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23.04.05 / Bundfaltenhosen kann ich nicht ausstehen / oder Der endlose Kampf um die schlanke Linie

© Preußische Allgemeine Zeitung / 23. April 2005

Bundfaltenhosen kann ich nicht ausstehen
oder Der endlose Kampf um die schlanke Linie
von Helga Licher

Es war an einem Samstagmorgen im Frühling, der Frühstückstisch war gedeckt, in der Küche duftete es verführerisch nach frischem Kaffee, und ich freute mich auf die Wochenendausgabe meiner Tageszeitung. Entspannt schlug ich die erste Seite auf und biß hungrig in mein Leberwurstbrötchen. Da fielen sie mir förmlich in den Schoß, die bunten Hochglanz-Werbe-Prospekte des Einzelhandels.

Seufzend legte ich die Zeitung beiseite und begab mich auf den Fußboden, um die bunten Blättchen aufzusammeln. Möbel, Bekleidung, Fahrräder, Blumen und Lebensmittel wurden zu Sensationspreisen angeboten. Flüchtig warf ich einen Blick auf die farbenfrohen Anzeigen und legte den Stapel Papier dann achtlos auf den Tisch. Nur der Werbeprospekt eines bekannten Bekleidungsgeschäftes weckte meine Neugier.

"Bundfaltenhosen - ein absolutes Muß in der kommenden Saison", prangte mit großen roten Buchstaben auf der ersten Seite. Nachdenklich hielt ich den Prospekt in der Hand. Bundfaltenhosen waren vor einigen Jahren einmal modern und ich konnte sie schon früher nicht leiden. "Sie machen breite Hüften", sagte ich damals der Verkäuferin, worauf diese meine Hüften mit einem ausgiebigen Blick taxierte.

Ich nahm noch einmal das Blatt zur Hand und schaute dem blonden, jungen Modell mit der Bundfaltenhose kritisch auf die Figur. Lässig stand sie da, eine Hand in der Hosentasche, die andere Hand salopp auf eine Stuhllehne gelegt. Ich mußte zugeben, sie sah umwerfend aus. Die blonden Haare lässig frisiert, ein verführerisches Lächeln umspielte ihren perfekt geschminkten Mund, und sie trug die Hose mit einer selbstverständlichen Eleganz, die mich neidisch machte. Meine Augen suchten nach den kleinen winzigen Speckröllchen, die sich so gerne an der Taille niederlassen. Aber vergebens, rank und schlank stand die Blondine da und sah mich mit einem aufreizenden Lächeln an. Diese Art sich hinzustellen, ist wahrscheinlich genau die richtige Position, um breite Hüften und Speckröllchen zu verstecken, dachte ich und stellte mich vor den großen Garderobenspiegel im Flur.

Die rechte Hand zwängte ich in die Hosentasche meiner gerade frisch gewaschenen Jeans, die linke Hand legte ich leger über die Türklinke. Aufmerksam betrachtete ich mein Spiegelbild. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. Meine braunen, halblangen Haare hingen kraftlos und ohne Spannkraft bis auf die Schultern hinab, an meinen Lippen klebte noch ein Brötchenkrümel und von Eleganz war wirklich nichts zu sehen. Ich zerrte die Hand aus der Hosentasche, und mein Blick wanderte weiter zu meinen Hüften. Die Bluse, die ich in den Hosenbund gesteckt hatte, legte sich wie eine Wurst um meinen Körper.

"Kind, du solltest deine Bluse über der Hose tragen, du hast ein ausladendes Becken", hatte meine Mutter gesagt, als sie mich in der vergangenen Woche unverhofft besuchte.

Verzweifelt zog ich die Bluse aus der Hose und riskierte es noch einmal. Eine Hand in die Tasche, die andere Hand über die Türklinke. Mein ausladendes Becken versuchte ich geschickt zu kaschieren. Prüfend betrachtete ich mich von allen Seiten im Spiegel. Doch ich konnte mich drehen und wenden wie ich wollte, mein Bildnis war dem des Modells im Prospekt nicht annähernd ähnlich. Schlimmer noch, es sah einfach lächerlich aus, wie ich da stand, mit eingezogenem Bauch und verdrehten Hüften.

Seufzend setzte ich mich zurück an den Tisch. Ich nahm das Leberwurstbrötchen vom Teller und betrachtete es nachdenklich.

Zu viele dieser Leberwurstbrötchen hatte ich mir in den vergangenen Wochen schmecken lassen, dachte ich, während mein Blick erneut auf den Werbeprospekt fiel.

"Bequeme Stretch-Qualität und Bundfalten sorgen auch bei Übergröße für viel Bewegungsfreiheit."

Erschrocken legte ich das Brötchen zurück auf den Teller und las weiter. "Ab Größe 44 ist die Hose zusätzlich mit einem angeschnittenen Bund gearbeitet, sie macht jede Bewegung mit und bleibt immer in Form."

Ich sah der blonden jungen Dame ins Gesicht. Mir war, als verzöge sich ihr kirschroter Mund zu einem gehässigen Grinsen. Ob sie ahnte, daß ich meine letzte Hose bereits in der Größe 46 gekauft hatte?

"Bequeme Oberschenkelweite und eine schlankmachende Wirkung machen diese Hose schnell zu Ihrem Lieblingsstück."

Das Modell lachte jetzt schadenfroh und klopfte sich vor Vergnügen auf die wohlgeformten Schenkel.

Eine unbändige Wut stieg in mir hoch. Zornig nahm ich den Prospekt, zerknüllte ihn und beförderte ihn in hohem Bogen in den Papierkorb. Dann stopfte ich die Bluse wieder in meine Jeans und biß in das Brötchen, daß es nur so krachte. Ich konnte Bundfaltenhosen eben noch nie leiden ...

 

Frühlingsglaube
von Ludwig Uhland

Die linden Lüfte sind erwacht,

Sie säuseln und wehen Tag und Nacht,

Sie schaffen an allen Enden.

O frischer Duft, o neuer Klang!

Nun, armes Herze, sei nicht bang!

Nun muß sich alles, alles wenden.

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,

Man weiß nicht, was noch werden mag.

Das Blühen will nicht enden.

Es blüht das fernste, tiefste Tal:

Nun, armes Herz, vergiß der Qual!

Nun muß sich alles, alles wenden.


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