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18.06.05 / "Heute ist der glücklichste Tag in meinem Leben" / Vor 70 Jahren lockerten die Briten mit ihrem Flottenabkommen mit den Deutschen die Fesseln

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. Juni 2005

"Heute ist der glücklichste Tag in meinem Leben"
Vor 70 Jahren lockerten die Briten mit ihrem Flottenabkommen mit den Deutschen die Fesseln von Versailles
von Hans Lody

Heute ist der glücklichste Tag in meinen Leben", meinte Hitler am 18. Juni 1935 gegenüber dem deutschen Marinechef Admiral Raeder, als der Weltöffentlichkeit an diesem Tag der Abschluß des deutsch-britischen Flottenabkommens überraschend mitgeteilt wurde. Am Jahrestag von Nelsons legendärem Sieg über die Franzosen bei Trafalgar wurde Deutschland wieder gleichberechtigt in den Kreis der führenden Seemächte aufgenommen. Dies richtete sich durchaus als unfreundlicher Akt gegen die beherrschende Hegemonialmacht Kontinentaleuropas in den 20er und 30er Jahren - Frankreich.

Vor 1933 hätte ein solcher Vertragsabschluß eine Stärkung und Stabilisierung der Demokratie Deutschlands bedeutet. Maßgebend waren in Großbritannien jedoch immer außenpolitische Überlegungen. Diese folgten der seit 400 Jahren betriebenen "Balance of Power", die sich immer gegen die stärkste kontinentaleuropäische Macht richtete. So führte der Earl of Beatty, Admiral of the Fleet und britischer Flottenführer des Ersten Weltkrieges, am 26. Juni 1935 im Oberhaus aus: "Wenigstens von einem Land der Welt haben wir kein Wettrüsten zu fürchten."

Der Kern des Abkommens begrenzte die deutsche Flottenrüstung auf 35 Prozent der britischen, was wiederum ziemlich genau der französischen Stärke entsprach. Hiernach standen Deutschland rund 420.000 Tonnen Kriegsschiffstonnage zu. Allein bei den Schlachtschiffen bedeutete dies, entweder sieben Einheiten der "Scharnhorst"- oder aber fünf der "Bismarck"-Klasse bauen zu können. Bislang bestand die deutsche Marine aus drei Panzerschiffen zu je 10.000 Tonnen, von denen die "Graf Spee" allerdings noch nicht ganz fertiggestellt war, sechs leichten Kreuzern zu je 6.000 Tonnen, zwölf Torpedobooten zu je 800 Tonnen sowie einer Anzahl völlig veralteter Kriegsschiffe aus der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende. Diese Kräfteverteilung hatte zur Folge, daß Italien wie Frankreich in der Lage gewesen wären, Deutschland nicht nur zu Lande, sondern auch zur See jederzeit zu bedrohen. Sogar die polnische Marine mit ihren zwei modernen Großzerstörern (später kamen zwei weitere hinzu) und drei U-Booten wäre damals für Deutschland ein beachtlicher Gegner gewesen. Der 1917 mit deutscher Hilfe wieder neu erstandene polnische Staat hatte in der Zeit von 1918 bis 1923 Angriffskriege gegen Rußland, Deutschland und Litauen geführt und galt im Foreign Office als "Schurkenstaat". Großbritannien wollte Deutschland als militärischen Faktor nicht ausgeschaltet wissen, da dies nicht der Balance of Power entsprochen hätte.

In der Folge baute die deutsche Kriegsmarine im gleichen Verhältnis die international üblichen Schiffsklassen nach und orientierte sich dabei meist an der höchstzulässigen Tonnage. Nach den Erkenntnissen des Ersten Weltkrieges hätten Schiffe mit einem großen Aktionsradius und - wie schon im Ersten Weltkrieg - gutem Panzerschutz gebaut werden müssen. Dieses Kriterium erfüllten beispielsweise die dann gebauten Schweren Kreuzer der "Hipper"-Klasse nicht, obwohl sie sich während des Krieges dennoch bewähren sollten.

Immerhin konnte Großbritannien darauf vertrauen, daß von Deutschland kein Wettrüsten drohte. Flottenrüstung war und ist ein sehr langwieriges Unterfangen und muß sehr langfristig geplant werden. Der Bau eines Schlachtschiffes oder Flugzeugträgers dauerte mindestens fünf Jahre. In London war man froh darüber, daß von Deutschland - anders als vor dem Ersten Weltkrieg - keine Flottenrivalität drohte, denn Frankreich, Italien, Japan und auch die USA waren für die Briten ernst-

hafte Rivalen auf dem Meer. Der deutsche Flottenchef Admiral Raeder verbot ausdrücklich, sich in der Marine auch nur theoretisch mit einer Kriegführung gegen England zu befassen. Erst Ende Mai 1938, im Zuge der Sudetenkrise bestellte Hitler Admiral Raeder zu sich und erklärte ihm, daß nun doch mit einer Gegnerschaft Englands zu rechnen sei. Als Hitler im Januar 1939 das erst dreieinhalb Jahre zuvor geschlossene Flottenabkommen wieder kündigte, wurde Deutschland aufgrund der inzwischen erfolgten Aufrüstung von den Briten als die Hegemonialmacht des Kontinents wahrgenommen. Damit war der Weg zum Krieg bereitet. Waren die Briten 1938 beim Münchner Abkommen noch großzügig gegenüber Deutschland gewesen, so bestärkten sie im September 1939 Polen in seiner unnachgiebigen Haltung. Zum Zeitpunkt der Vertragskündigung hatte die Kriegsmarine noch nicht einmal die im Vertrag zugestandenen 420.000 Tonnen Kriegsschiffe gebaut. Selbst unter Einrechnung der erst im Kriegsverlauf fertig gestellten Schlachtriesen "Bismarck" und "Tirpitz" hätte das Reich zusätzlich für 30.000 Tonnen ein weiteres Schlachtschiff bauen können. Die beiden erlaubten Flugzeugträger wurden genausowenig fertiggestellt wie das Bauprogramm leichter Kreuzer. Auch hatte die Marine mit manchem neuen Typ kein Glück. Waren die Schlachtschiffe der "Scharnhorst- Klasse" noch eine direkte Fortentwicklung der Panzerschiffe der "Deutschland"-Klasse gewesen, so entwickelte man die Torpedoboote der "Tiger"-Klasse nicht kontinuierlich weiter, sondern konstruierte etwas völlig Neues. Die Großzerstörer hatten ein schlechtes Seeverhalten und besaßen eine betriebsunsichere Antriebsanlage. Allein die U-Boot-Tonnage wurde ausgeschöpft. Das war nicht verwun-

derlich, weil die Royal Navy wenig U-Boote besaß. Hier baute man auf einem im Ersten Weltkrieg besonders bewährten Muster auf, dem UB III-Typ, den man in den 20er Jahren im Ausland (Spanien, Holland, Türkei, Finnland) zum neuen Standardtyp VII fortentwickelt hatte.

Mit der Kündigung des Flottenabkommens machte Hitler der Regierung in London klar, daß er selbst einen Krieg gegen das Vereinigte Königreich in Kauf nehmen würde, um seine außenpolitischen Ziele durchzusetzen. In keiner anderen Frage reagierten die Briten so empfindlich wie in Angelegenheiten der Flottenrüstung. Nur acht Monate später kam es zum Krieg. Es war ein Krieg, auf den die Marine so schlecht vorbereitet war, daß Flottenchef Admiral Raeder sagte, die Flotte könne nur zeigen, daß sie verstehe, mit Anstand zu sterben. Man sieht also, daß die deutsche Marine und ihre Führung weder auf den Zweiten Weltkrieg hingearbeitet noch sich auf ihn vorbereitet haben.

Unterzeichneten am 18. Juni 1935 in London das britisch-deutsche Flottenabkommen: Der britische Außenminister Samuel Samuel Hoare (1890-1959) und der deutsche Sonderbeauftragte für Abrüstungsfragen Joachim von Ribbentrop (1893-1946) Foto: Archiv


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