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18.06.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. Juni 2005

Schwarz-Rot-Grün / Schröder macht Europapolitik wie Kohl und die Union zankt sich wie die Flügel der SPD
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel 

Der Streit zwischen Rabattbriten und Agrarfranzosen hat uns gerade noch gefehlt. 

Ist nicht schon genug Unordnung in der EU seit den frechen Volkserhebungen zur Verfassung? Gut, daß es Schröder gibt. In allerletzter Minute scheint sich der Kanzler an die raffinierte Strategie seines Vorgängers erinnert zu haben, die wieder alles retten könnte – auch wenn sich das bei Redaktionsschluß noch nicht sicher vorhersagen ließ. Wenn sich zu Kohls Regierungszeit mal wieder alle am europäischen Tisch heillos in einander verkeilt hatten, holte der einfach einen dicken Schreibblock raus, auf den die Kampfhähne nacheinander die Summe kritzelten, die sie gern auf ihrem Konto sähen. Der deutsche Kanzler nahm die Zahlungsforderungen mit Gleichmut entgegen, versprach, das Geld bald zu überweisen und alles war wieder eitel Sonne am europäischen Himmel. Stolz traten an solchen „historisch“ genannten Gipfeltagen die europäischen Staats- und Regierungschefs dann vor die Medien und rühmten sich, „nach langen, schwierigen Konsultationen der europäischen Idee neue Impulse gegeben“ zu haben. Zahlmeister Kohl umschleimten sie dabei einhellig als „großen Europäer“. Der war dann immer ganz gerührt. Schröder kläffte 1998 verächtlich, das sei „Scheckbuchdiplomatie“, die wolle er nicht weitermachen. Nun hat er sich endlich besonnen. Der Kanzler beschwor unsere großen Nachbarn im Westen: „Alle müssen sich bewegen“, und holte das Scheckbuch hervor. Die Schätzungen liegen bei zwei Milliarden Euro, die Deutschland jährlich mehr zahlen soll, damit Briten und Franzosen wieder lieb zueinander sind und die Engländer „das Fortschreiten des europäischen Prozesses“ nicht blockieren. Jetzt ist auch Schröder ein großer Europäer. 

Dafür wird der Nachfolger von Hans Eichel ein ganz schlechter Finanzminister sein. Die dann in der Opposition sitzenden Sozialdemokraten werden am neuen – ob schwarzen oder gelben – Finanzchef nämlich aller Voraussicht nach kein gutes Haar lassen, weil der „viel zu wenig gegen die völlig überhöhten deutschen Zahlungen an Brüssel unternimmt“. Wir werden dem empört zustimmen, versprochen! Ein besonderer Vorzug der EU ist bekanntermaßen, daß sie es dem Stand des Politikers erlaubt, seiner Tätigkeit nachzugehen, ohne daß ihm dabei ständig jemand über die Schultern glotzt und was auszusetzen hat. Da „Europa“ ja schon an sich was Gutes ist, wollen wir es sowieso nicht so genau wissen. 

Noch besser als die EU ist freilich die Uno und noch viel weiter weg. Die ist so etwas wie der Olymp der politischen Tugend, wo der Weltgeist mit dem Generalsekretär Kaffee trinkt. Da ist es natürlich schade, daß wir nun wohl doch nicht so schnell in den Sicherheitsrat aufgenommen werden. Berlin ist beleidigt, parteiübergreifend. Ruhig blut: Der Sicherheitsrat ist schließlich nicht alles, was die Uno zu bieten hat. Vielleicht kriegen wir zum Trost ja ein paar fesche zusätzliche Posten in den Eingeweiden der Weltorganisation zugeschoben. Sie glauben ja gar nicht, was man da alles werden kann! Dort sitzen neben dem Generalsekretär noch zehn Untergeneralsekretäre, von denen sich einer sogar „Oberster Rechtsberater“ (der ganzen Welt, sozusagen!) nennen darf. Zu denen gesellen sich weitere drei Generaldirektoren und fünf Exekutivdirektoren – und das ist noch längst nicht alles an fabelhaft alimentierten Spitzenpositionen. Denn die Uno gebietet zudem über rund 40 Programme, Fonds, Sonderorganisationen und „angeschlossene Organisationen“, die ihrerseits einer Legion von Generaldirektoren, Verwaltungsdirektoren, eigenen Generalsekretären, Exekutivsekretären, Exekutivdirektoren und Exekutivkoordinatoren, Direktoren, Hohen Kommissaren, Generalkommissaren und Administratoren unterstehen. 

Die Verwandschaftsverhältnisse des Hauses Habsburg-Lothringen wären leichter auswendigzulernen als die Namen all dieser Leute. Ja, Ihr ewigen Nörgler: Die Globalisierung macht vielleicht hier und da ein paar Arbeitsplätze platt, aber – seht Euch die Uno an – sie schafft auch welche! Wir Deutschen können stolz darauf sein, daß wir als drittgrößter UN-Beitragszahler (nach USA und Japan) entscheidend zum Unterhalt dieser großartigen Postenmaschine beitragen. Deshalb haben unsere Politiker aber auch das gute Recht, für Deutschland, also für sich selbst, ein paar mehr von den hübschen Plätzen in diesem Schlaraffenland einzufordern, insbesondere, wenn man uns im Sicherheitsrat nicht haben will. Sie fragen, ob etwa abgelegte Rot-Grün-Politiker den gewaltigen Aufgaben in der Weltorganisation auch gewachsen wären? Oder ob sie uns da womöglich blamieren? Aber hallo! Peter Scholl-Latour hat die Wirkungsweise der Uno einmal knapp umrissen: Überall dort, wo die Lage brenzlich sei, träten die Vereinten Nationen in Erscheinung, um ohnehin schwierige Situation in vollendetes Chaos zu verwandeln. Erinnert uns das nicht an etwas? Lieber Kofi Annan, ab Herbst bist Du alle Deine Personalsorgen los, dann haben wir genau die Leute frei, die Du für Deinen Laden brauchst. 

Nun aber mal halblang! Wir können hier doch nicht so tun, sei die Wahl, wenn sie denn überhaupt kommt, schon gelaufen! Die Parteien ziehen dieser Tage alle Register. Gutgehende Firmen sollten ihren Mitarbeitern eine Einmalzahlung leisten, fordert die SPD, damit die Einmalbezahlten dem Kanzler wieder gut sind. Na also, es gibt schon Wahlgeschenke! Die wurden von der Gegenseite selbstredend fauler Zauber entlarvt („Unverantwortlich!“, donnerte Baden-Württembergs CDU-Landesvater Oettinger). Bis plötzlich Angela Merkel öffentlich bekannte, daß sie die Idee mit der Einmalzahlung gar nicht schlecht findet. Wie bitte? Tja, die „schwarze Republik“ wird offensichtlich viel bunter und längst nicht so langweilig, wie wir noch vor kurzem befürchten mußten. Edmund Stoiber beispielsweise hat gerade erst das Richtschwert gezückt, um die Sozialleistungen zu kürzen, da fallen ihm gleich mehrere CDUGranden nebst Angela Merkel den Arm. Die CDU-Chefin kritisiert Stoiber nicht direkt und bezieht auch nicht wirklich Position, wie das so ihre Art ist. Trotzdem hat man (obwohl sich da lauter Unionsleute kloppen) irgendwie das Gefühl, man säße wieder zwischen Ottmar Schreiner und Wolfgang Clement.


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