26.04.2024

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26.03.05 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. März 2005

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied und Familienfreunde,

die schönsten Erfolgserlebnisse der letzten Zeit spare ich mir immer zu den Feiertagen auf, so auch zu Ostern, um unseren Leserinnen und Lesern ein paar Überraschungseier in das Familiennest zu legen. Denn wenn die Freude auch bei denjenigen, die diese Erfolge persönlich einheimsen konnten, natürlich am größten ist, freuen wir uns doch alle, wenn wir gemeinsam wieder etwas bewegen konnten. Und staunen, was wir wieder bewirken konnten.

Ein ganz großes Überraschungsei bekam ich von Anneliese Drevsen aus Hamburg zugesandt: Ein 124 Seiten starkes Fotoalbum mit Aufnahmen von unserem alten Königsberg und der heutigen häßlichen Stadt am Pregel, liebe- und mühevoll zusammengestellt und beschriftet. Aber nicht nur ein Bilderbuch, allein aus Liebe zur Heimatstadt gestaltet, sondern weitaus mehr: "Königsberg - Der Gang, der niemals endet" ist es betitelt, und die Schritte wurden gemeinsam gegangen von drei Königsbergerinnen, die sich durch unsere Ostpreußische Familie wiedergefunden haben. Und das kam so: Im August 2004 veröffentlichten wir ein Foto von der Weihnachtsfeier 1940/41 im Gemeindehaus der Neuroßgärtner Kirche. Waltraud Kohn, die jetzt Brigitte von Kalben heißt und in Kanada wohnt, hatte es in ihrer Sammlung gefunden. Eine Leserin, Irmgard Baeckmann aus der Albertstraße, hat sich erkannt, sie wohnt jetzt in Rostock und heißt Irmgard Bräuer. Als dritte meldete sich Anneliese Bohl, jetzt Drevsen, aus Hamburg. Sie ist zwar nicht auf dem Foto, besitzt aber ein anderes von jener Gruppe. Eines Abends rief Irmgard bei Waltraud an. Es war Zufall, daß Anneliese ebenfalls anrief, auf dem zweiten Apparat. War dieses hörbare Zusammentreffen über Länder und Meere hinweg schon ein Erlebnis, so gab es dann ein Wiederfinden - nach 60 Jahren! - beim Ostpreußentreffen in Rostock. Und dabei wurde die Idee zu diesem ganz persönlichen Album geboren, das Erinnerungen, Lebensläufe und das Wiedersehen mit der Heimatstadt auf einzigartige Weise verbindet. Irmgard Bräuer und ihr Mann haben sie verwirklicht. Es entstand ein ganz besonderes Buch, das den Leser diesen gemeinsamen Gang durch Vergangenheit und Gegenwart so intensiv erleben läßt, als sei er wirklich dabei. Eines der wenigen Exemplare wurde mir als Dankeschön für den "wunderbaren Erfolg" zugesandt. Also, wenn das kein Überraschungsei ist!

Da möchte ich gleich noch einen ganz persönlichen Dank einschieben. Es gilt meinem Landsmann Winfried Paltinat, der mir mein Erstlingswerk zusandte, das ich mit 19 (!) Jahren schrieb, das plattdeutsche Märchenbuch "De Lävensstruuts"! Ich besaß zwar das Exemplar, das ich meiner Mutter gewidmet hatte, die es immer bei sich trug. Aber es war durch die Flucht doch sehr mitgenommen, zumal wir es im April 1945, kurz bevor die Russen kamen, zusammen mit anderen geretteten Sachen in einem Garten in der Priegnitz eingegraben hatten. Schwester und Schwager hatten es dann später ausgebuddelt und heimlich über die damals noch "grüne Grenze" in den Westen gebracht. Aber nun besitze ich ein Exemplar mit Schutzumschlag, das so aussieht, als sei es gerade aus dem Bücherschrank genommen! Und das nach genau 70 Jahren!!! Also, wenn das kein Überraschungsei ist!

Überrascht war auch Wolfgang Förster, der bisher immer vergeblich unsere Zeitung nach Landsleuten aus Reichensee/Rothwalde durchforstet hatte und dann in unserer Kolumne gezielt nach Zeitzeugen suchte, die seine von dort stammende Familie kannten und sich vor allem an seinen 1943 gefallenen Vater erinnerten. Einen Monat nach der Veröffentlichung kam ein Schreiben von Herrn Förster, das gleich mit einem Überraschungssatz begannen: "Als ich meinen Brief an Sie schrieb, hatte ich nicht im Traum daran gedacht, solch ein Echo zu erfahren!" Neugierig geworden, las ich weiter: "Aus Münster hat sich Herr Kurt Vogel gemeldet, der meinen Vater aus dem Wehrbereichskommando Bartenstein kannte. Aus Oberschleißheim meldete sich Herr Ney, geboren in Reichensee, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles über seinen Geburtsort zu sammeln. Wir werden uns demnächst treffen. Von ihm erhielt ich die Telefonnummer einer Frau Riedelsberger, die sogar auf der Hochzeit meiner Eltern im Juni 1936 dabei war! Herr Ney kannte auch den Soldaten, der an den Wochenenden immer zu meiner Mutter nach Reichensee kam. Auch von den gesuchten Familien Golz und Dusella erhielt ich Nachrichten! Ich bedanke mich bei der Ostpreußischen Familie auf das Herzlichste!" Wir freuen uns mit Ihnen, lieber Herr Förster, denn soviel Erfolg auf eine einzige Frage ist auch bei uns selten. Also hier gleich ein ganzes Nest mit Überraschungseiern!

Schnell spurte unsere Familie auf die Suchfragen von Winfried Brandes, dessen Vater Fritz Brandes seit Oktober 1944 im Raum Sodargen vermißt wird. Bereits zehn Tage nach der Veröffentlichung stellten sich erste Erfolge ein. Herr Brandes schrieb:

"Schon am gleichen Tag meldete sich Frau Irmgard Kohlhase, die aus dem Kreis Schloßberg stammt. Sie gab mir wertvolle Hinweise auf die Menschen, das Leben, die Landwirtschaft und den Russeneinfall ab Oktober 1944 sowie auf das heutige Nordostpreußen. Es folgte ein zweiter Anruf, gleich mit einem Fax verbunden, von Herrn Martin Kunst aus Ganderkesee. Er stammt aus dem Dorf Landmannsfelde bei Sodargen. Glücklicherweise hat sein Vater Alexander Kunst Erinnerungen ab Juli 1944, genau detaillierte Erlebnisse, Russeneinfall und Flucht festgehalten. Von ihm konnte ich den wichtigen Buchtitel ,Der Untergang meines Heimatkreises Schloßberg / Ostpreußen' erhalten. Hier verspreche ich mir die gesuchten Gefechtsberichte von Oktober 1944. Ich möchte mich herzlich bedanken! Auch erneut ein wertvolles Zeichen, wie wichtig eine Heimatzeitung ist, die so schnell und unbürokratisch hilft."

Ja, das können wir, weil wir die flexibel arbeitende Redaktion einer wöchentlich erscheinenden Zeitung sind!

Manchmal sind wir aber doch nicht schnell genug. Aber das liegt dann weniger an uns als an der zu spät eingereichten Suchfrage. Hätte Frau Liebetraut nur etwas früher über uns nach ihrer Kusine Hildegard Kijek geborene Laskowski aus Ortelsburg geforscht, dann hätten sie sich, wenn auch kurz vor deren Tod, gefunden. Wie gesagt: über unsere Ostpreußische Familie, denn gesucht hatte Frau Liebetraut schon lange. Aber erst jetzt, als ihre Schulfreundin Gertraud Nitschky, eifrige Leserin unserer Zeitung, ihr erklärte, daß nur die Ostpreußische Familie helfen könne, startete sie diesen letzten Versuch, und siehe da: Frau Nitschky hatte hundertprozentig recht! Drei Tage nach der Veröffentlichung wurde Frau Liebetraut telefonisch mitgeteilt, daß ihre Kusine in Bad Heiligenstadt gelebt habe und vergangenes Jahr verstorben sei. Aber Sohn und Tochter wohnen auch dort, und der Sohn setzte sich sofort mit der bis dahin unbekannten Tante in Verbindung. Und so konnte uns Frau Nitschky mitteilen: "Auf beiden Seiten ist die Freude groß über die wiedergefundenen Verwandten!"

Es gibt aber Fälle, die noch weitaus tragischer sind, und das trifft, wenn die Angaben stimmen, auf die Suchfragen zu, die den leider schon verstorbenen Karl Schipporeit aus Königsberg-Metgethen betreffen. Er war ein sogenanntes "Wolfskind", das von einer litauischen Familie adoptiert wurde und deren Namen Gerullis erhielt. Sein Vater war gefallen, von der Mutter und seinen Geschwistern wurde er in Litauen getrennt und konnte sie nicht wiederfinden. Nun bemüht sich seine Frau Elena Geruliene auch für ihre fünf gemeinsamen Kinder um die Klärung der Herkunft ihres Mannes. Noch während der Sowjetzeit hatte er versucht, über das Rote Kreuz Mutter und Geschwister zu finden - vergebens. Und nun kommt das Tragische. Ich erhielt auf unsere Veröffentlichung hin ein Schreiben von Frau Lieselotte Heim aus Wiesbaden, die als 16jährige Praktikantin im Haus der Familie Schipporeit in Metgethen tätig gewesen war. Sie hatte in den 50/60er Jahren eine Anzeige von Frau Schipporeit gelesen, die ihren in Litauen verschollenen Sohn suchte. Wenn das stimmt, hätten Mutter und Sohn gegenseitig geforscht - ohne Erfolg. Vielleicht lag es daran, daß Karl seinen Namen nicht genau kannte, er mutmaßte: Schepureit, Schiporeit, Scheporat? Der richtige Name steht dank Frau Heim fest, auch weitere Angaben können für die Hinterbliebenen von Nutzen sein. Die Familie, die in Metgethen mehrere Grundstücke besaß, wohnte Wiesenweg 1. Vater Paul Schipporeit war Maurermeister. Frau Heim hat sich mit einer Familie aus Metgethen in Verbindung gesetzt, deren Haus Paul Schipporeit gebaut hatte. Von dieser konnte sie erfahren, daß Karl noch eine ältere Schwester hatte, die Sigrid hieß. Das sind schon sehr konkrete Angaben, die vielleicht jetzt weiterführen. Frau Schipporeit dürfte wohl nicht mehr leben, aber sicher ihre Tochter Sigrid. Jetzt geht also die Suche gezielt weiter. Frau Geruliene in Litauen wird sich über diese Informationen sehr freuen, und Frau Heim kann ich schon einmal von mir aus herzlichen Dank sagen.

Und eine ungeahnte Folge hat der Buchwunsch von Ruth Henke nach dem Buch "Ungeladene Gäste" von Arne Gammelgaard zu verzeichnen: Sie selber erhielt ein Buch sofort, sechs weitere Exemplare wurden ihr telefonisch zugesagt. Ihr würde ja eines genügen, aber der dänische Autor besitzt auch nur noch ein einziges Stück, und da er oft Zuschriften zu dem Buch erhält, kämen ihm weitere Exemplare sehr gelegen. Und so dürfte sich der heute 77jährige, in Aarhus lebende Verfasser bald über die aus unserm Familienkreis gespendeten Bücher freuen. Kann ich verstehen - siehe mein "Lävensstruuts"!

Auch andere Buchwünsche wurden erfüllt im wahrsten Sinn des Wortes, nämlich in Fülle. Schon am Zustellungstag der PAZ erhielt Herr Stritzel, der das Buch "Danziger Bucht 1945" suchte, das erste Angebot zur Ausleihe. Es folgten dann in den nächsten Tagen drei Angebote für das Überlassen, fünf Angebote für das Ausleihen und ein Angebot für das Kopieren des Buches. Ein Buchhändler teilte mit, daß das Buch in Kürze neu aufgelegt wird. Klaus-Jürgen Stritzel will sich bei "allen lieben Menschen" persönlich bedanken.

Ist das nicht ein prall gefülltes Familien-Ostereier-Nest? Vielleicht werden es inzwischen noch mehr Überraschungseier sein, denn ich habe diese Kolumne schon sehr zeitig schreiben müssen, da ich - ebenfalls eine Überraschung - den Präsidenten der Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft, Herrn Dr. A. Rumjanzew, aus Moskau zu Besuch in Hamburg erwarte. Er wird uns über die Arbeit des Suchreferates berichten, durch die bereits viele Schicksal von deutschen Soldaten und in russischen Lagern gestorbenen Frauen und Männern geklärt werden konnten. Doch darüber werden wir ausführlich berichten.

Für heute aber: Ein frohes Osterfest! Auch wenn uns niemand schmackostert! Aber in Gedanken, in Gedanken können wir es ja tun!

Eure Ruth Geede

 

Neuroßgärtner Kirche: Diese historische Aufnahme gehört zu dem großen Überraschungsei, das Ruth Geede von Anneliese Drevsen aus Hamburg zugesandt bekam. Foto: privat


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