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25.06.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Juni 2005

Reis in der Wüste / Blair weiß offenbar gar nicht, was uns die EU-Förderpolitik alles gebracht hat
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Soll denn alles umsonst gewesen sein? "Fieberhaft", so wurde Anfang der Woche berichtet, suche man in Brüssel nach einem Ausweg aus dem europäischen Dilemma. Dabei haben die allermeisten EU-Akteure längst eine sehr genaue Vorstellung davon, wie das Tor, das uns aus der Krise führt, aussehen soll: genauso wie das, durch das wir hineingegangen sind. Die größte Angst ist nämlich, daß sich tatsächlich etwas ändert. Diese Furcht hat jetzt einen Namen bekommen: Tony Blair.

Schreckliche Ahnungen erfassen den Kontinent. Denn überall in der Europäischen Union haben sich feste Netzwerke, ja ganze Wirtschaftszweige gebildet, die nur durch die Segnungen der Europäischen Union und ihrer erfolgreichen Förderpolitik so gedeilich sprießen. "Davon profitieren wir alle" bekräftigen diejenigen, die alle davon profitieren. Lobbyisten etwa, die Jahrzehnte gebraucht haben, um die Leute ihres Vertrauens in die richtigen Positionen zu hiefen - und jetzt alles ins Rutschen kommen sehen. Subventionskünstler und Milchquoten-Broker bangen ebenso wie fleißige Kilometerfresser, deren ganzer Lebensinhalt darin besteht, Agrarprodukte aus allen Winkeln der EU kreuz und quer durch die europäische Landschaft zu fahren, damit sich der Straßenbau auch lohnt. Oder Kommunalpolitiker in "strukturschwachen Randregionen", die dank der EU ein Sportstadion bauen konnten, das auch dem erwarteten Bevölkerungszuwachs der kommenden 300 Jahre noch Platz bieten wird. All die sind "tief besorgt um das Erreichte".

Europa ist nämlich ein Werk aus fein austarierten Kompromissen, warnen die Experten in Brüssel. Richtig: So ein Kompromiß ist beispielsweise, daß die EU mit immer neuen Verordnungen und Kampagnen gegen das Rauchen vorgeht und gleichzeitig mit Millionensubventionen den Tabakanbau subventioniert. Diesen Kompromiß hätten wir auf nationaler Ebene nie errungen. Da hätte ja einer gefragt, was das soll! In Europa tut man das nicht. Auch den Reisanbau in der spanischen Halbwüste gäbe es ohne die EU bestimmt nicht. Man stelle sich vor, ein spanischer Lokalpolitiker hätte vorgeschlagen, diese denkbar wasserintensivste Kulturfrucht ausgerechnet in seiner staubtrockenen Heimat zu kultivieren! Den hätten sie eingewiesen. Aber mit Europa haben wir eben eine höhere Form der Erkenntnis erreicht, auf der praktisch alles machbar ist. Ein pommerscher Agrarier hat durchgerechnet, daß er - alle erreichbaren EU-Zuschüsse ausnutzend - sogar Bananen auf Rügen züchten könnte, mit Gewinn. Wäre das nicht wunderbar?

Auch die Dritte Welt profitiert. Die mit allerlei Milliarden herbeisubventionierten EU-Agrarüberschüsse können für Spottpreise oder sogar ganz umsonst in Afrika verramscht werden. Die dortigen Bauern brauchen dann gar nicht mehr mit ihrer entbehrungsreichen Arbeit anzufangen, sondern dürfen warten, bis der Laster voller Reissäcke mit EU-Fähnchen drauf die staubige Dorfstraße raufschaukelt. Selber anbauen lohnt da nicht mehr, eher schon der Umzug in eine jener reizvoll-bizarren Wellblechvorstädte der explodierenden Drittwelt-Metropolen, in die es die Mehrheit ihrer Landsleute längst gezogen hat. Dort wartet ein EU-Entwicklungsprogramm auf sie. Von dessen Existenz hatte sie gar keine Ahnung gehabt, bevor ihnen die Billigimporte aus Europa den Hof ruiniert hatten. So wächst die Welt zusammen. Arm und Reich, Hand in Hand!

Alldem geht Britenpremier Blair an die Eingeweide, wenn er jetzt frech eine "grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik" einklagt. Besonders enttäuscht sind die, die schon seit dem Fall des Eisernen Vorhangs Gabel und Serviette bereit-hielten für den leckeren großen Subventionskuchen und die nun mit ansehen müssen, wie da einer kurzerhand das Bufett abräumen will, bevor sie richtig dranwaren. Deshalb haben die "Neuen Zehn" noch einmal unter Leitung Polens in einem letzten, verzweifelten Kompromißvorschlag ihre Solidarität (mit dem Geld der anderen) rührend unter Beweis gestellt. Es half nichts.

Jetzt gilt die Losung: Trickreich sein! Der Chef der Sozialisten im EU-Parlament, der Deutsche Martin Schulz, schlägt eine Doppelstrategie vor. Teil 1: Retten, was zu retten ist. Die beim Volk besonders populäre Dienstleistungsrichtlinie soll laut Schulz "rasch verabschiedet" werden, bevor die auch noch irgendeiner Volksabstimmung zum Opfer fällt. Teil 2: Solange Verwirrung stiften, bis alle erschöpft sind. Erschöpftes Volk rebelliert nicht mehr. Dafür will Schulz "Bürgerforen" in allen 25 EU-Staaten installieren. Solche "Foren" sind entweder groß und chaotisch - bringen also ein Höchstmaß widersprüchlicher Vorschläge zustande, aus denen sich dann die Brüsseler Spezialisten genau das heraussuchen können, was sie sowieso vorhatten. Oder sie sind klein und handverlesen. Dann werden da von vornherein nur die sitzen, die Schulz und seine Freunde ausgesucht haben.

Denn "Populisten" darf man schließlich kein (Bürger-)Forum bieten. Wie tief sich der Keim des Populismus selbst in die fortschrittlichen Talkshow-Eliten hinein ausgebreitet hat, zeigte uns dieser Tage der tiefe Fall des Oskar Lafontaine in den Sumpf brauner Sprüche. Öffentlich bezeichnete er Arbeiter, die aus der Fremde kommen, als "Fremdarbeiter". Sofort kam etlichen eifrigen Rot-Grünen in den Sinn, daß sie dieses Wort schon einmal irgendwo gelesen hatten, sie wußten nur leider nicht mehr wo. Deshalb tippten sie spontan erst einmal auf "das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte". Das kann man ihnen nicht übel nehmen. Sie haben marktgerecht reagiert. Schließlich war es nie so billig, ein mutiger "Antifaschist" zu sein wie heute und nie so einfach, einen anderen als Nazi zu verunglimpfen. Da greift man halt zu. So ist das am Markt für Moralwirtschaft.

Leider kam dann heraus, daß "Fremdarbeiter" ein Begriff aus aktuellen SPD-Internetseiten war. Es gelang den Sozialdemokraten nicht mehr, das Wort rechtzeitig zu entfernen, bevor es Journalisten aufspürten. Peinlich, peinlich. Schade nur, daß wir "Fremdarbeiter" nicht auch auf der Internetpräsentation irgendeines CDU-Abgeordneten gefunden haben. Der säße jetzt hinten neben Hohmann und flöge im September raus! Lafontaine hingegen wird demnächst ganz vorne im Reichstag platznehmen, auf Augenhöhe mit Heuschrecken-Münte und Vaterlands-Schröder.

Der Gipfel der Europa-Gefühle Zeichnung: Götz Wiedenroth


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