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30.04.05 / "Was wird denn da gebaut?" / Zum 125. Geburtstag des Architekten Bruno Taut

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. April 2005

"Was wird denn da gebaut?"
Zum 125. Geburtstag des Architekten Bruno Taut

Eine der Umgebung angepaßte Farbigkeit, die geschickte Einbeziehung der Natur, eben menschenwürdiges Wohnen überhaupt - darüber machen sich die Architekten nicht erst seit unseren Tagen Gedanken. Schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war man bemüht, diese Forderungen in die Tat umzusetzen. Zu den Architekten, die sich erfolgreich für menschenwürdiges Bauen einsetzten, gehörte der Ostpreuße Bruno Taut, der sich wie sein Bruder Max oder sein Allensteiner Landsmann Erich Mendelsohn weit über die Grenzen Deutschlands einen Namen gemacht hat. Taut stellte aber auch Ansprüche an die Bewohner "seiner" Häuser. So schrieb er 1927: "Wer in Filzpantoffeln und in Hemdsärmeln durch seine Wohnung latscht, dem ist auch mit einem sauberen Bau nicht geholfen." Die innere Beziehung zwischen Umfeld und innerer Einstellung hat Bruno Taut beschäftigt wohl wie keinen anderen Architekten. Im lag es daran, durch humane Wohnarchitektur "gute" Charaktere zu bilden.

Geboren wurde Bruno Taut am 4. Mai 1880 in Königsberg. Vier Jahre später erblickte dort auch sein Bruder Max das Licht der Welt, der ebenso Architekt werden sollte. Bruno galt allerdings von vornherein als der Begabtere. Er besuchte das altehrwürdige Kneiphöfische Gymnasium, das er 1897 mit dem Abitur verließ. In Königsberg ließ er sich an der Baugewerkschule ausbilden und arbeitete in den Sommermonaten als Maurerlehrling auf dem Bau.

Bald aber zog es den jungen Mann in die Ferne; Heimat aber wurde ihm nicht zum Fremdwort. So stellte er einmal fest: "Was will ich schaffen? Ich will meinen Landsleuten zeigen, wie tief die Natur ist und wie sie ihre Häuser so bauen, daß sie die Tiefe der heimatlichen Natur widerspiegeln." Nicht nur die Natur der Heimat und ihr Klima werden Taut geprägt haben, auch einzelne Bauwerke wie der Königsberger Dom, den er täglich auf dem Schulweg sah, werden ihn in seinem späteren Schaffen beeinflußt haben. Gestaltete er später Fassaden, so lassen sie erahnen, wo sein Blick geschärft worden war.

Bruno Möhring in Berlin und Theodor Fischer in Stuttgart, zwei angesehene Architekten ihrer Zeit, gaben dem jungen Ostpreußen weitere Anstöße zu seinem Schaffen. 1909 dann eröffnete er gemeinsam mit Franz Hoffmann ein Büro in der Berliner Lutherstraße, später in der Potsdamer Straße. In dieses Büro trat dann auch sein Bruder Max ein. - Ulrich Conrads schrieb einmal über den Unterschied der beiden Taut-Brüder: "Bruno war der programmatische Kopf, der motorische, beredte, kämpferische Idealist, ein - im Sinne des Wortes - Begeisterter, der zudem auch seine Begeisterung auf andere, auf Freunde und Kollegen zu übertragen wußte ... Bruno war, kein Zweifel, der innerlich gespanntere, der nervösere der beiden Taut-Brüder ..."

Gemeinsam setzten sich die beiden für das "Neue Bauen" ein. Zeichen des frischen Windes, der in der Architektur herrschen sollte, war nicht zuletzt auch ein von Bruno Taut ins Leben gerufener Briefwechsel junger Architekten, darunter Walter Gropius und Hans Scharoun. Den Titel "Die gläserne Kette" stiftete übrigens der aus Heydekrug stammende Dichter Alfred Brust. Dieser Briefwechsel mündete schließlich in der Publikation Frühlicht, einer Beilage der von Cornelius Gurlitt herausgegebenen Zeitschrift Stadtbaukunst in alter und neuer Zeit.

Gemeinsam waren Max und Bruno Taut 1918 Mitglied der Novembergruppe geworden und setzten sich für ein neues Bauen ein. Ein Vorhaben, daß Bruno vor allem in Magdeburg, wo er von 1921 bis 1924 als Stadtbaurat tätig war, und in Berlin durchsetzen konnte. Dort waren es in erster Linie die Gartenvorstädte und Großsiedlungen wie die Carl-Legien-Siedlung am Prenzlauer Berg, die Hufeisen-Siedlung in Berlin-Britz, die er gemeinsam mit dem Königsberger Martin Wagner schuf, und die Siedlung "Onkel-Toms-Hütte", die wegen ihrer damals ungewohnten Farbigkeit im Volksmund bald den Namen "Papageiensiedlung" trug. Der Volksmund lästerte: "Schaut, schaut, was wird denn da gebaut, ist denn keiner, der sich's traut und dem Taut den Pinsel klaut?" Heute wird diese Farbigkeit geschätzt; viele Bauten sind restauriert.

Bruno Taut hat sich jedoch nicht nur als ein großer Baumeister und Gestalter von Fassaden erwiesen, sondern auch als bedeutender Innenarchitekt. Sein erster nachweisbarer Entwurf eines Raumes stammt aus dem Jahr 1904; auch hinterließ er zahlreiche Schriften zu diesem Thema und beschäftigte sich bis zuletzt mit der Innenraumgestaltung. Er entwarf Möbel, Lampen, Türgriffe und Zimmeruhren und malte zauberhafte Pastelle. Stets war er bemüht, die Wohnumwelt von Kitsch zu befreien und auch die Bewohner, vor allem die Hausfrau, in die Gestaltung der Räume mit einzubeziehen.

In seinem theoretischen Œuvre beschäftigte er sich auch mit utopischer Architektur. Sein Hauptwerk "Alpine Architektur" erschien 1919 und entwarf die Utopie eines Weltumbaus, wie etwa die architektonische Bearbeitung der Alpen. In künstlerisch bekenntnishafter Übersteigerung und aus einem durch den Weltkrieg hervorgerufenen Abscheu ersann Taut einen völligen Neubau der Welt. Nach 1919 ist dieses Werk nicht wieder aufgelegt worden. Nun hat der Prestel Verlag die großformatigen Blätter mit ihren eindrucks-vollen Tuschfederzeichnungen reproduziert und erstmals mit einem kenntnisreichen Kommentar von Matthias Schirren herausgegeben: Bruno Taut - Alpine Architektur (120 Seiten mit 80 Farbabbildungen, Text in Deutsch und Englisch, gebunden, 34,95 Euro).

Weitere Stationen in der Laufbahn des Architekten Bruno Taut waren: Künstlerischer Leiter der Gehag Entwurfsabteilung in Berlin (ab 1924), Professor an der Technischen Hochschule Berlin (1930), Mitglied der Preußischen Akademie der Künste (1931), Umsiedlung nach Moskau (1932), Rückkehr nach Berlin und Flucht in die Schweiz, später nach Japan (1933), Ruf als Professor an die Akademie der Künste in Istanbul und Leiter des Architekturbüros des türkischen Unterrichtsministeriums (1936). Als Taut am 24. Dezember 1938 in der Türkei starb, hinterließ er auch dort eine Reihe von Bauten, so Schulen und Universitätsgebäude in Ankara und Izmir.

Der Architekturkritiker Julius Posener wertete die Bedeutung seines Werks einmal kurz und umfassend: "Er wollte die Gleichheit, und er wollte sie in Freiheit. Gleichheit als Monotonie ist degradierend: Der Mensch wird zur Ziffer. Das Formale ist ebenfalls degradierend: Der Mensch wird zum Teil eines Musters. Taut wollte beides zugleich. Gleichheit und Individualismus ..."

"Kann die Architektur in ihrer Bedeutung jemals überschätzt werden?" fragte Taut in einem 1917 geschriebenen Artikel. "Sie ist Träger, Ausdruck, Prüfstein für jede Zeit. Wir brauchen keine Kulturgeschichte zu treiben, nicht die Einzelheiten des Lebens, der politischen und religiösen Lehren der verschiedenen Epochen zu kennen, um an den steinernen Zeugen das klar zu sehen, was die Menschheit erfüllte. Die Architektur bedeutet gleichsam ein zweites Leben selbst, indem sie die Generationen verbindet und als treuester Spiegel das verkündigt, was längst dahingegangene Propheten gelehrt und Geschlechter geglaubt haben. Es erscheint das Wort Bau-,Kunst' fast zu gering für etwas, was steingewordenes Leben und steingewordene Gedankenwelt ist ..." - Worte, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben.

Silke Osman

 

Die Hufeisensiedlung von Bruno Taut in Berlin-Neukölln: Die Siedlung mit 472 Einfamilienhäusern umfaßt insgesamt 2.400 Wohneinheiten und wurde zum Symbol für den neuen Siedlungsbau in den Jahren 1925 bis 1930. Das Hufeisen hat einen Umfang von 350 Metern und ist um einen eiszeitlichen Kolk angelegt. Foto: Archiv


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