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02.04.05 / Mit der Kraft des Geistes / Gedanken zum Schiller-Jahr 

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. April 2005

Mit der Kraft des Geistes
Gedanken zum Schiller-Jahr 
von Professor Dr. Rüdiger Ruhnau

Die literarische Welt ist gerüstet, den Dichter und Dramatiker Friedrich von Schiller zu feiern. Der vor 200 Jahren verstorbene deutsche Nationaldichter hatte es gewagt, das Theater eine "moralische Anstalt" zu nennen, geschaffen zur Hebung des Bildungsniveaus und zur ästhetischen Erziehung der Menschen. Damals eine revolutionäre Einstellung. Von Jugend auf war Schiller von dem Gedanken besessen, daß der Künstler, der Dichter vor allem, zum Erzieher der Menschheit berufen sei. Nicht Gott erzieht durch seine Offenbarungen, wie man es vor der Aufklärung verstand, sondern alles kommt aus der Natur des Menschen. Für Schiller gab es keinen göttlichen Erzieher, er glaubte an die schöpferische Kraft des Geistes, wie sie in Kants Erkenntniskritik ausgesprochen ist in dem Satz "Bestimme dich aus dir selbst".

Schiller versuchte, als freier Schriftsteller zu leben, seinem "Dichterberuf", wie er es nannte, nachzugehen. Das dramatische und lyrische Werk, seine dem Broterwerb dienenden schriftstellerischen Arbeiten als Historiker, die philosophisch-ästhetischen Abhandlungen und schließlich die Schriften als Herausgeber erreichten eine breite, andauernde Wirkung. Eingebettet in den Kontext des Curriculum vitae sollen einige wichtige Zeitabschnitte Revue passieren.

Das kleine Städtchen Marbach am Neckar, nur 15 Kilometer von Stuttgart entfernt, war zur Geburtszeit Schillers, am 10. November 1759, einer der ärmsten Orte Württembergs. Der Vater, Johann Kaspar Schiller, ein strebsamer Autodidakt und Werbeoffizier in einem württembergischen Regiment, nahm an dem Siebenjährigen Krieg gegen Preußen teil. Die Familie übersiedelte bald nach Lorch im Remstal, wo der junge Schiller die Dorfschule besuchte. Die Unterrichtung durch den pietistischen Lorcher Pfarrer Philipp Ulrich Moser gestaltete sich entscheidend für seine Entwicklung. Dieser gelehrte Theologe machte auf den Knaben einen so nachhaltigen Eindruck, daß er lange Zeit gleichfalls Pfarrer werden wollte. Im Schlußakt des Schauspiels "Die Räuber" benannte Schiller die Person des furchtlosen "Pastors Moser" nach seinem verehrten Lehrer, dem er damit ein Denkmal setzte.

Aus dem stillen Lorch wurde Vater Schiller in die lebhafte Residenzstadt Ludwigsburg versetzt. Drei Fußstunden nördlich von Stuttgart war dort seit dem Jahre 1704 nicht nur ein riesiges Schloß entstanden, das mit dem Namen "Schwäbisches Versailles" prunkte, sondern zugleich darum herum eine ganze Stadtanlage. Nicht organisch gewachsen war dieses Ludwigsburg, sondern eine auf dem Reißbrett entworfene Stadt, wo der eitle und prunksüchtige Herzog Carl Eugen, im Stil des französischen Sonnenkönigs, Hof hielt. Je üppiger die Feste und Lustbarkeiten des absolut regierenden Fürsten ausfielen, desto strenger hielt die Familie Schiller auf lutherische Zucht und schwäbische Sparsamkeit. Der gesellschaftliche Unterschied zwischen dem prunkvollen Hof und den karg besoldeten Offiziers- und Beamtenfamilien hätte kaum krasser sein können.

Sechs Jahre ging Friedrich Schiller in die Ludwigsburger Lateinschule, unterrichtet von pedantischen Lehrern, überhäuft mit Wissensstoff, der auch noch auswendig zu lernen war. Einmal im Jahr mußte er zum Landesexamen nach Stuttgart wandern, dessen Bestehen ein späteres Studium voraussetzte. Dreimal schloß Friedrich diese Prüfungen, die im Schwabenland berüchtigt waren, als Bester ab, nur ungern erinnerte er sich an die geist- und herzlose Erziehung.

Herzog Carl Eugen hatte eine Militär-Pflanzschule gegründet, in der verschiedene künstlerische, praktische und militärische Ausbildungsstätten vereint waren. Er kontrollierte selbst die Prüfungsergebnisse der Landesexamen und kommandierte die besten Schüler an seine Schule, die bald zur Militär-Akademie umgewandelt und 1781 von Kaiser Joseph II. sogar zur Universität, "Hohe Carlsschule", erhoben wurde. Bis zu seinem 21. Lebensjahr blieb Fried-rich Schiller Eleve dieser Anstalt. Der Vater hatte feierlich geloben müssen, daß sein Sohn sich "gänzlich dem Dienste des Herzoglichen Hauses widmen solle". In den empfänglichsten Jahren mußten sich die Jünglinge wie Gefangene fühlen, nicht einmal das Studienfach konnten sie frei wählen. Der ganze Tagesablauf war militärisch geregelt. Urlaub gab es für die uniformierten Zöglinge nicht. Der Herzog kümmerte sich persönlich um alle Einzelheiten, fand er irgendeine Nachlässigkeit, setzte es sofort Strafen, auch Stockhiebe.

Schiller hatte zunächst mit mäßigem Erfolg das ungeliebte Studium der Rechte absolviert. Dann befahl der Landesherr, er müsse Medizin studieren, was dem Eleven nicht einmal unangenehm war, da er meinte, die neue Richtung wäre "der Poesie verwandter". An den militärischen Drill konnte er sich nie gewöhnen, sein ungestümer Freiheitsdrang machte sich in dichterischen Versen Luft. Die ihm aufgezwungene überharte Erziehung, glaubte er, sei ihm vom Schicksal auferlegt worden, um sie vor der Menschheit an den Pranger zu stellen und den Tyrannen metaphorisch in die Hölle hinabzureißen.

Obwohl jede Privatlektüre verboten war, lasen Schiller und seine Freunde alles was ihnen in die Hände kam. Shakespeare insbesondere, aber auch Wieland, die Dichter des Hainbundes und selbstverständlich den jungen Goethe. Innerlich erfüllt von den Ideen der Sturm- und Drang-Dichtung opponierten die Freunde gegen einen Staat, in welchem der Mensch wenig galt. In seinem Erstlingsdrama "Die Räuber" gelang es Friedrich Schiller, sich seinen Unmut von der Seele zu schreiben, gegen den moralischen Verfall der Gesellschaft.

Der erste anonym erschienene Druck in 800 Exemplaren ging auf Kosten des Autors, der zwischenzeitlich Regimentsarzt in Stuttgart geworden war. Von Gönnern auf Schiller aufmerksam gemacht, gab der Intendant des Mannheimer Nationaltheaters, Reichsfreiherr Heri-bert von Dalberg, dem jungen Dichter den Rat, "Die Räuber" für die Bühne theaterwirksam zu überarbeiten. In Hochstimmung hatte Schiller in kurzer Zeit die Korrekturen beendet, und am 13. Januar 1782 ging das "Trauerspiel in sieben Handlungen" über die Bretter der Mannheimer Bühne. Mit jedem Akt steigerte sich der Beifall des Publikums, besonders als der Räuberhauptmann als Büßer und Rächer im Schloß seiner Väter erschien. "Das Theater glich einem Irrenhaus, fremde Menschen fielen sich schluchzend in die Arme ...", berichtete ein Augenzeuge. Selten hat eine Theateraufführung eine ähnliche Wirkung hervorgerufen. Schiller saß mitten unter den Zuschauern, mit heißem Herzen verfolgte er die Aufführung, in welcher der Schauspieler Iffland den Franz Moor spielte.

Mit einem Schlag rückte der unbekannte Schwabe in die erste Reihe der Dramatiker auf. Schon wälzte er neue Pläne im Kopfe, suchte Stoff zu einem neuen Drama. Ohne noch einen festen Plan zu haben, machte er sich an die Geschichte der "Verschwörung des Fiesco zu Genua". Aber - die Reise nach Mannheim hatte sich herumgesprochen und natürlich war alles brühwarm dem Herzog berichtet worden: Regimentsmedicus Schiller war ohne Erlaubnis ins "Ausland" gereist, ja, er hatte dort sogar ohne Wissen seines durchlauchtigsten Herrn "eine Komödie" aufführen lassen.

Das war zuviel für Carl Eugen. Schiller mußte seinen Degen abliefern und 14 Tage im Arrest verbringen. Jeder Verkehr mit dem "Ausland" wurde ihm verboten, erst recht das "Komödienschreiben". In einem letzten Versuch bat Schiller "untertänigst und treugehorsamst um die gnädigste Erlaubnis", weiterhin literarische Arbeiten verbreiten zu dürfen. Herzog Carl Eugen blieb unerbittlich, er verbat sich alle weiteren Gesuche. Damit war der Bruch vollzogen, die Flucht aus Württemberg unausweichlich geworden.

Eine günstige Fluchtmöglichkeit bot sich anläßlich eines hohen Staatsbesuches aus Rußland. Die Regierung hatte prunkvolle Feierlichkeiten angeordnet, am Höhepunkt des festlichen Treibens, in der Nacht zum 23. September 1782, konnte Schiller in einem Wagen unauffällig, in Zivilkleidern, das Stadttor passieren und den Weg nach Mannheim (etwa 90 Kilometer) einschlagen. Sobald er die kurpfälzische Grenze passierte, war er im "Ausland" und damit in Sicherheit. Schiller hatte das Glück, in seinen Lebensbedrängnissen immer wieder selbstlose Freunde zu finden. So auch bei seiner Flucht aus Stuttgart, als ihn der treue Fluchtgefährte Andreas Schleicher begleitete.

Friedrich Schiller: Jugendliches Genie und Revolutionär Foto: Archiv


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