Mai seine Zustimmung zur EU-Verfassung geben, da Jacques Chirac so hofft, seine unentschiedenen Franzosen eher auf Linie zu trimmen.

Doch kaum ist das Datum genannt, an dem der deutsche Bundestag ohne Befragung des Volkes über etwas so wichtiges wie die Annahme der EU-Verfassung bestimmt, startet der tschechische Präsident Vaclav Klaus in Deutschland seinen Kampf gegen die für ihn völlig unnötige Verfassung. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung führt er aus, warum eine gemeinsame Verfassung für ihn die Gefahr in sich birgt, daß "Europa sich von Demokratie und Freiheit löst". So sei er davon überzeugt, daß eine Demokratie einen einheitlichen Staat als Grundlage braucht. Zur Demokratie brauche man den Demos, als ein Volk, und das habe man in Europa nicht und werde man auch so schnell nicht haben. Vergleiche mit den USA seien falsch. Die Unterschiede zwischen Texas und Massachusetts seien unvergleichlich geringer als die von Finnland, Griechenland, Irland und Portugal.

Vaclav Klaus tut mit seiner offenen Stellungnahme gegen die EU-Verfassung vor allem seiner eigenen Regierung keinen Gefallen. Diese ist nämlich für die EU-Verfassung, und da in der Tschechei das Volk sogar abstimmen darf, könnte er die erhofften Mehrheiten zerstreuen. Aus Sicht des Präsidenten ist dies auch kein Problem, denn "diese Verfassung ist so leer und so schlecht, daß es ihr Verteidiger wirklich viel schwerer haben als ihre Gegner". Zu seinem Bedauern ist diese Erkenntnis allerdings noch nicht überall angekommen. Auch sieht er sich keineswegs als Störfaktor. "Ich hoffe doch, daß das demokratische Niveau in Europa heute noch so hoch ist, daß es möglich ist, Ja und Nein gegenüberzustellen. A priori zu sagen, daß nur ein Ja möglich und erlaubt ist, daß ist die Tragödie der Europäischen Union", einer Union, die für ihn immer mehr zur postdemokratischen Institution verkommt.

Auch wenn es nicht so scheinen mag, der tschechische Präsident ist durchaus ein Befürworter der Europäischen Union. Er ist für die europäische Integration, für die Öffnung Europas, für die Abschaffung der verschiedenen Barrieren, welche die freie Bewegung der Güter, Menschen und Ideen beschränken. Was er jedoch mit voller Vehemenz ablehnt, ist eine Vereinheitlichung. "Ich beobachte den Übergang von der Integration zur Vereinheitlichung schon seit längerem, er ist für mich mit Jacques Delors und dem Maastricht-Vertrag verbunden." Je mehr Bereiche die EU anspreche, desto mehr müsse von oben vorgegeben werden und desto komplizierter werde das System. Dies sei eine gefährliche Entwicklung, die Klaus noch aus kommunistischen Zeiten zu genüge kenne und die er wahrlich nicht gutheißen könne.

Zu seinem großen Bedauern teilten nur die wenigsten Politiker in den EU-Mitgliederstaaten seine Bedenken. Sie seien es zudem, die das eigentliche Interesse an einer übermächtigen EU hätten, denn leider sei die Debatte über die Verfassung in den Händen der "Europäisten", Leuten, die letztendlich von der EU lebten. "Für diese Leute, die in Venedig frühstücken, in Dublin zu Mittag essen und am Abend in Stock-holm dinieren, gilt Kunderas ,unerträgliche Leichtigkeit des Seins': für die ist das das Paradies, das sie verteidigen müssen." Die normalen Leute, die große Mehrheit, die müßten jedoch gegen die EU-Verfassung sein.

Die normalen Leute in Deutschland hingegen werden gar nicht erst gefragt. Sie müssen alles über sich ergehen lassen, was die Abgeordneten im Bundestag für sie entscheiden. Wohlweislich, denn Gerhard Schröder hätte mit den Emotionen der Deutschen kein so leichtes Spiel wie Zapatero in Spanien. Als Nettoempfänger ist einem schließlich leichter ums Herz denn als Nettozahler in einem überschuldeten Staat. "In Deutschland aber wird es wohl kein Referendum über die EU-Verfassung geben, wie es auch keines über den Euro gegeben hat, weil absehbar war, daß es negativ ausgehen würde", so der Tscheche ganz nüchtern über nur eines der aus seiner Sicht irreparablen Demokratiedefizite der EU. R. Bellano

 Spiel mit Emotionen: Mit großem medialen Aufwand hat Spaniens Premier José Luis Rodríguez Zapatero sein Volk auf ein Ja zur EU-Verfassung eingestimmt. Foto: Reuters


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