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26.03.05 / Die Balkan-Heuchelei der EU / Was die Türkei Kroatien voraus hat 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. März 2005

Die Balkan-Heuchelei der EU
Was die Türkei Kroatien voraus hat 
von R. G. Kerschhofer

Türken müßten wir sein! So denken viele Kroaten, seit die ihnen zugesagten EU-Beitrittsverhandlungen auf unbestimmte Zeit "verschoben" wurden. Türken müßten wir sein, denn die durften einen Völkermord an den Armeniern begehen. Und leugnen dürfen sie ihn obendrein. Sie dürfen ab und zu im Nord-Irak einmarschieren. Sie dürfen den Nordteil des EU-Mitglieds Zypern besetzt halten. Sie dürfen die Kurden unterdrücken und dezimieren. Und sie dürfen Andersgläubige diskriminieren. Ja, als Türken wären wir der EU willkommen - aber wir leben in Mitteleuropa, nicht in Asien, und wir sind bloß Katholiken, keine Muslime.

Die EU hatte als Bedingung gestellt, Kroatien müsse "alle Kriegsverbrecher" ausliefern - die werden nämlich gebraucht, damit das sündhaft teure Tribunal in Den Haag seine Existenz rechtfertigen kann. Und Kroatien hat dies erfüllt, allerdings mit einer Ausnahme: Der als Kriegsheld verehrte General Gotovina ist untergetaucht - wahrscheinlich mit Hilfe der früheren kroatischen Regierung. Aber welche Perfidie, dies der jetzigen Regierung vorzuwerfen und deswegen die Verhandlungen abzublasen! Kroatien müsse seine "volle Zusammenarbeit beweisen", heißt es - das läuft ja auf eine Umkehr der Beweislast hinaus!

Der Zynismus, mit dem der Beitrittswerber Kroatien behandelt wird, ist ohne Beispiel. Doch er hat Gründe: Die "Entente" verzeiht nicht, daß Kroatien im Zweiten Weltkrieg auf der falschen Seite stand. Erst recht nicht, daß es "Rückfalltäter" wurde und sich 1991 erneut selbständig machte. Und schon gar nicht, daß es sein eigenes Staatsgebiet von der Soldateska eines Milosevic befreite. So etwas ist keine legitime "Résistance" und kein "Großer Vaterländischer Krieg".

Daß sich gegen Kroatien primär Großbritannien hervortat, während Frankreich eher leisetrat, hat auch seinen "guten" Grund: Der einstige Fremdenlegionär Gotovina besitzt einen französischen Paß! Die Kroatien-Fürsprecher Österreich, Ungarn, Slowenien und die Slowakei hatten natürlich keine Chance - und da fällt einem ein, daß Frankreichs Außenminister Dumas 1990 ironisch gemeint hatte, Österreich sei gerade dabei, den Ersten Weltkrieg zu gewinnen ...

Erwartungsgemäß erhob das Tribunal in Den Haag nun auch Anklage gegen den kosovarischen Ministerpräsidenten und früheren Milizenführer Haradinaj. Eher überraschend kam, daß dieser sofort sein Amt niederlegte und sich dem Gericht stellte. Seine demonstrative Unschuldsbeteuerung wird ihm aber wenig helfen, denn das Tribunal muß Schuldige "auf beiden Seiten" produzieren - selbst wenn es damit neue Gewalt auslöst! Und als Vorgeschmack kam prompt ein Anschlag auf den Kosovo-Präsidenten Rugova.

All das trifft auch Montenegro: Weil das kleine Land der EU beitreten möchte, muß es sämtlichen Brüsseler Forderungen nachgeben. So wurde ihm vor zwei Jahren die Konföderation mit Serbien aufgezwungen. Da aber Serbien noch sehr weit von der EU entfernt ist, unternimmt Montenegro große Anstrengungen, wieder loszukommen. Doch es wird mit dem "Argument" hingehalten, daß zuerst die Kosovo-Frage gelöst werden müsse. Und genau diese Lösung, für die es noch nicht einmal Konzepte gibt, wird von Den Haag erschwert, wenn nicht verhindert! Bei einer Podiumsdiskussion vorige Woche in Wien fand Außenminister Vlahovic deutliche Worte: Es fiel das Wort Geiselhaft - sowohl in Bezug auf Montenegro als auch auf Kroatien.

Man bastelt eben längst an einer Art Ersatz-Jugoslawien, das irgendwann als ganzes in die EU aufgenommen werden soll - "West-Balkan" ist der diplomatische Deck-

name für das Phantasiegebilde. Und mit dem Haager Justiz-Spektakel führt man die Welt ebenso hinters Licht. Denn was angeblich dazu da ist, die jugoslawische Tragödie "aufzuarbeiten", hat mit Recht und Gerechtigkeit wenig zu tun. Es soll vielmehr die historische Schuld jener Mächte vertuschen, die 1918 für das Konstrukt Jugoslawien verantwortlich waren. Und daß man heute so krampfhaft "auf beiden Seiten" Kriegsverbrecher jagt, stützt die Hypothese, daß es im Weltkrieg nur auf einer Seite Kriegsverbrechen gegeben habe.

"Es gibt hier keinen Gotovina": Obwohl die Kroaten eindrucksvoll immer wieder beteuern, daß der vom Den Haager Kriegsverbrechertribunal gesuchte General nicht mehr im Land sei, verlangt die EU für die Aufnahmeverhandlungen seine Auslieferung. Foto: Reuters


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