24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.05.05 / Häßliche Wahrheit / Usbekistans Präsident unterdrückt vor allem sein eigenes Volk

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Mai 2005

Häßliche Wahrheit
Usbekistans Präsident unterdrückt vor allem sein eigenes Volk

Über 700 Todesopfer soll es am vergangenen Wochenende bei Demonstrationen gegen die herrschende Staatswillkür in Usbekistan gegeben haben. Präsident Islam Karimow begründet sein hartes Vorgehen mit dem Kampf gegen den islamistischen Terror, aber das glauben selbst die USA nicht mehr, dabei haben sie dem mit ihnen im Kampf gegen den Terror verbündeten usbekischen Präsidenten schon so manches äußerst undemokratische Verhalten durchgehen lassen. Grund hierfür: der strategische Reiz Usbekistans. Mit 25 Millionen Einwohnern liegt es im Herzen Zentralasiens nahe Afghanistan auf gewaltigen Erdgas-, Erdöl- und Goldvorkommen.

Islam Karimow, eher Diktator als Präsident Usbekistans, ein in der Wolle gefärbter Apparatschik der KPdSU, hatte drei Schlüsselerlebnisse, die ihn um seinen Machterhalt und sein Leben fürchten ließen: die Revolution der Mullah im Iran, der Bürgerkrieg zwischen kommunistischen und muslimischen Klans im benachbarten Tadschikistan 1992 bis 97, und der Sieg der Taliban 1996 in Kabul, die dort den Sowjetkollaborateur Najibullah nach schwerer Folter an einem Laternenmast aufhängten. Um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen, entschloß sich Karimow zur brutalen Unterdrückung jeglicher Islamisten und anderer politischer Gegner im Innern und zum Bündnis mit den USA nach außen. Denn auf die Russen, so der usbekische Präsident einst, der besser russisch als usbekisch spricht, sei kein Verlaß. Außerdem störte russisches Großmachtgehabe - vor allem in Gestalt russischer Truppen in Tadschikistan - die Kreise seiner Außenpolitik, die selbst auf eine Vormachtstellung in Zentralasien abzielt. Da ist amerikanische Militär- und Wirtschaftshilfe sehr praktisch.

Usbekistan wurde deshalb Mitglied der antirussischen Gruppierung GUUAM (Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan, Moldawien) und trat schon 1994 der Nato-Partnerschaft für den Frieden bei. Doch als Karimow 1996 Washington besuchte, bekam er erst einen Kurztermin mit Clinton, nachdem er als Geste des guten Willens einige politische Gefangene freigelassen hatte. Schon damals warnte Paul Wolfowitz vor der "Rußland zuerst"-Politik der Demokraten, die leicht zu einer "Russia only"-Politik degenerieren könnte. Zbig Brezinski bezeichnete Usbekistan als US-amerikanischen "Ankerstaat" in Zentralasien. 1998 besuchte Karimow als erster zentralasiatischer Staatschef Israel. Klar, daß seine Gastgeber ihn nicht mit unpassenden Menschenrechtsfragen nervten. Bei dem US-Feldzug gegen die Taliban wurden im Oktober 2001 5.000 Mann, hauptsächlich Gebirgsjäger, auf dem Luftwaffenstützpunkt Chanabad stationiert. Heute sind es noch 2.000, die auch die Ausbildung der 80.000 Mann starken Armee, der Milizen des Innenministeriums und der Grenztruppen des Geheimdienstes vornehmen. Aus Sicht des Pentagons und des Weißen Hauses war Usbekistan mittlerweile ein verläßlicher Verbündeter geworden, dessen Wohlverhalten mit einem Anstieg der Wirtschaftshilfe auf 300 Millionen US-Dollar jährlich belohnt wurde. Auch an deutscher Entwick-lungshilfe flossen seit 1992 220 Millionen Euro nach Usbekistan, und aus EU-Kassen zusätzlich 120 Millionen Euro. Die Weltbank spendierte noch einmal 600 Millionen US-Dollar und Japan 100 Millionen US-Dollar. Gelegentlich moniert das US-amerikanische Außenministerium das Ausbleiben marktwirtschaflicher Reformen und das Verschwinden von Dissidenten. Diese Kritik und das Einfrieren von 18 Millionen US-Dollar an US-Wirtschaftshilfe entnervten Karimow vor Jahresfrist so, daß er mit der Wiederbelebung der Freundschaft mit Mos-kau drohte. Schon forderte Rußlands Außenminister Iwanow den Abzug der USA aus seinem Hinterhof

Um den Westen zu beschwichtigen, ließ Karimow mehrere Parteien gründen, die so klangvolle Namen wie "Gerechtigkeit", "Wiedergeburt" und "Selbstopfer" tragen und die alle weniger um Wähler als um die Gunst des Präsidenten buhlen. Karimow selbst verließ seine Volksdemokraten und trat 1996 zu den Selbstopferern über, die prompt 1999 die Parlamentswahl gewannen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2000 gab es dann auch wieder einen Gegenkandidaten, doch Abdulhafez Jalalow besaß im Gegensatz zu seinem Vorgänger soviel Verstand und Vorsicht, öffentlich zu verkünden, er werde selbstverständlich selbst für den geliebten Präsidenten stimmen. Deshalb ist er weiter auf freiem Fuß und Karimow wurde mit mehr als 92 Prozent wiedergewählt. Später ließ er sich seine Amtszeit bis 2007 verlängern.

Am brutalsten ging Karimow gegen die Islamisten vor. Die Partei der Islamischen Wiedergeburt (IRP), die gegen die Korruption des Kommunismus und die moralisch-soziale Dekadenz des Kapitalismus agitierte, ließ er 1991 verbieten und zerschlagen, und ihren Parteichef Utaew auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Im Untergrund der Moscheen Usbekistans gibt es seit 1997 allerdings eine weitere islamistische Befreiungsbewegung, die Hizb ut-Tahrir, die bislang mit friedlichen Mitteln den Sturz des Regimes und die Einführung eines Kalifats zu bewirken sucht. Schon auf den Besitz ihrer Flugblätter stehen drakonische Strafen von zehn und mehr Jahren im GULag.

Viel spricht aber dafür, daß das Karimow-Regime die Gefahr der von ihr selbst dauernd plakatierten wahabitischen Revolte saudisch gesteuerter Extremisten selbst provoziert. Für den englischen Botschafter Craig Murray war es ein Schlüsselerlebnis, als er zwei Leichen sehen mußte, die als Häftlinge zu Tode gekocht worden waren. Nachdem sich der Botschafter später mit einem älteren Dissidenten getroffen hatte, fand dieser vier Stunden später seinen Enkel ermordet auf der Türschwelle. Murray klagte dann in einer öffentlichen Rede die systematischen Menschenrechtsverletzungen des Regims an und räumte mit der Ausrede bezüglich des vorgeblichen islamistischen Terrors im Lande auf. In Wirklichkeit seien die Leute arm und verzweifelt und die Regierung verhaßt. Es sei die brutale Unterdrückung des politischen Widerstandes, die den Untergrund radikalisiere, so Murray. Nach diesen Äußerungen wurde Murray nicht nur in Taschkent, sondern auch in London persona non grata, weil er über den besten Freund der US-amerikanischen Verbündeten die häßliche Wahrheit gesagt hatte. A. Rothacher

Islamistische Terroisten? Beerdigung der Opfer der Demonstrationen Foto: pa


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren