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11.06.05 / Erfolg durch Gemeinschaft / Sie leben wie die Franzosen und rechnen wie die Deutschen: Die Eupener

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Juni 2005

Erfolg durch Gemeinschaft
Sie leben wie die Franzosen und rechnen wie die Deutschen: Die Eupener

Jovial, lebenslustig und als Jurist in allen Finessen des komplizierten europäischen Minderheitenrechts bewandert ist Karl-Heinz Lampertz, Ministerpräsident "der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens" und damit des kleinsten EU-Bundesstaats. Zur Zeit besucht er alle Ministerpräsidenten der deutschen Länder, um für sein Ländle zu werben. Der Mittfünfziger ist verantwortlich für 78.000 deutschsprachige Belgier in der Region Eupen, die - bis dahin preußisch - nach dem Versailler Vertrag 1920 zu Belgien kam. Das prosperierende Eupen zwischen der Eifel und der niederländischen Provinz Limburg zieht auch heute noch Deutsche an, die vorzugsweise aus Aachen zuwandern.

Lampertz, ein Sozialdemokrat und Vater von zwei Kindern, ist stolz darauf, daß Eupen im Gegensatz zum übrigen Belgien ein Wachstum von 2,7 Prozent aufweist, er bürgernah regieren kann, einen ausgeglichenen Haushalt hat und bei ihm Schulfrieden herrscht. Die meisten Bildungseinrichtungen, von den Kindergärten bis zur Universität, befinden sich in katholischer Trägerschaft. Dennoch zahlt der Staat die vollen Gehälter. Die Kindergärtnerinnen haben eine akademische Ausbildung, somit ist für diese Berufsgruppe ein Wechsel von Deutschland nach Belgien in den meisten Fällen nicht möglich.

Neben Brüssel gibt es in Belgien drei Gemeinschaften, die Flämische, Französische und Deutschsprachige. Das besondere ist, daß Eupen seit 1983 selbstständig nationale und internationale Verträge abschließen kann. Dreimal, zuletzt Anfang dieses Jahres, gab es die Übertragung neuer Zuständigkeiten an die Deutschsprachige Gemeinschaft. Nach Denkmal- und Landschaftsschutz jetzt auch die Eigenverantwortung für die Kommunen. Damit hebt sich die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens aus der Reihe der über hundert Minderheiten in Europa heraus.

Lampertz, Chef eines eigenen vierköpfigen Kabinetts, sagt nicht ohne Selbstbewußtsein: "Wir sind der kleinste Gliedstaat mit Gesetzgebungshoheit in der EU und werden es bleiben bis die Schweiz der EU beitritt - und das dauert noch ein bißchen. Unsere Verwaltungsstrukturen sind so gut, daß bereits dreimal eine Delegation der russischen Duma da war, um von uns zu lernen." Die eigentliche politische Macht in Belgien liegt auf der regionalen Landesebene.

Das Interessanteste an der Stellung der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist, so Lamperz, "neben ihrer Kleinstaatlichkeit und ihrer Minderheitensituation die Grenz-lage". Die "Deutschsprachige Gemeinschaft" hat den großen Vorteil, im Osten Belgiens, an der Kulturscheide zwischen dem deutschsprachigen und dem französischsprachigen Raum zu liegen und da eine wichtige Bindegliedfunktion wahrzunehmen. "Wir leben wie die Franzosen und rechnen wie die Deutschen."

Als Vertreter einer ehemaligen großen Kolonialmacht setzt sich Lampertz für Zentralafrika ein. "30 Prozent meiner Zeit verbringe ich damit, andere davon zu überzeugen, daß es auf dem schwarzen Kontinent keine Ruhe geben wird, wenn wir nicht endlich sein Herz stabilisieren."

Lampertz wirbt zugleich für die große Ausstellung "175 Jahre Belgien - 25 Jahre Föderalismus" ( www.175-25.be ), die mit verschiedenen Schwerpunkten und an verschiedenen Orten in Brüssel stattfindet. Norbert Matern


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