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02.04.05 / Letztlich zahlt der kleine Mann die Zeche

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. April 2005

Gedanken zur Zeit:
Letztlich zahlt der kleine Mann die Zeche
von Gottfried Loeck

Daß ausgerechnet der Mitherausgeber der Zeit und Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) die sogenannte "multikulturelle Gesellschaft" im Hamburger Abendblatt als Fehler bezeichnete, schlug in Berlin und anderswo wie eine Bombe ein. Nachdem man jahrzehntelang der Zuwanderung glitzernde Lorbeerkränze flocht, die "multikulturelle Gesellschaft" als erstrebenswerte Zukunftsgesellschaft pries, muß der Vorwurf erlaubt sein, warum man so lange der sich abzeichnenden Entwicklung tatenlos zugesehen hat. Ideologische Verblendung, Raffgier und Abgehobenheit waren anscheinend stärker als die Vernunft. Die unmißverständliche Feststellung Schmidts, daß "viele Ausländer sich gar nicht integrieren wollen", rief prompt die hinreichend bekannten Platzanweiser der öffentlichen Moral auf den Plan. Was da an herzzerreißenden Gegenpositionen vorgebracht wurde, erinnerte an den verzweifelten Versuch, von einer liebgewonnenen Lebenslüge abzulenken. Die Doppelspitze der Grünen, die Gewissenspfleger der Nation, Bütikofer und Roth, überforderten sich und ihre Wähler mit der Behauptung, "daß ohne Mulikulturalität Freiheit in modernen Gesellschaften nicht mehr buchstabierbar sei". Was immer sich inhaltlich hinter einem derartigen Fachchinesisch verbarg, bestätigt nur zu deutlich, daß es allerhöchste Zeit war, sich endlich offen und ohne ideologische Scheuklappen mit der Situation in Deutschland auseinanderzusetzen.

Obwohl das politische Establishment in Stadt und Land weitgehend tatenlos der Entwicklung über Jahrzehnte zugeschaut hatte, wollte kein Politiker der anderen Lager nunmehr bei diesem Thema auf eigene Initiativen verzichten. Die politische Klasse der Bundesrepublik Deutschland stand mehr oder minder ratlos vor dem Scherbenhaufen gehätschelter Illusionen. Mit dem Bankrott von "Multikulti" ist für die Linken eine Ideologie zerplatzt, die alle wesentlichen Merkmale gewollter Selbstzerstörung enthielt. "Multikulti" verkörperte Internationalismus, die Idee der Gleichheit, die nicht nur vor dem Recht, sondern auch für die soziale Versorgung gelten sollte. Die Vorstellung, daß Völker, Vaterländer, ein abendländisch-christlicher Wertekatalog Dinge aus einem lange überholten Versand-hauskatalog seien, denen man problemlos mit ein wenig aufklärerischer Anstrengung beikommen könne, setzte fast zwanghaft die üblichen Aktivitäten frei.

Die Hoffähigkeit des Multikulturalismus (schönes Wort!) nur linken Ideologen anzulasten, entspricht leider nicht den Gegebenheiten. Von der Angst getrieben, die nächste medienwirksame Masche zu verpassen, glich man sich vorauseilend dem Zeitgeist an und machte mit, die Idee als Staatsräson auszugeben. Da man nicht in den Wohnvierteln der Zuwanderer ansässig ist, die eigenen Kinder - sofern überhaupt vorhanden - in Schulen schickt, in denen nur wenige Ausländerkinder sind, man allenfalls Ausländer als Putzhilfen oder als billigen Johann nutzt, bedient man sich des Multikulturalismus als Lieblingsspielzeug einer privilegierten politischen und kulturellen Kaste, die abgehoben anscheinend jeden Bezug zu den Sorgen und Nöten Otto Normalverbrauchers verloren hat.

Die von Samuel Huntington in seinem Buch "Who are we?" (Wer sind wir?) geäußerte und durch viele Belege untermauerte These, nach der Minderheiten, sobald sie eine gewisse Kopfzahl erreicht haben, nicht mehr nur zur Anpassung, sondern zu immer weitergehenden Forderungen tendieren, scheint niemand zu interessieren. Mit immer neuen kosten-trächtigen Toleranz- und Erziehungsprogrammen, die ungefragt allein von der stummen Mehrheit bezahlt werden, sind die zunehmenden und mannigfachen Probleme einer multikulturellen Gesellschaft keineswegs zu beheben. Die beängstigende These, daß die heutige Bevölkerungsmehrheit über den Kreißsaal in eine Minderheit verändert wird, ist leider keine Mär. Die wiederholten Empfehlungen deutscher Politiker, doch wenigstens die Landessprache zu erlernen, werden von vielen Ausländern mit Gleichgültigkeit bedacht. In ethnischen Ballungsräumen bleibt man unter sich. Menschen, die die Entwicklung warnend begleitet haben, wurden schnell als Ausländerfeinde, Nazis, Ewiggestrige stigmatisiert. Dank ideologischer Verblendung und humanitär übertünchtem Nihilismus wurde, vornehmlich aus dem linken politischen Spektrum, von der prinzipiellen Gleichheit der Kulturen gesprochen, jede Anpassung an eine europäische oder gar deutsche Leitkultur hingegen schroff abgelehnt.

Daß man die Einhaltung demokratischer Spielregeln und bestimmter Wertesysteme, eine gewisse Arbeitsethik und ein selbstverständliches Staatsverständnis von Zuwanderern grundsätzlich erwarten könnte, empfanden nicht wenige Mandatsträger, Kirchenvertreter, Gewerkschaftler in enger Kooperation mit den ihnen zugeordneten Medien als unerhörte Zumutung. Dabei war es unerheblich, ob die Zuwanderer aus Nigeria, Afghanistan oder Polen kamen. Die Konsequenz eines solchen nihilistischen Denkansatzes ist, daß infolge fehlender Erwartungshaltung und bestimmter Mindestanforderungen sich automatisch Parallelgesellschaften bilden und zunehmende Konflikte voraussehbar sind. Statt Integration wollen sie Teilhabe zu ihren Bedingungen, das heißt Mercedes plus Muezzin. Vor einem derartigen Hintergrund wäre eine weitere Drehung an der multikulturellen Schraube in Form weiterer Zuwanderung in unser Sozialsystem oder neuer hilfloser therapeutischer Maßnahmen ein Schritt in einen jakobinischen Tugendstaat, bei dem die eigene nationale Identität und die Freiheit auf der Strecke bleiben. Wer aufmerksam die politischen Zielvorgaben der derzeitigen Zeitgeist-Surfer verfolgt, wird den Eindruck nicht los, daß frei von irgendwelchen Skrupeln einseitig eine multikulturelle Gesellschaft angestrebt wird. Daß letztlich der kleine Mann die Zeche bezahlt, interessiert anscheinend nur wenige.


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