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26.03.05 / Ein kleines Osterwunder

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. März 2005

Ein kleines Osterwunder
von Gabriele Lins

Der Kleine wurde am Ostermontag getauft. Trotz der schönen kirchlichen Feier war die Stimmung im Saal, in dem die vornehmen Gäste nun beim Festessen saßen, steif und ungemütlich. Luise Singer sah in die gleichgültigen Gesichter um sich herum und legte ihr Besteck hin, als habe sie plötzlich der Appetit verlassen. Man hatte sie als ehemalige Kinderfrau des jungen Vaters anstandshalber eingeladen, aber am liebsten hätte man es gelassen, das fühlte sie. War sie diesen Leuten zu einfach?

Auch der kleine Tom langweilte sich als einziges Kind zwischen all den Erwachsenen. Er stellte sich neben den Stuhl, auf dem die alte Dame mit den tiefen Falten im Gesicht saß, und ließ seinen angebissenen Schokoladenosterhasen in ihren Schoß fallen. Ihm war nach Streit zumute, er wollte sie ärgern. Mal sehen, was sie sagte. Aber die Oma schimpfte ja gar nicht, sie lächelte nur. "Weißt du, wo das Osterhasenparadies liegt?" fragte sie ihn. Dem Jungen war das egal. Er wußte ohnehin, daß es so etwas nicht gibt, weder Osterhasen, die Eier anmalten, noch ein Paradies, in das Hasen hineinkamen, aber Leuteärgern war cool. Noch schöner waren die dummen Reden, die er sich daraufhin anhören mußte, zum Kaputtlachen.

Das angestrengt dahintröpfelnde Gespräch der Gäste verstummte auf einmal, als die etwas zittrige, aber gut vernehmliche Stimme Luise Singers ertönte: "Hinter bunten Wäldern und Seen aus lauter Farben findet man das Land ,Ich-weiß-nicht-wo', und genau da drinnen liegt das Osterhasenparadies ..."

Tom biß ein weiteres Stück von seinem Hasen ab und fragte: "Wie soll das komische Land heißen?" Die alte Frau sah Einsamkeit in den Augen des kleinen Jungen und mußte an ihre eigenen Kinder denken, denen sie unzählige Märchen und Geschichten erzählt hatte, und schon waren Schmerzen vergangen und Tränen getrocknet. Schöne Zeiten waren das, als sie noch gebraucht wurde.

Jetzt spann sie die Geschichte weiter, erzählte vom Land "Ich-weiß-nicht-wo", in das nur fleißige Osterhasen hineingelassen wurden. Tom sagte kein einziges Mal "Du spinnst", wie so oft zu seiner Mutter. Er vergaß sogar die Schokolade zu essen.

Als der Täufling weinte, erwachte Luise Singer aus ihren Träumen, strich sich über die Augen und sagte: "Na ja, und so weiter ..."

"Mehr, erzähl mehr!" bat Tom lautstark. Auch aus dem Kreis der Festgäste forderten Stimmen: "Ja, bitte weiter, nun müssen Sie auch noch den Schluß erzählen!"

Die alte Dame wunderte sich. Diese Stille im Raum, wie in einem Kindertheater, wenn der Vorhang endlich nach oben schwebt. Sie nahm ihren bunten Faden wieder auf: "Weil der kleine Hase mit leeren Pfoten vor der Tür des Osterhasenparadieses stand, durfte er nicht hinein."

"Warum kann ihm nicht jemand ein paar Eier schenken, damit es so aussieht, als wäre er fleißig gewesen?" fragte Tom. "Aber das wäre ja unfair den anderen Häschen gegenüber", sagte ein Herr mit tiefer Stimme. Zustimmendes Gemurmel der Leute. "Der Junge hat aber Recht", meinte eine Frau mit einer kunstvollen Turmfrisur, "wo kämen wir hin, wenn wir alles so genau nähmen, nicht wahr?"

"Weiter!" riefen die Gäste. "Örre!" bestätigte das Baby.

In welch kurzer Zeit sich die Gäste doch verändert hatten, stellte Luise Singer fest. In Augen, die vorher leer vor lauter Gleichgültigkeit waren, strahlte jetzt kindliche Erwartungsfreude, und Mundwinkel, vorher auf Halbmast, zeigten nun in einem Halbkreis nach oben. Die Leute sahen auf einmal wie Menschen aus und nicht wie steife Anziehpuppen.

Als der letzte Gast gegangen war, fand die Familie den kleinen Tom auf einem Stuhl neben dem Kinderwagen. Er erzählte dem Täufling von einem gewissen Hasen, der doch noch in das Osterhasenparadies gekommen war. Das Baby wischte mit den Fäustchen durch die Luft und gluckste begeistert. "Es versteht mich", rief Tom und strahlte.

Was Häschen nicht lernt, lernt Hase nimmermehr: Der zu Beginn des 20. Jahrhunderts berühmte Reportagezeichner Fritz Koch-Gotha ist heute meist nur noch durch sein 1923 erschienenes Kinderbuch "Die Häschenschule" bekannt. Die Tricks der Nachwuchshasen müssen auch die Hasen in unserer Geschichte von Kurt Baltinowitz beherrschen. Foto: Archiv

 

In Gottes Hand
von Hans Thoma

Ich komm', weiß nit woher,

ich bin und weiß nit wer,

ich leb, weiß nit wie lang,

ich sterb' und weiß nit wann,

ich fahr', weiß nit wohin:

Mich wundert's,

daß ich fröhlich bin.

Da mir mein Sein so unbekannt

geb' ich es ganz

in Gottes Hand,

die führt es wohl,

so her wie hin:

Mich wundert's,

wenn ich noch traurig bin.


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