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21.05.05 / Eine bald süße, bald zartbittere Welt / Kunst in Schokolade: Zwei Museen in Köln zeigen gleichzeitig Ausstellungen über die süße Verführung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Mai 2005

Eine bald süße, bald zartbittere Welt
Kunst in Schokolade: Zwei Museen in Köln zeigen gleichzeitig Ausstellungen über die süße Verführung
von Silke Osman

Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann", schmetterte Trude Herr, die Kölner Sängerin von Format, Ende der 50er Jahre ins Mikrofon. Die Zuhörer schmunzelten, denn daß die Künstlerin der braunen Köstlichkeit nicht abgeneigt war, konnte man ihr ansehen ... Die amerikanische Schauspielerin Katherine Hepburn war geradezu süchtig nach Schokolade: "Ich habe auf meine Linie nicht aufzupassen und hatte es niemals zu tun", bekannte sie im Alter von 70 Jahren. "Was Sie von mir sehen, ist das Ergebnis eines lebenslangen Genusses von Schokolade."

Seit ihrer Entdeckung vor mehr als 3.000 Jahren - schon die alten Maya schätzten ihre Xocolatl - ist die Schokolade beliebt. Ein Jahrtausend nach Christus kam sie nach Mittelamerika und im 16. Jahrhundert von dort nach Spanien. Zunächst kannte man Schokolade nur als Getränk, das übrigens auch Goethe besonders schätzte: "Wer eine Tasse Schokolade getrunken hat, der hält einen ganzen Tag auf der Reise aus. Ich tue es immer, seit Herr von Humboldt es mir geraten hat."

"Du bist ein erfrischender Schauer, der das Herz benetzt, die Inspirationsquelle für einen Dichtergeist. O, süßer Trunk, Geschenk der Sterne, du kannst nur ein Trank der Götter sein", schwärmte der spanische Jesuit Farronius 1664. Doch nicht nur Dichter lassen sich von der braunen Köstlichkeit inspirieren, jetzt haben auch bildende Künstler eine verführerische Verbindung von Kunst und Schokolade hergestellt, zu sehen in zwei zeitgleichen Ausstellungen in Köln. Das Museum Ludwig, Bischofsgartenstraße 1 (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, jeden ersten Freitag im Monat 10 bis 23 Uhr) und das Imhoff-Stollwerck-Museum, Rheinauhafen 1 a (dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr, am Wochenende und feiertags 11 bis 19 Uhr) präsentieren noch bis zum 19. Juni Werke von so bekannten Künstlern wie Claes Oldenburg, Ilya Kabakov, Andreas Slominski oder Isa Genzken. Insgesamt 21 Bildhauer und Objektkünstler haben sich der Bitte des Museums Ludwig gestellt, eine Kleinplastik für den Guß in Schokolade zu entwerfen. Ein Buch im Tafelformat aus dem Verlag Hatje / Cantz begleitet diese Ausstellung, die dem Betrachter das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt (Kunst in Schokolade, 144 Seiten, 66 Abb., davon 42 farbig, gebunden, 19 Euro).

Selbstverständlich, daß zwei so unterschiedliche Museen die entstandenen Kleinplastiken auch unterschiedlich präsentieren. Während im Museum Ludwig, das vornehmlich Kunst der 20. und 21. Jahrhunderts sammelt, die Arbeiten in Vitrinen ausgestellt sind und so die künstlerischen Bezüge in den Vordergrund gerückt werden, zeigt das Imhoff-Stollwerck-Museum die Plastiken im Kontext seiner kulturhistorischen Sammlung. Auf einem langen Tisch reiht sich ein Entwurf an den anderen. Ein Hut zum Anbeißen etwa, den Hans-Peter Feldmann schuf, ein dicker Mann, den es tatsächlich auch in Fleisch und Blut gibt und der auf den Namen Siegfried hört. Karin Sander hat seine Maße mit einem 3D-Kamera-Aufnahmeverfahren, das man in der Modebranche kennt, in einen Computer eingescannt und diese schließlich in ein Modell für Schokoladenguß umgesetzt. Sonja Allhäuser hat gar eine ganze Truppe aufmarschieren lassen, die sie demonstrieren läßt. Aber wofür? Oder wogegen? Freiheit für die Kakaobohne? Schokolade für alle?

Ein wenig eklig wird's dann bei Mike Kelley, der ein weißes Frauenbein und ein schwarzes Männerbein präsentiert. Brutal abgetrennt, liegen die Knochen frei. Bei diesen Gliedern sitzen Cashew-Nüsse, die lebhaft an Würmer erinnern. Abscheulich! Da genießt man geradezu den Einfall von Ilya und Emilia Kabakov, die vier Tassen Schokolade kredenzen, statt aus edlem Porzellan sind diese Tassen allerdings aus Schokolade gefertigt, während das Getränk aus Keramik hergestellt ist.

Nicht nur diese Plastiken, von denen einige besonders beliebte die Chance haben, in Serie produziert zu werden, zeigen die Vielfalt der Schokoladenwelt. Faszinierend ein Besuch in diesem Erlebnismuseum, wo die Eintrittskarte aus Schokolade besteht, wo ein drei Meter hoher Kakaobrunnen zum Naschen einlädt und wo man live dabei sein kann, wenn der Hohlraum im Weihnachtsmann entsteht. Es ist übrigens nicht das erste Mal, daß Schokolade zweckentfremdet wird. Schon 1903 kam Ludwig Stollwerck, ein Sohn des Firmengründers Franz und Freund von Thomas A. Edison, auf die Idee, eine Art Grammophon herzustellen, auf dem man Schokoladenschallplatten abspielen konnte. Ganze 25 Sekunden lief der Spaß. Diese Idee hat John Miller aufgegriffen, der eine 33er LP präsentiert, die, so meint er, in einem genügend kalten Raum durchaus abzuspielen wäre.

Kakao - Kult und Sucht, Sklaverei und Schwelgerei, zwischen diesen Extremen bewegt sich die Welt dieses Genußmittels, eine bald süße, bald zartbittere Welt. "In Schokolade steckt alles Gute und alles Böse", so Julia Friedrich vom Imhoff-Stollwerck-Museum. Vor allem aber Genuß ohnegleichen.

Karin Sander: Siegfried

Hans-Peter Feldmann: Hut Fotos (2): Museum


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