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07.05.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 07. Mai 2005

Endlich aufgearbeitet / Sogar Togo hat dank deutscher Hilfe jetzt ein kritisches Geschichtsbild - und zeigt's uns auch gleich
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Die Völker, gerade die berüchtigten "Erlebnisgenerationen", weigern sich häufig, die Wahrheit über ihre Geschichte zur Kenntnis zu nehmen. Selbst nach 60 Jahren ist die Freude über die Befreiung bei allzu vielen älteren Deutschen noch immer getrübt von sogenannten "Erfahrungen".

Diese Alten haben auch ganz woanders in der Welt, im fernen Togo, den Blick auf die Wahrheit bislang getrübt. Vor wenigen Tagen jedoch stieg von dort endlich ein Zeichen auf, das sichtbar machte, daß mit den Verbrämungen der "Zeitzeugen" nun Schluß ist.

Jahrzehntelang war der westafrikanische Staat ein Hort finsterer Geschichtsmythen. 1884 deutsches Schutzgebiet geworden, konnten die Togoer zwar schon 1914 die erste Etappe ihrer Befreiung feiern, als sie durch Engländer und Franzosen vom preußischen Joch befreit wurden. Leider war die Aufarbeitungskultur in dem kleinen Land damals noch lange nicht soweit fortgeschritten, um dieses grandiose Geschenk zu schätzen (sie wollten nicht einmal den damit einhergehenden Verlust von einem Drittel ihres Landes freundlich würdigen, obschon beträchtliche Gebietsverluste - wie wir modernen Deutschen wissen - zwingend dazu gehören zu einer richtigen Befreiung). Statt Dankbarkeit wucherten fortan schreckliche Legenden. Die Deutschen seien viel besser gewesen als die Franzosen, die Rest-Togo behielten, nachdem seine Westgebiete an das spätere, zunächst noch britische Ghana gingen; so lautete die unausrottbare Mär alter Togoer.

Nach der Unabhängigkeit knüpfte man sofort wieder enge Bande zum verruchten Deutschland. Das war 1960. Reisende Deutsche berichteten von Schulklassen, die ihnen "Heil Dir im Siegerkranz" entgegensangen und alten Einheimischen, die sich stolz an "ihre Zeit bei den Deutschen" erinnerten oder jüngeren, die vergilbte Fotos von Ahnen in deutscher Uniform wie den Mittelpunkt ihres Hausschreins hüteten.

Deutsche Vergangenheitsbewältiger hat dieses "Fortleben kolonialer Unterwürfigkeit", das die Togoer allen Ernstes für das selbstbewußte Hochhalten ihrer eigenen Geschichte hielten, zutiefst erschreckt. Im Jahre 1961 wurde das Goethe-Institut in der Hauptstadt Lome gegründet. Was es in seinen ersten Jahrzehnten getrieben hat, wissen wir nicht. Doch später sollte sich die Einrichtung große Verdienste erwerben in der Aufklärung der Wahrheit über die deutsche Herrschaft. Zuletzt sorgte es für einen regelrechten Ausbruch an kritischem Bewußtsein - und wurde zugleich selbst dessen flammendes Fanal.

Seit 1990 reist ein Dr. Peter Sebald alljährlich nach Togo, um die düsteren Machenschaften seiner deutschen Landsleute vor ihren Opfern zu entlarven. Bei der vorerst letzten öffentlichen Veranstaltung im Goethe-Institut in Lome am 30. März konnte Sebald die Früchte seiner Arbeit unters togolesische Volk streuen. Unter der Überschrift "Die deutsche Diktatur 1884-1914" stellte er klar, daß die Deutschen und ihr (in Togo noch bis ins späte 20. Jahrhundert hoch verehrter) Kaiser "ein Rassisten-Regime, ein Apartheit-Regime" errichtet hätten - womit er die beiden Reizwörter im heutigen Afrika geschickt eingestrickt hatte. Alles war ein einziger Horror, klärte der deutsche Forscher seine afrikanischen Zuhörer auf. Nun wußten die Togoer ja noch, daß man den Deutschen trauen kann - also warum nicht auch diesem hier? Und jetzt wußten sie auch, wer ihr eigentlicher Feind gewesen ist und was zu tun war. Letzte Woche brannte die Bibliothek des Goethe-Instituts nieder, angezündet von aufgebrachten Togoern. Sicher nicht allein Sebalds Verdienst oder das der Institutsleitung, die ihn rührend in seinen Bestrebungen unterstützte. Dennoch hat seine eindrucksvolle Bereinigung des lange Zeit völlig unhaltbar positiven Deutschlandbildes der Togoer gewiß dazu beigetragen, falsche Scham abzulegen.

Der Bundesaußenminister, dem sein "hohes Ansehen in den Ländern der Dritten Welt" besonders wichtig ist, kann Bilder von brennenden deutschen Einrichtungen im Ausland zur Zeit allerdings nicht gut gebrauchen. Schon zu Hause umzüngelt ihn eine Flammenwand aus abstürzenden Popularitätswerten. Wütend schnaubt Fischer daher von "antideutscher Hetze" der togolesischen Regierung. Man fragt sich, wo er sich diesen Begriff angelesen hat - "antideutsche Hetze" gehörte bislang weniger zu seinem Vokabular als vielmehr das Wort von den "verständlichen Reaktionen des Auslands wegen unserer unheilvollen Geschichte", von der die Togoer wie erwähnt erst in eben jenem Hause erfahren hatten, das jetzt aussieht wie einst die deutschen Städte nach ihrer Befreiung.

Antideutsche Hetze" - diesen alten Begriff ausgerechnet von Fischer zu hören, damit soll noch einer zurechtkommen. Daß die deutsche Debattenluft seit Monaten schon von "Patrioten" und "Vaterlandsverrätern" flimmert, schon das haben wir ja kaum verkraftet. Vor wenigen Jahren noch durfte man beide Wörter doch höchstens ironisch (und auch dann nur ganz leise) benutzen. Nun aber kommt es von Tag zu Tag dicker: Man stelle sich vor, irgendein Ortsbürgermeister hätte von Ausländern als "Heuschrecken" gesprochen, die seine Stadt ruinieren? Eingelocht hätten wir den, wegen Volksverhetzung! Jetzt warnt uns tatsächlich der SPD-Chef selbst vor einer Welle undeutschen Ungeziefers, dessen Bekämpfung er zur vaterländischen Pflicht eines jeden ausruft. Bis zur NRW-Wahl zumindest. Vielleicht wird er danach ja wieder insektenfreundlicher und entdeckt erneut die "unabweisbaren Vorzüge der zusammenwachsenden Welt gerade für die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer".

In Berlin wird sowieso gemutmaßt, Müntefering habe mit seiner Heuschreckenrede schon seine Oppositionszeit ab Ende 2006 vorbereitet - um Hartz und so bis dahin vergessen zu machen. Einziges Gegenargument zu dieser Theorie war: Anderthalb Jahre - soweit denke in Berlin keiner mehr voraus. Der Eindruck deckt sich mit unseren Erfahrungen der letzten Jahre. Weshalb wir auch vollstes Verständnis dafür haben, daß die nächste EU-Erweiterung, Heuschrecken hin, Arbeitsplatzexporte her, von Rot-Grün unverdrossen vorangetrieben wird. Wer will denn heute schon voraussagen, ob es im gemeinsamen Markt dann wirklich Betriebe geben wird, die lieber für ein Zehntel der deutschen Lohnkosten in Bulgarien produzieren, statt teuer hierzubleiben?

Bei Benutzung ist ein roter Warnschal zu tragen! Zeichnung: Götz Wiedenroth


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