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04.06.05 / Gelungene Mischung / Das Deutschlandtreffen hatte viele Facetten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Juni 2005

Gelungene Mischung
Das Deutschlandtreffen hatte viele Facetten

Kichernd rennt eine Horde etwa 13jähriger Mädchen in Sportkleidung mit Turnbeutel in der Hand durch das gläserne Eingangstor. Schnell wollen sie noch mal durch die Hallen gehen und schauen, ob es am letzten Tag des Turnfestes in Berlin noch irgendetwas gibt, was sie noch nicht gesehen haben. Doch die Aussteller in Halle 2.2 haben wenig Zeit für die Mädels, da sie schon ihre Kisten zusammenpacken und zum Lkw nach draußen tragen. Eine Ebene tiefer, in den Hallen 2.1 und 4.1 herrscht ebenfalls reges Treiben, doch hier wird nicht ab-, sondern aufgebaut, denn am nächsten Tag beginnt hier das Deutschlandtreffen der Ostpreußen.

Tische werden aufgestellt, mit Stoffen dekoriert, Trennwände zurechtgerückt, Plakate aufgeklebt und die Ware ausgelegt.

Keine 20 Stunden später gehen wieder Marjellchens durch das gläserne Eingangstor, doch diese sind zugegeben ein wenig reifer und weniger sportlich gekleidet als ihre Vorgängerinnen vom Freitag. Das tut ihrer Spannung jedoch keinen Abbruch, denn auch sie legen teilweise für ihr Alter einen überraschend zügigen Schritt an den Tag.

In Halle 2.1, dem Treffpunkt der Heimatkreise, sind schon gegen elf Uhr fast alle Plätze belegt. Ein Summen und Brummen erfüllt den Raum. Und auch in Halle 4.1 wundern sich die Aussteller über den unerwartet großen Ansturm. "Haben Sie das selber gemacht?", "Wie teuer ist das?", "Haben Sie einen Ostpreußenautoaufkleber im Sortiment?", "Können Sie mir helfen, meinen Mann zu finden?", "Kann ich das kopieren?", "Gibt es das auch auf DVD?", "Haben Sie auch was für Diabetiker?"; dies sind nur einige wenige Fragen, die auf die Mitarbeiter an den 49 verschiedenen Ständen einprasseln.

Kurz vor 14 Uhr stürmt jedoch eine beträchtliche Zahl der Anwesenden aus den Hallen hinaus, um quer über den weitläufigen Vorplatz der Hallen, die Treppen hinauf, in die Deutschlandhalle zu gelangen. Die Kulturpreisverleihung steht auf dem Programm, und zu Beginn der Veranstaltung haben sich mehrere tausend Ostpreußen und mit Ostpreußen Verbundene in der etwas zu dunklen Halle versammelt, um die beiden Preisträger Reinhard Goltz und Sem Simkin zu sehen. Der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, eröffnet die Veranstaltung. Die beiden Lobreden werden von der Kulturredakteurin der Preußischen Allgemeinen Zeitung, Silke Osman, und der bei den Ostpreußen beliebten Autorin Hildegard Rauschenbach gehalten.

Völlig unerwartet tritt danach der stellvertretende Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen Bernd Hinz auf die Bühne und verleiht Wilhelm v. Gottberg als besondere Würdigung für seine für die Ostpreußen erbrachten Leistungen den Preußenschild.

Die anschließende Rede der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, bewegt vor allem jene, die die Vertreibung selbst erlebt haben.

Zu Beginn des kulturellen Nachmittags ist die Deutschlandhalle immer noch sehr gut besucht. Tausende erwarten den vom letzten Deutschlandtreffen in Leipzig so gut in Erinnerung behaltenen Sänger BernStein. Damals hatte er mit wenigen Liedern das Publikum zum Mitmachen bewegt und eine einmalige Stimmung in der hellen Glashalle der Leipziger Messe erzeugt. Dieses Mal ist er in erster Linie Moderator und singt nur zu Beginn zwei seiner Lieder, die jedoch in der hierfür etwas zu weitläufigen Deutschlandhalle nicht dieselbe Wirkung entfalten wie in Leipzig. Doch BernStein meistert stattdessen seinen Moderatorenjob mit Bravour. Als erstes kündigt er den Ostpreußenchor aus Hamburg an, danach singt der wirklich beeindruckende Chor der Deutschen aus Heydekrug. Gerade dafür, daß Deutsch nicht ihre Alltagssprache ist, klingen ihre vorgetragenen deutschen Musikstücke unerwartet klar. Auch der besonders lebhafte Dirigent hat seine Sänger offenbar voll im Griff.

Die danach auftretende Mundartgruppe aus Bremen zeigt zu Beginn ein wenig Scheu, auf die große Bühne der Deutschlandhalle zu treten. Diese ist jedoch schnell überwunden, und die rüstigen Rentner sind nicht mehr von der Bühne zu bekommen, so wohl fühlen sie sich dort.

Auch der abermals auftretende Ostpreußenchor erfordert viel Ausdauer von den Zuschauern, die vor dem Auftritt der aufgrund der Überlänge der beiden Darbietungen verspätet auftretenden Folkloregruppe Wandersleben noch einmal schnell eine Essenspause an einem der zahlreichen Imbißstände außerhalb der Halle einlegen.

Als dann die Gruppe Wandersleben endlich die Bühne betritt, ist die Deutschlandhalle wieder von einem interessierten Publikum bevölkert. Wenn auch die gesanglichen Darbietungen der Gruppe nicht ganz so überragend ist, so machen sie dies durch bunte Kostüme, wilde Tänze, liebevoll ausgedachte Beiträge leicht wieder wett.

Erst kurz vor 20 Uhr verläßt dann der letzte Ostpreuße für diesen Sonnabend das Gelände der Messehallen in Berlin. Doch schon vor neun Uhr stehen die ersten am Sonntag wieder vor den Toren, um in der Halle der Heimatkreise zu plachandern, die Ausstellungen zu betrachten, einzukaufen oder der Geistlichen Stunde mit Pastor Dr. Christian Erdmann-Schott zu lauschen.

Auch die in Ostpreußen aktiven Pastoren Wolfram und Plorin sind in Halle 4.1. am Stand der evangelischen Ostpreußen vor Ort. Voller Leidenschaft berichten sie über ihre Arbeit in der Heimat, den Aufbau von Gemeinden, den neu erwachenden Glauben und der Armut der Menschen dort. Gleich daneben ist der Stand des Kuratoriums Arnau, und auch hier geht es um Kirche, wenn auch hier eher auf architektonischer Basis.

Gleich auf der Ecke gegenüber verkauft der Sänger BernStein seine CDs und gibt hin und wieder den Passanten eine Kostprobe seines Könnens, indem er mal schnell eines seiner Lieder anstimmt. So manches Gespräch am daneben befindlichen, von der Witwe des kürzlich verstorbenen ostpreußischen Autoren Horst Michalowski betriebenen Stand wird dann jedesmal von der tiefen, kräftigen Stimme BernSteins übertönt.

Neben zahlreichen Reiseveranstaltern und Bernsteinverkäufern kann der Besucher des Ostpreußentreffens sich auch über Kultur, Handarbeitstechniken und Landwirtschaft in der Heimat sowie das Trakehner-Pferd oder die Skudden, eine besondere ostpreußische Schafzüchtung, erkundigen.

Auch während der Großkundgebung in der Deutschlandhalle - eingeleitet durch das Glockengeläut des Königsberger Doms und den Einmarsch der gesamtdeutschen Fahnenstaffel - bleiben noch Tausende Ostpreußen in den Hallen 2.1 und 4.1. Ein Grund hierfür dürfte sein, daß die Totenehrung, die Grußworte, die Ansprachen des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Georg Milbradt, (siehe S. 19/20) und von Wilhelm v. Gottberg in die Hallen per Lautsprecher übertragen werden. Zugegeben, anfangs dröhnen die Stimmen der Redner ein wenig zu laut durch die Hallen, doch nach anfänglichen Problemen mit der Lautstärke kann nebenbei weiter plachandert, Königsberger Marzipan ge-

nascht oder alte Postkarten bestaunt werden. Der Husum- und der Archiv Verlag bekunden am Ende des Tages ihre Freude über diese Einrichtung. Überhaupt sind einige der Aussteller überrascht, daß doch noch so viele Ostpreußen nach Berlin gekommen sind. Eine so starke Präsenz hatte keiner mehr erwartet; eine Präsenz, die die Kassen der meisten gewerblichen Aussteller erfreulich klingeln ließ.

Auch der Stand des Bundes Junger Ostpreußen erfreute sich eines regen Interesses. Um die 20 junge Leute haben hier während der Tage bei Aufbau, Verkauf und Abbau geholfen. Aber im Grunde sind alle der in den Hallen vertretenen Aussteller sehr engagiert bei der Sache: Ob am Stand des Königsberger Express, des BdV-NRW, der Wappen auf Glas von Sigrid Bräuning, der Dittchenbühne, der Malerin Ursel Dörr, des Vereins zur Bergung Gefallener oder dem Ännchen-von-Tharau-Stand des Ehepaares Will - um nur einige der vielen noch nicht genannten zu erwähnen.

Am Ende des ersten Deutschlandtreffens in Berlin tun zwar allen die Füße aufgrund der nicht gerade kurzen Wege weh, doch alle sind auch um zahlreiche Erfahrungen reicher. Erschöpft sitzen einige in den vom Turnfest stehengebliebenen Strandkörben auf dem Vorplatz und lassen das Erlebte Revue passieren. Andere eilen zu ihren Bussen oder werfen einen letzten Blick in die großen Hallen, denn vielleicht ist ja doch noch irgendwo ein alter Bekannter, den man übersehen hat. Manche blicken dabei wehmütig in die Runde, denn einige der alten Bekannten sind nicht mehr gekommen. Dafür sieht man aber auch neue Gesichter aus der Kinder- und Enkelgeneration, doch Erinnerungen austauschen kann man mit ihnen nicht mehr, zuhören jedoch tun sie gern, und zu erzählen haben die Älteren viel.

Mit wachen Augen eilt ein älterer Ostpreuße vom interessanten Dia-Vortrag "Ostpreußen" aus der Deutschlandhalle zurück in die Halle 4.1. Sein Leinenbeutel mit der aufgedruckten Elchschaufel ist prall gefüllt. Doch sein Blick schweift nach rechts und links; vielleicht gibt es etwas, was er bisher übersehen hat. Aber die Aussteller in Halle 4.1 haben wenig Zeit für ihn, da sie schon ihre Kisten zusammenpacken und zum Lkw nach draußen tragen. Das Deutschlandtreffen der Ostpreußen 2005 ist zu Ende. Rebecca Bellano

Foto: Osman; Foto: Pawlik


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