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04.06.05 / Europäische Sandkastenspiele / Woran große Pläne scheitern - vom alten Fritz bis Chirac und Schröder

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Juni 2005

Europäische Sandkastenspiele
Woran große Pläne scheitern - vom alten Fritz bis Chirac und Schröder

Es wäre nicht der erste große Europa-Plan, der scheitert. Die Diskussion über das Europa der Zukunft, die in den letzten Wochen anläßlich der Verfassungsfrage weit über die Grenzen Frankreichs hinaus geführt wurde, erinnert an die vielen Pläne zu Europa, zum Beispiel an das "Projekt für den ewigen Frieden in Europa" des französischen Abtes Saint Pierre vor knapp 300 Jahren. Der alte Fritz meinte dazu wie immer spöttisch zu seinem Freund Voltaire: "Die Sache wäre sehr brauchbar, wenn nur nicht die Zustimmung der europäischen Fürsten und noch einige ähnliche Kleinigkeiten dazu fehlen würden." Diese "Kleinigkeiten" sind heute nicht die Fürsten, sondern das Volk. Denn die Fürsten waren und sind sich ja einig, aber man hat die Rechnung ohne den heutigen Souverän, eben das Volk gemacht. Gerade bei einer so zukunftsträchtigen Strukturfrage wie eine neue Verfassung muß dieser Souverän entscheiden.

Man kann mit einiger Sicherheit annehmen, daß der europäische Verfassungsentwurf auch in Deutschland diese wahre Souveränitätshürde nicht genommen hätte. Und man wird - nach den Niederlanden Mitte dieser Woche - im September in Dänemark und in Polen wahrscheinlich ebenfalls erleben, daß das Mißtrauen der Völker in die Arbeit der Brüsseler Technokraten und vor allem der bürgerfernen Staats- und Regierungschefs in den letzten Monaten enorm gewachsen ist.

Noch ist das Vertragswerk nicht endgültig gescheitert. In einer eigenen Erklärung für die Schlußakte zur Unterzeichnung des Vertrags ist festgehalten, daß der Europäische Rat sich mit der Frage neu befassen muß, wenn vier Fünftel der Staaten ratifiziert haben und bei den anderen "Schwierigkeiten bei der Ratifikation aufgetreten" sind. Erst wenn sich noch fünf Staaten Frankreich anschließen, ist die Verfassung endgültig gestorben. Nach dem Nein in Frankreich liegt sie erst mal angeschlagen am Boden.

Nun hoffen also die Berufseuropäer auf den Fortgang des Ratifikationsprozeßes - und übersehen das Signal des Souveräns. Es ist im Grunde ein Hilferuf: Rettet unsere Identität!

Die kosmopolitischen Technokraten haben kein Problem mit der europäischen Identität. Sie existiert für sie vor allem in schlauen Büchern. Sie reisen durch die Welt, bewundern die Vielfalt Europas und parlieren mit ihresgleichen in den Ländern, die an die Tore der EU klopfen. Und wenn das Klopfen herrisch und lauter wird, wie im Fall der Türkei, dann ducken sie sich. Diese Weltfremdheit und Feigheit der Chiracs, Schröders und Blairs rächt sich nun. Der Souverän will nicht so schnell fahren und kritiklos erweitern. Die Verfassungskarambolage in Frankreich ist nur der erste Auffahrunfall der politischen Klasse, oder, um es mit Hans-Peter Schwarz zu sagen, nicht nur die Republik, sondern auch das Brüssel-Europa ist ohne Kompaß.

Die Angst der Völker Europas vor den Folgen der Erweiterung ist spürbar, die Angst vor dem Ansturm der Türken ist real. Das Gejammer in Paris, Brüssel und Berlin über das Nein dagegen ist heuchlerisch. Denn selbst wenn die Verfassung durchgekommen wäre - der Vertrag von Nizza gilt so oder so bis 2009. Da ist allemal genug Zeit, um einen neuen Anlauf zu nehmen. Und es gibt, wie der ehemalige Außenminister Frankreichs, Jean François-Poncet, richtig bemerkte, "für die Europäer keine Alternative zu Europa". Man müsse nur darauf achten, daß die Völker ihre Identität wahren können. Das wurde in Brüssel versäumt. Der fehlende Gottesbezug ist dafür nur ein Beispiel. J. Liminski


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