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11.06.05 / Rußland schaut in die Röhre / Fertiggestellte Erdöl-Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan erfreut nicht jeden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. Juni 2005

Rußland schaut in die Röhre
Fertiggestellte Erdöl-Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan erfreut nicht jeden
von Martin Schmidt

Am 25. Mai wurde die Öl-Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan in Betrieb genommen. Diese Trasse, die aserbaidschanisches Erdöl aus dem Kaspischen Meer, aber auch Öl aus dem mittelasiatischen Raum über Georgien und die Türkei auf die Märkte Europas und der USA bringt, ist von außerordentlicher geostrategischer Bedeutung. Künftig soll sie jährlich 50 Millionen Tonnen Rohöl zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportieren, von wo aus der kostbare Rohstoff mit Tankern in die europäischen Industriestaaten und die USA verfrachtet wird. Bei voller Kapazität könnte die Pipeline täglich eine Million Barrel Rohöl weiterleiten, was einem Zehntel der täglichen US-Ölimporte entspricht. Auf seinem weiten Weg muß das kaspische Erdöl über bis zu 2.800 Meter hohe Berge gepumpt werden. Zum Schutz vor Sabotageakten ist die Leitung einen Meter tief in der Erde vergraben.

Die 1999 vertraglich festgeschriebene und 2002 begonnene Pipeline geht wesentlich auf US-amerikanische Initiative zurück. Vor allem amerikanische und britische Unternehmen führten ihren Bau aus. In erster Linie soll die Verbindung die Abhängigkeit der westlichen Industrienationen vom arabischen und russischen Öl verringern. Der große Verlierer heißt Rußland, da das kaspische Öl bisher vorwiegend durch russische Pipelines ausgeführt wurde und Moskau nun Transitgebühren in Millionenhöhe entgehen. Darüber hinaus entlastet der Bau den Bosporus, der als Nadelöhr für den Ölexport aus dem Ural und der Kaspischen Region chronisch überlastet ist.

Nicht zuletzt bedeutet das insgesamt 2,3 Milliarden teure Projekt aus der Sicht Washingtons eine willkommene wirtschaftliche Stärkung der kaukasischen Länder Aserbaidschan und Georgien, die sich mittlerweile weitgehend vom einst übermächtigen Rußland abkoppeln konnten. Georgien, dessen ebenso junger wie dynamischer Präsident Michail Saakaschwili (der übrigens eine Teilnahme an den Moskauer Siegesfeierlichkeiten vom 9. Mai ablehnte) sein nach dem Untergang des Sowjetreiches arg gebeuteltes Land Schritt für Schritt aus der Krise führt, profitiert enorm: Die Einnahmen aus dem Öl-Transit tragen dazu bei, daß der Haushalt 2005 dreieinhalbmal so groß ist wie unter dem korrupten Ex-Präsidenten Schewardnadse. Erst kürzlich wurde ein Vertrag über eine halbe Milliarde Dollar für eine Ölraffinerie in der Schwarzmeerregion Adscharien unterzeichnet, die dieses jahrelang fast selbständige Gebiet zusätzlich an die Zentralmacht bindet. Daß es den USA bei der neuen Pipeline um die Umgehung des russischen Einflußgebietes ging, zeigt sich auch an der Tatsache, daß Georgiens mit Rußland eng verbundener, mit Aserbaidschan jedoch verfeindeter Nachbar Armenien nicht einbezogen wurde.

Aus deutscher wie europäischer Perspektive ist die Fertigstellung des gewaltigen Projekts zu begrüßen. Und zwar nicht zuletzt angesichts des absehbaren Verbrauchs der Nordsee-Ölreserven, wodurch sich die Abhängigkeit Europas vom Öl-Import weiter erhöht und sichere Transportrouten zur Überlebensfrage werden. Mit Georgien wird ein überaus deutschfreundliches Land politisch wie wirtschaftlich stabilisiert und enger an den europäischen Kernraum angebunden.

Auch sollte man wissen, daß am Bau des mit 1.070 Kilometern längsten Pipelineabschnitts durch die Türkei die deutsch-österreichische Ingenieurgemeinschaft Lässer Feizlmayr (ILF) mit ihren Hauptniederlassungen federführend beteiligt war. Die ILF hatte dafür Sorge zu tragen, daß die Rohre mit einem Durchmesser von gut einem Meter allen Gefahren im anatolischen Erdbebengebiet sowie durch die Witterungseinflüsse von Eis und Schnee standhalten.

Die amerikanische Freude über den Abschluß der Trasse Baku-Tiflis-Ceyhan wird noch dadurch vergrößert, daß sich jüngst auch Kasachstan dem Projekt anschloß. Dieses große und geostrategisch wichtige Land will sich damit einen weiteren Exportweg für seine reichen Ölvorräte erschließen, die bis vor kurzem nur über russisches Territorium transportiert werden konnten. Das französische Erdölunternehmen Total, die amerikanische Firma ConocoPhillips, die italienische ENI und die japanische Inpex, die an der Ausbeutung der gewaltigen Ölvorkommen im kasachischen Fördersektor des Kaspischen Meeres beteiligt sind, traten dem Pipeline-Konsortium Baku-Tiflis-Ceyhan bei, und die kasachische Staatsführung hat bereits der Umsetzung weiterer gemeinsamer Energieprojekte zugestimmt. Präsident Nasarbajew betonte, daß es richtiger sei, die Pipeline "Aktau-Baku-Tiflis-Ceyhan" zu nennen.

Rußland schaut unterdessen in die Röhre, versucht sich jedoch mit der Hoffnung auf Alternativprojekte über die offensichtliche Niederlage hinwegzutrösten. Dabei tritt Moskau jedoch nur als Juniorpartner der kommenden weltpolitischen Giganten China und Indien auf.

Die Volksrepublik China konnte letztes Jahr beispielsweise eine 4.200 Kilometer lange Pipeline von Schanghai zum Tarimbecken fertigstellen, die mit kasachischen und eventuell auch iranischen und turkmenischen Routen verbunden werden soll. Bereits 1996 unterzeichneten die "roten Mandarine" ein Abkommen mit Kasachstan über eine 3.000 Kilometer lange Pipeline, das derzeit mit großem Tempo realisiert wird. Außerdem gibt es weitere bedeutsame chinesisch-indische, aber auch russisch-indische Ölförderprojekte, die allerdings noch ihrer Umsetzung harren.

Daß sich die USA mittel- und langfristig auf den jüngsten energiepolitischen Erfolgen keinesfalls ausruhen können, zeigt allein schon die Tatsache, daß China und das zu rund 70 Prozent von Ölimporten abhängige Indien am 11. April eine "strategische Allianz" mit eindeutig antiamerikanischer Stoßrichtung verkündeten und so ihren Anspruch auf Teilhabe am "Great Game" ums Öl bekräftigten.

Unter Ausschluß Rußlands: Einweihungszeremonie mit Handabdruck des US-Energieministers und der Präsidenten Kasachstans, der Türkei, Georgiens und Aserbaidschans (v. l.) Foto: pa


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