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09.04.05 / Der alte Mann und die Jugend

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. April 2005

Hans-Jürgen Mahlitz:
Der alte Mann und die Jugend

Wohl noch nie hat ein Ereignis die veröffentlichte Meinung so stark beherrscht wie das öffentliche Sterben des Papstes. Sondersendungen nahezu rund um die Uhr auf fast allen Kanälen, Seiten um Seiten auch in Publikationen, die der katholischen Kirche und ihrem Oberhirten, oft auch generell allem Religiösen, eher fern standen - merkwürdig, wer da alles im Angesicht des Todes entdeckte, wie sehr er Johannes Paul II. schon immer geschätzt hat.

Diese kritische Einschränkung gilt natürlich nicht für die vielen, vielen jungen Menschen, die in so beeindruckender Weise ihre Trauer und Anteilnahme bekundeten. Das wirkte echt und glaubwürdig - und regt zum Nachdenken an. Wie ist es zu erklären, daß ein so alter Mann, in den letzten Jahren zunehmend leidend und gebrechlich, gerade bei der Jugend ein solches Maß an Zuneigung findet?

Auf den ersten Blick sollte man ja eher das Gegenteil erwarten. Dieser Papst wird als betont Konservativer in die Kirchengeschichte eingehen. In Fragen der Familien- politik oder der Sexualethik hat er Zeit seines Pontifikats extrem traditionelle Positionen vertreten. Striktes Festhalten am Zölibat, äußerst restriktive Familienplanung, generelles Verbot von Verhütungsmitteln, Ausschluß der Frauen vom Priesteramt - von den Prämissen einer Spaßgesellschaft im Jugendlichkeitswahn ist das weit entfernt. Eigentlich müßte doch die Jugend von heute die Lebensentwürfe dieses Papstes mit einem spöttischen Lächeln beiseite schieben.

Und nun sieht man sie zu Hundertausenden, zu Millionen, wie sie um "ihren" Heiligen Vater trauern. Wer aufmerksam hingeschaut hat, konnte sie übrigens schon viel früher wahrnehmen. Zum Beispiel bei den Weltjugendtreffen, den Papstmessen mit jugendlichen Teilnehmerzahlen in sechs- bis siebenstelliger Größenordnung. So viele begeisterte junge Menschen zusammenzubringen, wovon auch die erfolgreichsten Popstars oder Spitzensportler nur träumen können - Johannes Paul II. hat es oft genug zustande gebracht. Bislang waren solche religiösen Massenveranstaltungen unseren Massenmedien allenfalls eine Randnotiz wert; sie zogen es vor, Aufmärsche von ein paar hundert ultralinken "Antifaschisten" wirkungsvoll in Szene zu setzen. Von jenem Teil der jungen Generation, der möglicherweise die Mehrheit darstellt, wollte die Meinungsdiktatur der Minderheiten nichts wissen.

Und nun sehen wir voller Staunen: Die da um den toten Papst trauern, sind erkennbar keine absonderlichen Außenseiter, keine weltfremden Spinner, keine verblendeten Ewiggestrigen, sondern ganz normale junge Menschen. Offensichtlich hatte Johannes Paul II. kraft seiner Persönlichkeitsstruktur wie kaum ein anderer die Gabe, in diese junge Generation hineinzuhorchen, sie zu verstehen und sich ihr verständlich zu machen, ihr das zu geben, was ihr in unserer so modernen und angeblich so verständnisvollen Welt vorenthalten wird: Orientierung.

Orientierung in diesem Sinne heißt: Leben in jeder Form der menschlichen Gemeinschaft - von Familie oder Partnerschaft bis zum Staat - stützt sich nicht nur auf Rechte, sondern auch auf Pflichten, Freiheit braucht Grenzen, um sich wahrhaft entfalten zu können, wahres Lebensglück erwächst nicht aus Egoismus und Rücksichtslosigkeit, sondern aus Verantwortung.

Diese Variante des Kant'schen Kategorischen Imperativs, wie ihn der Papst in der Sprache der Religion artikulierte, haben viele Jugendliche offenbar gut verstanden. Bei allem, was uns heute Sorgen bereitet, liegt darin auch ein Stück Hoffnung.

Verwunderlich: Trotz seiner äußerst konservativen Ansichten fühlten sich unzählige junge Menschen zu Johannes Paul II. hingezogen. Zu den Weltjugendtreffen kamen Kinder und Jugendliche aus allen Teilen der Erde, um ihrem Kirchenoberhaupt zu lauschen. Foto: pa


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